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Einkauf, Marketing und Marken > Lieferantenmanagement

Warum auch dem Mittelstand ein strategischer Einkauf nützt

Der strategische Einkauf ist keine bloße Bestellabteilung, sondern hilft dem Unternehmen, sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu optimieren. Wie auch Mittelständler ungenutzte Potentiale heben können, erklärt Einkaufsexperte Thomas Wandler im Interview.

Herr Wandler, welche Aufgaben hat der strategische Einkauf in einem Unternehmen?
Im Gegensatz zum operativen Einkauf verbessert der strategische Einkauf die Leistungen der Lieferanten und damit auch die des gesamten Unternehmens. Das wird immer wichtiger werden, da die Unternehmen mehr Risiken ausgesetzt und schneller auf Marktveränderungen und Kundenanforderungen reagieren müssen. Strategische Einkäufer schauen über den Tellerrand hinaus und steuern das erforderliche Lieferantenmanagement.

Wo beginnt der strategische Einkauf und wo hört er auf?
Das lässt sich nur schwer abgrenzen. Der Einkauf sollte immer im Kontext mit der Unternehmensstrategie gesehen werden. Daraus lassen sich dann Ziele, Aufgaben und Strategien für den Einkauf ableiten. Neben Innovationen, Vertrieb und Marketing sind die richtigen Lieferanten heute das A und O für den Unternehmenserfolg und die Wettbewerbsfähigkeit. 

Welche Vorteile bietet der strategische Einkauf konkret?
Da gibt es eine ganze Menge: Zum Beispiel kann das Unternehmen dank günstiger Einkaufspreise an den weltweiten Märkten zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren beziehungsweise die Einkaufskosten senken. Durch kurze Umschlagzeiten wird im Lager nicht zu viel Kapital gebunden. In der Fertigung können Material und Rohstoffe effizienter eingesetzt werden, was die Produktkosten senkt. Und die Logistik kann so optimiert werden, dass das Unternehmen schneller und günstiger liefert als die Mitbewerber. Und last but not least kann man besser mit Risiken umgehen.

Sind das auch die Gründe, warum das Thema in den vergangenen Jahren so stark an Bedeutung gewonnen hat?
Immer mehr Unternehmen haben erkannt, wie hoch der Ergebnisbeitrag einer strategischen Einkaufsabteilung und deren Schnittstelle zu den Lieferanten ist. Zudem haben sich durch die gute Konjunktur der vergangenen Jahre viele Zuliefermärkte von Einkäufermärkten zu Verkäufermärkten gewandelt, das heißt, die Nachfrage ist größer als das Angebot. Selbst Standardkomponenten für die Produktion lassen sich heute teilweise nur noch schwer beschaffen. Ein ‚weiter wie bisher‘ war deshalb kaum möglich.

Rechenbeispiel

 

So wirken sich Einsparungen im Einkauf auf den Unternehmenswert aus.

Ein Unternehmen hat folgende Kennziffern:

 

  • Umsatz: 10 Millionen Euro
  • Einkaufsvolumen: 5 Millionen Euro
  • Ebit: 1 Million Euro
  • Unternehmenswert: 8 Millionen Euro (8-Faches Ebit)


Durch einen strategischen Einkauf können die Einkaufskosten um 10 Prozent des Einkaufsvolumens gesenkt werden, in diesem Fall also um 500.000 Euro. Dieser Betrag fließt nun in das Ergebnis vor Abgaben und Steuern (Ebit) mit ein, das sich damit auf 1,5 Millionen Euro erhöht. Der Unternehmenswert, der sich auf Basis der Multiples berechnet, beträgt somit 12 Millionen Euro. Zuvor war die Firma 8 Millionen Euro wert, was bedeutet, dass sie nur durch die Einsparungen im Einkauf um 50 Prozent wertvoller geworden ist.


Quelle: Kloepfel Consulting

Wie wichtig ist der strategische Einkauf speziell für den Mittelstand?

Gerade für innovations- und entwicklungsgetriebene Unternehmen, wie man sie oft im Mittelstand findet, ist der strategische Einkauf enorm wichtig. Neue Produkte lassen sich nur schwer zur Marktreife bringen, wenn es keine passenden Lieferanten gibt. Der strategische Einkauf achtet darauf, dass sich Lieferanten in dieselbe Richtung wie das eigene Unternehmen entwickeln. Etwa indem man Entwicklungs-/Innovations-Roadmaps mit den wichtigsten Lieferanten abstimmt oder sich überlegt, inwiefern man von ihren neuen Produkten profitieren kann. Davon kann auch schon ein Startup mit zehn Mann profitieren – das ist also keine Frage der Größe.

Woran liegt es, dass Mittelständler dem strategischen Einkauf dennoch oft noch skeptisch gegenüber stehen?

Viele mittelständische Unternehmen denken nur dann strategisch, wenn die Versorgungssicherheit gestört ist. Aber dann ist es schon zu spät. Viele meinen auch noch, dass der Geschäftsführer ohnehin mit den wichtigsten Lieferanten verhandelt. Dann bleiben aber immer noch die Einspar- und Innovationspotentiale der vielen anderen Lieferanten.

Welche Rolle spielt der Grad der Digitalisierung?

Analoges und manuelles Arbeiten ist in erster Linie teuer, frisst Zeit und kostet Nerven. Hinzu kommt, dass manche Märkte sich binnen Stunden oder gar weniger Minuten verändern. Durch digitale Tools kann man beispielsweise preislich stark schwankende Rohstoffe im Blick behalten und zum idealen Zeitpunkt bestellen.

Sind digitale Tools demnach eine Voraussetzung für den strategischen Einkauf?

Es kommt darauf an, was man will. Soll beispielsweise die Anzahl der Lieferantenrechnungen von ein paar hundert auf ein Dutzend reduziert werden, würde ich sagen: Ja.

 

Wie funktioniert das?

Wenn eine Firma 150 Lieferanten hat und bei jedem dreimal im Jahr etwas bestellt, dann sind das 450 Einzelrechnungen. Digital kann man diese zu Monatsrechnungen von einem Lieferanten zusammenfassen. Das heißt, es müssen nur noch zwölf Rechnungen bearbeitet werden. Ich will es mal so ausdrücken: Wer möchte, dass sich sein Einkauf quasi von alleine erledigt, und damit viele Sorgen und Kosten entfallen, der muss digitalisieren.

 

Fällt der operative Einkauf teilweise weg, müssen diese Mitarbeiter woanders eingesetzt werden. Welche Voraussetzungen sollte ein Einkäufer dafür mitbringen?

Hat der Mitarbeiter aus dem operativen Einkauf Verhandlungstalent, denkt er strategisch und kann er Mitarbeiter oder auch Lieferanten führen, ist ein Wechsel in den strategischen Einkauf möglich. Passen diese Soft-Skills, lohnt es sich allemal, einen Einkäufer auch entsprechend durch Schulungen aufzubauen, anstatt einen neuen Mitarbeiter einzustellen.

 

Der strategische Einkauf hat viele Ebenen. Welche sind auch für einen Mittelständler ohne großen finanziellen, personellen oder technischen Aufwand umsetzbar?

Ich empfehle immer klein anzufangen. Man kann zu Beginn überlegen, wo dringender Handlungsbedarf liegt. Diese Punkte kann man mit einem strategischen Interims-Einkäufer angehen. Dann ist es vom Nutzen abhängig, wie man solche Lösungen etabliert. In der Regel ist es aber so, dass kürzere Lieferzeiten, niedrigere Preise oder eine höherer Flexibilität Lust auf mehr machen.

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