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Zukunftsmärkte > Kampf gegen schwache Margen

Wann sich Firmen von Kunden trennen sollten

Viele Mittelständler trennen sich ungern von Kunden. Doch der Verzicht auf Umsatz kann sich in Zeiten des Personalmangels lohnen.

Sauber trennen: Wer sich von anstrengenden und wenig profitablen Kunden verabschiedet, steht oft besser da.
Sauber trennen: Wer sich von anstrengenden und wenig profitablen Kunden verabschiedet, steht oft besser da.© Vitalii Vodolazskyi/Shutterstock.com

Es gibt Kunden, die machen keine Fehler. Wenn der Buchstabendreher im Layout noch so deutlich von der Designerin kommt, nicht wie geplant produziert werden kann, sich alles verzögert, ist dennoch der Dienstleister schuld. Es gibt auch Kunden, die wissen alles besser, obwohl sie den Prozess zum ersten Mal machen und dem erfahrenen Lieferanten kein Stück vertrauen. Es gibt Kunden, die nach Abschluss aller Verhandlungen inklusive Vertragsunterzeichnung mit Sonderwünschen kommen und nicht wahrhaben wollen, dass diese zusätzlich Geld kosten. Und Kunden, die gar nicht so viel zahlen könnten, wie sie an Mehraufwand produzieren, das aber nicht verstehen und auch nicht so sehen. Die Frage ist: Braucht das Unternehmen diese Kunden?

Uwe Robben berichtet von solchen Kunden, auch wenn sie bei Weitem die Ausnahme darstellen. Er nennt freilich keine Namen. Auf die allermeisten Volten reagiert der Familienunternehmer gelassen. „Wir haben gelernt, was man im Vorfeld wie rüberbringen und in die Dokumente schreiben muss, damit man mit Sonderwünschen nachher leichter umgehen kann. Das erspart viele Diskussionen.“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter von MKS. Das Unternehmen aus Bingen am Rhein fertigt im Auftrag flüssige Produkte. 7000 Tonnen pro Jahr, Kosmetik, Desinfektionsmittel, Nahrungsergänzungsmittel – verpackt in kleinen Fläschchen bis hin zu Kanistern. Kunden sind Mittelständler, aber auch multinationale Konzerne. „Wir sind wie ein Stuntman beim Film“, sagt Robben, „kein Endverbraucher kennt uns.“

Aber die Kunden kennen MKS. Und mit den allermeisten läuft es rund, sagt Robben. Wenn nicht, akzeptiert er das eine gewisse Zeit, zieht aber irgendwann die Konsequenzen. Zwar habe er „sich erst von wenigen Kunden getrennt“, aber in der jetzigen Lage müsse er genau auf die Marge und vor allem den Aufwand achten, den er mit jedem Partner habe.

Da sind zum Beispiel die gestörten Lieferketten. „Ich glaube erst an die Lieferung von Vorprodukten und Rohstoffen, wenn sie auf dem Hof stehen“, sagt Robben. Das kostet Kapazitäten und erfordert viel Kommunikation mit den Kunden. Da ist es zunehmend schwierig, wenn Kunden kein Verständnis für Dinge haben, die nun einmal nicht zu ändern sind. Auch die dramatisch gestiegenen Kosten für Energie fressen an den Margen der Projekte. Und wenn die bei einem Kunden knapp kalkuliert war, rutscht man schnell ins Minus.

Dann ist da die Personalknappheit. Fachkräfte sind für MKS gar nicht das größte Problem: „Die bekommt man“, sagt Robben. „Es dauert nur länger.“ Schwierig ist es, Mitarbeiter für die Produktion einzustellen. Ob branchenfremd oder nicht, ist dabei zweitrangig. „Fleischer oder Bäcker nehmen wir gern, die hatten in der Ausbildung Erfahrung mit dem Thema Hygiene. Bei den Kfz-lern ist das anders.“ Und dennoch: „Man findet keine Leute. Und von denen, die kommen, muss man sich vom größten Teil während der Probezeit wieder trennen, weil es fachlich nicht klappt. Oder die Motivation fehlt, an fünf Tagen in der Woche zu arbeiten.“ Das Anspruchsdenken sei gerade in der Produktion massiv gestiegen. Und wenn angesichts dieser Engpässe Projekte die Produktionslinien blockieren, die sich nicht rechnen, ist das für Unternehmens wie MKS doppelt ärgerlich.

Nervige Nachlässe

„Es gibt auch schlechte Kunden“, sagt Guido Quelle in einem Tonfall, der keinen Zweifel zulässt, dass ihm dieses Thema sehr wichtig ist. Der Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Mandat ist einer der renommiertesten Experten für Wachstum in Deutschland. „Und wenn Kunden schon nicht profitabel sind, dann sollten sie zumindest Multiplikatorwirkung haben.“ Damit ist gemeint, dass der Kunde sich exzellent in der eigenen Referenzliste macht, neue Kunden anzieht oder sogar die Firma weiterempfiehlt, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.
Aber es gibt bei all den „guten Kunden“ eben doch die vermeintlichen Partner, mit denen man unterm Strich kaum Gewinn macht, weil sie permanent Nachlässe fordern oder durch Reklamationen den Apparat stören. „Wenn man nur auf den Deckungsbeitrag schaut, macht das vieles kaputt“, sagt Quelle. „Das ist nicht der Gewinn unterm Strich und gibt auch nicht wieder, ob es sich um einen idealen Kunden handelt.“ Solche Kunden binden im Unternehmen gute Leute, was in Zeiten des Fachkräftemangels und der Arbeiterlosigkeit besonders schmerzt.

Wegen der engen Beziehung tun sich viele Mittelständler schwer mit dem Abschied vom Kunden. Zum einen spielt Gewohnheit und eine gewisse Treue eine große Rolle. Gerade wenn man viel Energie investieren müsste, fällt es nicht leicht, gewissermaßen „aufzugeben“ und das Risiko einzugehen, den Kunden durch entsprechende Entweder-oder-Forderungen zu verlieren. Aber der Berater sagt: „Wachstum besteht auch darin, Dinge wegzulassen. Und damit auch, Kunden loszuwerden.“ Gesundes Wachstum kommt Quelle zufolge nicht aus dem Drehen an der Kostenschraube, wenn die Margen gen null schrumpfen. „Man kann sich Wachstum nicht ersparen. Gesunder Umsatz orientiert sich immer an Kundenbedürfnissen.“ Kennzahlen wie Umsatzwachstum oder Mitarbeiterwachstum seien nicht immer zielführend, weil sie nur Menge wiedergeben, nicht Qualität.

Wachstum kommt nicht nur aus dem Vertrieb. Gesundes, intelligentes Wachstum beginne an drei Stellen, sagt Quelle: „Im Kopf, ganz oben in der Unternehmensführung und ganz oben in der GuV.“ Es gehe darum, interne Bremsen zu lösen, also vor allem um das Zusammenspiel der Abteilungen. In den Schnittstellen liegen die Millionen. Sich hier aufzureiben, führt oft dazu, dem Kunden nur das Zweitbeste zu bieten. „Wenn man sich mal anschaut, wie viele Produkte und Leistungen am Kunden vorbeigehen und wie vergleichsweise wenig Innovationen es gibt, die wirklich erfolgreich sind – dann kann man sich schon die Frage stellen, ob das Kundenbedürfnis immer im Vordergrund steht“, sagt der Berater.
Ein weiteres Problem: Gesellschafter reagieren äußerst empfindlich auf Umsatzrückgänge. Immerhin damit hat MKS-Chef Robben nicht zu tun: Er muss sich als Alleineigentümer nicht groß rechtfertigen, wenn er mal einen Kunden ablehnt und auf Umsatz verzichtet. Manchmal diskutiert er mit seinem Vater, aber vor allem die Mitarbeiter sind froh, wenn der Chef in einigen Fällen klar entscheidet, statt jeden Euro Umsatz unbedingt mitnehmen zu wollen.

Ein gerütteltes Maß an Empathie brauche es aber vor allem im Gespräch mit dem Vertrieb, sagt Robben. „Die Kolleginnen und Kollegen haben in einen Kunden oft viel Arbeit investiert, da fällt es nicht leicht zu entscheiden, dass man ein Projekt besser nicht weiterverfolgt.“ Aber am Ende gebe es immer Verständnis. Auf die Frage, was er bei Kunden am meisten schätzt, nennt Robben kein finanzielles Motiv: „Das ist vor allem ein Thema der gleichen Augenhöhe. Es läuft am besten, wenn jeder akzeptiert, was der andere am besten kann.“

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