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Zukunftsmärkte > Bussterben

Warum Fahrgäste immer öfter vergeblich auf den Bus warten

Es mangelt an Busfahrern. Die Ausbildungskosten sind hoch, der Verdienst bescheiden. Zahlreiche Unternehmen schließen. Die Folge: Im ÖPNV klaffen Lücken. Das 49 Euro-Ticket verschlimmert die Situation noch. Und die Fahrgäste stehen im Regen.

Fahrgäste warten immer öfter vergeblich auf den Bus: Es mangelt an Busfahrern.© Shutterstock

Erst Corona, dann die explodierenden Spritkosten und jetzt noch Lücken in der Finanzierung: Für die Betreiber von Bussen sind es harte Zeiten. Viele Unternehmen arbeiten an der Ertragsgrenze – oder sogar darunter. Für kleinere Betriebe unter ihnen hat der Anfang vom Ende begonnen.

„Unsere Unternehmen sterben leise“, bringt es Ulrike Schäfer, Sprecherin des baden-Württembergischen Verbands der Omnibusunternehmen auf den Punkt. Sie geben auf, ohne dass der Markt von jedem einzelnen groß Kenntnis nimmt. Der Bundesverband BDO bestätigt den Trend. „Die verbleibenden Unternehmen der Branche werden immer größer“, umschreibt ein Sprecher die Marktbereinigung.  Derzeit sind in Deutschland noch rund 3000 überwiegend kleine und mittelständische Privatbetriebe aktiv. Noch vor zwei Jahren waren es 3400. Hinzu kommen die 630 kommunalen Verkehrsbetriebe, die zum Teil aber auch U-, S- und Straßenbahnen in der Flotte haben. Gut 80 sind im Land aktiv. Deutschlandweit könnten die Unternehmen 80.00 Busse täglich bewegen. Doch es fehlt an Fahrerinnen und Fahreren. Bundesweit werden mehr als 10.000 gebraucht. Bis Ende der Dekade soll sogar eine Lücke von 36.000 unbesetzten Stellen klaffen. Schon heute sehen mehr als 90 Prozent der Unternehmen ihren Betrieb durch fehlendes Personal gefährdet.

Vier von fünf der Busbetreiber können nicht mehr alle Fahrten anbieten, Kunden bleiben stehen oder müssen sich mit ihren Fahrtwünschen nach dem ausgedünnten Terminplan der Anbieter richten. Der Busfahrerverband sucht nach Gründen für die mangelnde Attraktivität und landet erstmal bei sich selbst. Man habe in den vergangenen Jahren wenig getan, um den Beruf interessant zu machen. Die Ausbildung sei unkoordiniert. Viele von der Bundesagentur für Arbeit mintfinanzierten Bus-Führerscheine würden später nie genutzt. Sinnvoller sei es, den Unternehmen diese Aufgabe zu übertragen.

Teurer Weg zum Führerschein

Die Fahrlizenz ist teuer: Mehr als 10.000 Euro kostet die Ausbildung, weil neben bis zu 244 Pflichtstunden auch noch separat eine so genannte Berufskraftfahrerqualifikation gefordert wird, ein zusätzlicher Lehrgang, der auch seine 3000 Euro kosten kann. Zudem ist ein Mindestalter von 23 Jahren vorgeschrieben. Der Verdienst von durchschnittlich 2600 Euro brutto im Monat ist überschaubar. Das schreckt den Nachwuchs ab. Im Ausland werden die Unternehmen auch nicht fündig, denn ohne Sprachkenntnisse, können Fahrer nach Verbandsangaben allenfalls im Nahverkehr arbeiten. Interessenten aus Nicht-EU-Staaten winken ohnehin ab. Sie müssen ihre Ausbildung mit einer Prüfung auf Deutsch ohne Hilfe eines Dolmetschers bestätigen. Im Nachbarland Österreich ist man da flexibler. Dort kostet der gesamte Führerschein auch nur 3000 Euro. Nach acht Pflichtstunden kann jeder selbst entscheiden, was er zur Führerscheinreife noch braucht. 

So müssen hierzulande viele Unternehmen immer öfter Kunden abweisen, die einen Bus mieten wollen. Schon befürchten etliche Narren- und Karnevalsvereine, dass sie in der einsetzenden Saison wieder nicht zu den traditionellen Treffen fahren können. Nach Corona ist der Grund diesmal, dass sich kein Busunternehmen findet. Inzwischen mehren sich auch im Linienverkehr die Meldungen von Unternehmen und Kommunen, die mangels Fahrer das Angebot ausdünnen müssen. So kommen in Augsburg und Starnberg bis auf weiteres weniger Busse an. Auch Potsdam schränkt das Angebot ein, weil Busfahrer fehlen. Die Liste wird täglich länger.

Das Ringen ums Personal führt dazu, dass Landkreise wie München und Ebersberg das Nachsehen haben. Denn wer kann, fährt lieber in der bayrischen Landeshauptstadt: Dort gibt es eine hohe „München-Zulage“. Aber auch dort fehlt es an Selbstverständlichkeiten. Allein die Münchner Verkehrsbetriebe haben 124 „Problemhaltestellen“ ausgemacht, wo die Fahrer zwar Pausen aber keine Toiletten haben. Gegen Dixiklos würden sich die meisten Kommunen sperren, „weil sie das Ortsbild verschandeln“; klagt Busunternehmer Josef Ettenhuber in Glonn-Schlacht bei München.

Verlustgeschäft ÖPNV

Gerade das Geschäft mit dem öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) entwickelt sich für die Privaten zum Verlustgeschäft. Denn die Verträge aus den Ausschreibungen sind schon Jahre alt und zu deutlich niedrigeren Dieselpreisen ausgehandelt worden. Sie zu kündigen, um bessere Konditionen erreichen zu können, würde eine neue Ausschreibung mit ungewissem Ausgang auslösen. Auch der Chef des württembergischen Busverbands Klaus Sedelmeier, der in dritter Generation ein Unternehmen im südbadischen Hartheim bei Freiburg betreibt, hat sein Angebot in den Abendstunden ausgedünnt. Wie viele Kollegen versucht er, wenigstens den Transport der Schüler und Pendler zu sichern. „Wir bleiben derzeit auf einem Drittel der Kosten sitzen.“ Sein 1928 gegründeter Betrieb überlebt durch das Geschäft mit Tagesreisen und Mietomnibussen. Mit 45 Beschäftigten erwirtschaftet „Rast-Reisen“ einen Umsatz von fünf Millionen Euro. Das Unternehmen gehört damit schon zu den Größeren.

Unternehmen drohen mit Stillstand

Im Frühjahr wollte das Land Baden-Württemberg der kriselnden Branche mit insgesamt 180 Millionen Euro helfen – vorausgesetzt die Kommunen und Landkreise beteiligen sich. Am Ende floss kein Geld. Die Unternehmen müssen nun mit den einzelnen öffentlichen Auftraggebern um eine Kostenbeteiligung kämpfen. Während der Verkehrsverbund Stuttgart positiv reagiert hat, eskalierte im benachbarten Reutlingen der Streit. Hier floss am Ende erst Geld, nachdem die dort fahrenden Unternehmen gedroht hatten, den Betrieb ganz einzustellen.

Im ÖPNV gehen die Busunternehmen in Vorleistung. Das Geld für die Anschaffung muss der Betrieb des neuen Fahrzeugs hereinfahren. Ungeklärt ist allerdings, wie die Busbetreiber die EU-Forderung nach Elektrofahrzeugen erfüllen sollen. Während ein konventioneller Bus mit Dieselmotor im Schnitt 250.000 Euro kostet, erreichen die Preise für die Batterie-Version mehr als eine halbe Million Euro. Die 2018 vom Bund aufgelegte Förderung in Höhe von 620 Millionen Euro ist bereits aufgebraucht. Ein Nachfolge-Programm sei nicht in Sicht, klagt der Busverband.

Politposse 49-Euro-Ticket

Mit dem in Berlin beschlossenen 49-Euro-Ticket bahnt sich bereits der nächste Konflikt an. Denn bis heute ist nicht geklärt, wer den Busunternehmen den dann entgangenen Umsatz ausgleichen wird. Schon wird befürchtet, dass die Betriebe am Ende eines Monats alle Fahrten zusammenrechnen und den Ausgleich beantragen müssen. Bis dann Geld fließt, können Wochen oder gar Monate vergehen – das schaffen die unternehmen aber nicht.

Nach Ansicht der privaten Busbetreiber fehlen bei der Finanzierung mehr als 1,5 Milliarden Euro. Ohne klare Finanzierung und ausreichend Fahrer sieht Sedelmeier die Pläne der Regierung kritisch, mehr Fahrgäste für den ÖPNV zu gewinnen: „Hier bewegen sich Anspruch und Wirklichkeit immer mehr auseinander.“

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