
Der Immobilienmakler, der bei der Suche nach dem Niederlassungsstandort hilft, die Tankfüllung auf dem Rückweg von einem Lieferantenaudit oder das Eintrittsgeld zu einer Fachmesse – Mittelständler sammeln bei ihren Geschäften häufig Rechnungen im EU-Ausland. Während die Mehrwertsteuer bei inländischen Rechnungen ein durchlaufender Posten ist, gestaltet sich die Vorsteuervergütung bei Rechnungen aus EU-Nachbarländern etwas komplexer.
Grundsätzlich kann ein deutscher Unternehmer die Vorsteuer aller Dienstleistungen, die für ihn im Ausland erbracht wurden, und aller Sachleistungen, die er dort erworben hat, zurückfordern. Erstattet wird sie ihm von dem Staat, der die Steuer eingenommen hat, in dem also die Dienst- oder Sachleistung erbracht wurde.
Um den Prozess zu vereinfachen, müssen Unternehmen die Vorsteuer aber nicht direkt vor Ort im „Erstattungsstaat“ zurückfordern. Stattdessen koordiniert die Finanzverwaltung desjenigen Staates die Vorsteuervergütung, in dem der Rechnungszahler seinen Sitz hat. Die geleistete Vorsteuer für eine Tankquittung in Schweden muss ein deutscher Unternehmer also nicht bei den schwedischen Steuerbehörden zurückfordern, sondern beim deutschen Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).
Unbedingt an standardisiertes Verfahren halten
„Innerhalb der EU ist das Verfahren standardisiert und bedeutet keinen großen Aufwand für die Buchhaltung“, meint Stefan Rattay, Steuerberater bei der Wirtschaftsprüfungskanzlei WWS in Aachen. Wichtig ist lediglich, sich bei der Erstattungsbeantragung exakt an die Formalien zu halten. Immer wieder weisen die zuständigen Finanzbehörden Anträge aufgrund von Formfehlern zurück, sagt Rattay.
Der erste Schritt für den Antrag einer Vorsteuervergütung ist für das deutsche Unternehmen die Registrierung über das Steuerportal „Elster“. „Die meisten Unternehmen sind dort ohnehin angemeldet, da sie auch ihre deutsche Umsatzsteuervoranmeldung über Elster abwickeln“, sagt Rattay. Sie können dann direkt loslegen.
Diejenigen Unternehmer, die noch nicht im Portal registriert sind, sollten für die Erstanmeldung etwas Zeit einplanen. Denn die Formulare, die sie dafür ausfüllen müssen, werden auf dem Postweg ans Unternehmen geschickt. „So möchten die Behörden sichergehen, dass es das Unternehmen auch tatsächlich gibt und die Postadresse korrekt ist“, erklärt er.
Für Anträge ist elektronischer Weg verpflichtend
Deutlich weniger „oldschool“ ist das weitere Vorgehen. Denn die Anträge auf Vorsteuervergütung müssen immer elektronisch gestellt werden. Seit Mitte 2016 ist der Postweg ausgeschlossen. In dem Onlinetool muss der Antragsteller genau angeben, für welche einzelnen Leistungen Rechnungen gestellt wurden, deren Vorsteuer er zurückerhalten möchte, und in welchem Land.
Die Klassifizierung geschieht auf Basis des NACE-Codes. Diese vierstelligen Zahlenkombinationen spezifizieren die Wirtschaftszweige und -aktivitäten.
Bestandteil des Vorsteuervergütungsantrags ist eine Unternehmerbescheinigung, die ab Ausstellungsdatum jeweils ein Jahr gültig ist. Sie muss sämtliche Unternehmensdaten enthalten (Name, Adresse, Steuernummer) sowie ebenfalls eine Klassifizierung des eigenen Geschäfts laut NACE-Code.
Erstattungsstaaten fordern unterschiedliche Belege
Wie detailliert die NACE-Klassifizierung sein muss, definiert jeder Erstattungsstaat selbst. Manche fordern lediglich eine grobe Zuordnung, andere hingegen sind penibel. Auch ob die Rechnungen als Belege angehängt werden müssen, ist je nach Erstattungsstaat unterschiedlich.
So fordert Italien zum Beispiel den Scan jeder Originalrechnung (Dokumente, die im Scan als Kopie erkennbar sind, werden nicht akzeptiert), während Dänemark Anträge ohne Belege möchte und diese nur im Zweifel nachfordert. Die Regelung jedes Staates ist in der EU-Präferenzliste zusammengefasst. Da es oft zu Änderungen kommt, sollten Unternehmen immer die aktuelle Liste parat haben.
Ist ein Antrag unvollständig, erhält das Unternehmen Meldung vom BZSt und hat Gelegenheit, die fehlenden Unterlagen nachzureichen. Kommt es dieser Aufforderung nicht nach, gilt der Antrag als nicht gestellt und das Unternehmen erhält die darin aufgeführte Vorsteuer nicht zurück.
Wie Mittelständler im Ausland erfolgreich werden, erfahren Sie in unserem Schwerpunkt „Internationalisierung“.
Die aktuelle EU-Präferenzliste mit Informationen zu erforderlichen Belegen, akzeptierten Sprachen und Ausführlichkeit der NACE-Klassifizierung je Erstattungsstaat finden Unternehmer auf der Webseite des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt).
Schwellenwert liegt bei 50 Euro
Pro Antrag können (und müssen in gewissen Fällen) mehrere Rechnungen zusammengefasst werden, auch wenn sie unterschiedliche Leistungen in unterschiedlichen Ländern beinhalten. Das BZSt splittet den Sammelantrag auf und leitet ihn in die jeweils zuständigen Länder weiter. Die Rückzahlung der Vorsteuer läuft übrigens direkt über die Steuerbehörden des „Erstattungsstaates“. Daher sollten Unternehmen darauf achten, ihre Kontodaten vollständig anzugeben.
Zusammengefasst werden müssen Vorsteuervergütungsrechnungen möglicherweise, um den Schwellenwert von 50 Euro pro Jahr zu erreichen, der für eine Bearbeitung definiert ist. Sind innerhalb von drei Monaten schon mehr als 400 Euro Vorsteuer zusammengekommen, kann ein Unternehmen deren Erstattung auch unterjährig beantragen.
Anmeldungen für einen Zeitraum, der kürzer als drei Monate ist, sind nicht zulässig, auch wenn die Summe von 400 Euro überschritten ist. Mehr als zwölf Monate zusammenzufassen ist ebenfalls nicht möglich – mit dem Beginn des 13. Monats fängt die Schwellenwert-Zählung aufs Neue an. „Mit dieser zeitlichen und finanziellen Beschränkung wollen die Steuerbehörden übermäßigen Bürokratieaufwand verhindern“, erklärt Steuerberater Rattay.
Bei Kraftstoff gilt ein höherer Schwellenwert von 250 Euro. Wenn die summierte Vorsteuer aller in einem Jahr geleisteten Tankfüllungen diesen Wert nicht erreicht, können Unternehmen sie also nicht geltend machen.
Landeswährung und Landessprache
Die Angaben im Antrag müssen in der Landeswährung des Erstattungsstaates gemacht sein, da in dieser die eingereichten Rechnungen beglichen wurden. In welcher Sprache die Vorsteuervergütungsanträge eingereicht werden können, definiert das Steueramt, das diese entgegennimmt – in Deutschland also das BZSt.
Wenn sie Erklärungen oder Begründungen als Freitext im Antrag eintragen, müssen Unternehmen aber auch auf die Sprachregeln des Erstattungsstaates achten. Sie entnehmen diese ebenfalls der EU-Präferenzliste.
Für Erstattung gilt eine viermonatige Frist
Ab Eingang des Vorsteuervergütungsantrags hat der Erstattungsstaat vier Monate Zeit, die Vorsteuer zurückzuzahlen. Dauert es länger, muss der Erstattungsbetrag verzinst zurückgezahlt werden. Als Zinssatz gilt, was im jeweiligen Erstattungsstaat als Nachzahlungszinssatz definiert ist – in Deutschland sind das derzeit 6 Prozent.
Wenn der Erstattungsstaat nachträglich Belege anfordert, wird die Frist für den Zeitraum der Bearbeitung unterbrochen. „Die EU-Staaten erstatten unterschiedlich zuverlässig und zeitnah“, berichtet Rattay aus seiner Erfahrung.
„Die Niederlande und Polen brauchen nur drei bis fünf Monate. Aus Italien hingegen erwarten wir keine pünktliche Erstattung – zum Teil warten dort noch Anträge aus dem Jahr 2011 auf Bearbeitung.“ Eine rechtliche Handhabe, um die Zahlung zu beschleunigen, haben deutsche Unternehmen nicht.
Bei Reverse Charge kein Anspruch auf Vorsteuervergütung
Bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen und Warenlieferungen ist zu beachten, dass nur vorsteuervergütungsberechtigt ist, was nicht dem „Reverse-Charge-Verfahren“ unterliegt. Eine solche bilaterale Regelung besteht zwischen Deutschland und allen anderen EU-Ländern plus der Schweiz. Ihr zufolge zahlt der Kunde selbst die Umsatzsteuer, kann aber gleichzeitig einen Vorsteuerabzug im selben Umfang geltend machen.
Wenn also ein deutscher Unternehmer einen finnischen Steuerberater in Anspruch nimmt, selbst aber keinen Sitz in Finnland hat, stellt dieser ihm eine umsatzsteuerfreie Rechnung aus. Die eigentlich fällige Umsatzsteuer zahlt der deutsche Unternehmer dann in Deutschland. Vorteil dieses Systems ist, dass das Finanzamt Vorsteuerbeträge nicht mehr auszahlen muss, sondern sie direkt verrechnet werden.
Rattay schätzt, dass lediglich etwa 10 Prozent der im Ausland erbrachten Dienstleistungen mit ausländischer Steuer versehen sind, die ein Unternehmer über das Vorsteuervergütungsverfahren zurückfordern kann.
Insgesamt hält Steuerberater Rattay das EU-Vorsteuervergütungsverfahren für verhältnismäßig unkompliziert und unternehmerfreundlich. Ganz so bürokratiearm, wie es sich so mancher Mittelständler wünschen dürfte, ist es allerdings nicht.