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Einkauf, Marketing und Marken > Kampf gegen Replikate

Was Hersteller gegen dreiste Kopien tun können

In Onlineshops locken Billigkopien deutscher Qualitätsprodukte. Die Fälscher ­kommen oft aus China. Sie machen auch vor sicherheitsrelevanten Teilen nicht halt.

Gefahr bei der Arbeit: Unter dem Namen Sthil verkaufte eine chinesische Firma die Billigkopie einer Motorsäge des deutschen Herstellers Stihl. Qualität und Sicherheit der Fälschung ließen zu wünschen übrig. Bildquelle: Aktion Plagiarius

„Was haben Sie uns denn da für einen Schrott geliefert?“ Solch erboste Nachfragen von Kunden sind nicht selten der erste Hinweis, dass wieder Ware im Umlauf ist, die nie die eigene Fertigung verlassen hat. Weltweit nutzen Produktpiraten den guten Markennamen und das Design von Herstellern, um sich mit billigen Kopien zu bereichern. Allein in der EU wurden 2022 mehr als 86 Millionen Waren im geschätzten Wert von zwei Milliarden Euro vom Markt genommen. Der deutsche Zoll nannte zuletzt einen Warenwert von 450 Millionen Euro. Nach Schätzungen der OECD waren 2,5 Prozent des Welthandels Raubkopien.

Betroffen sind vor allem Konsumgüter und die Produkte von bekannten Marken. Für das breite Publikum werden die Fälschungen durch die jährliche Vergabe des „Plagiarius“ bekannt. Der Schmähpreis wird im Umfeld der Messe „Ambiente“ in Frankfurt vergeben. Hier werden Hersteller und Zoll regelmäßig unter den Ausstellern fündig, die dreist Kopien von Designerware billig feilbieten. „Es wird alles gefälscht, was sich zu Geld machen lässt“, sagt Tanja Ackermann, Sprecherin des Hauptzollamts Darmstadt. Im vergangenen Januar wurden allein auf der „Ambiente“ 1134 Fälschungen beschlagnahmt und 27 Strafverfahren eingeleitet. Der Zoll beklagt, dass Influencer vor allem junge Kunde animieren, Fälschungen zu kaufen. In schrillen Videoclips werde gezeigt, was es so alles an teuren Marken für kleines Geld zu kaufen gibt. In einem Clip heißt es beispielsweise: „Nike-Socken für 85 Cent, das ist mein Favorit, da kann man nichts falsch machen.“

Gefälscht werden allerdings nicht nur Konsumartikel. Auch Autohersteller und ihre Zulieferer leiden. So hat Mercedes nach eigenen Angaben binnen eines Jahres 155.000 Onlineangebote löschen lassen, ein Viertel mehr als noch 2022. Bei 620 Razzien wurden zudem 1,6 Millionen Fälschungen beschlagnahmt. Dabei geht es oft um sicherheitsrelevante Teile. Zu den am häufigsten gefälschten Produkten zählen laut Mercedes Bremsscheiben, Räder sowie Karosserie- und Lenkungsteile. Volkswagen beziffert den Wert der 2023 gefundenen Fälschungen auf 5,7 Millionen Euro. „Qualitativ schlechte Ersatzteile können zu Ausfällen, Schäden am Fahrzeug sowie potenziellen Verletzungen der Insassen und folglich einem Imageschaden für Volkwagen führen“, heißt es in Wolfsburg. Gefährlich sind auch gefälschte Medikamente, die vor allem über das Netz angeboten werden. Aktuell sind Kopien von Ozempic, der Abnehmspritze des dänischen Herstellers Novo Nordisk, im Umlauf, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mitteilt. Immer wieder gefälscht wird das Potenzmittel Viagra des US-Pharmakonzerns ­Pfizer.

Auch beim baden-württembergischen Ventilatorenhersteller EBM-Papst hat der Anruf eines Kunden eine ganze Maschinerie in Gang gesetzt. Er habe da 40 Geräte, die anders aussehen als sonst, sagte er. Für die hauseigenen Ermittler beginnt nach so einem Hinweis die Suche entlang der Lieferketten und der Händler. In diesem Fall fanden sie heraus, dass eine Firma im chinesischen Shenzhen die auffälligen Produkte über einen Onlineshop vertrieb. Zusammen mit der Markenrechtsschutzorganisation STU China wurde im vergangenen Sommer ein Hersteller in Foshan in der Provinz Guangdong ermittelt, der für die gefälschten Produkte verantwortlich war. Der Betrieb hatte alte Ventilatoren gekauft, aufbereitet und, mit gefälschten Etiketten und EBM-Papst-Logo versehen, als hochwertige neue Produkte verkauft. Die Regierungsbehörden beschlagnahmten vor Ort 149 Ventilatoren und 260 gefälschte Etiketten. Alle gefälschten Produkte und Einkünfte aus dem Verkauf wurden eingezogen und eine Strafe von rund 2500 Euro gegen die Fälscher verhängt.

Ruf untergraben

„Gefälschte Produkte stellen sowohl für unser Unternehmen als auch für unsere Kunden eine erhebliche Gefahr dar“, sagt Ralf Dudeck, bei EBM-Papst für Patent- und Markenrecht verantwortlich. „Sie untergraben den Ruf unserer Marke und können das Vertrauen, das unsere Kunden in uns setzen, gefährden. Gleichzeitig können ihre minderwertige Qualität und Leistung dem Ruf unserer Kunden und der Sicherheit der Geräte unermesslichen Schaden zufügen.“

In China wurde auch der Kettensägenhersteller Stihl aus Waiblingen bei Stuttgart fündig. Die Fälscher von Hangzhou Guley Garden Machinery hatten unter dem Namen „Sthil“ eine täuschend ähnliche Säge auf den Markt gebracht. „In vielen Fällen sind diese Kopien schon nach ­kurzer Zeit nicht mehr einsatzfähig oder es fehlen sicherheitsrelevante Features am Produkt“, heißt es bei Stihl. Auch dieser Mittelständler kommt nicht umhin, eine eigene Abteilung zu beschäftigen, die Fälschungen aufspürt und mit Anwälten, Zoll und Polizei vom Markt nimmt. Der Aufwand ist beachtlich. Stihl hat bereits mehrere Gerichtsverfahren gegen Guley gewonnen und auch tausende Geräte des Nachahmers vernichten lassen. Das zeigt, dass sich solche Unternehmen auch von hohen ­Schadensersatzforderungen nicht so leicht abschrecken lassen.

Selbst bei Komponenten für den Maschinen- und Anlagenbau müssen Mittelständler erheblichen Aufwand betreiben. „Wir arbeiten dazu mit der Agentur Corsearch zusammen. Deren Software, die auch künstliche Intelligenz einsetzt, durchforstet das Internet nach Angeboten von EBM-Papst-Produkten“, sagt Markenrechts­spezialist Dudeck. „Die lernfähige Software erkennt dabei Fälschungen, die dann auf einer Liste landen. Wir schauen uns diese Liste an und entscheiden, welche Anzeigen gelöscht werden müssen.“ Die Jahresausbeute dieser Rasterfahndung, die durch KI unterstützt wird, ist gewaltig. Von 70.000 Anzeigen zu EBM-Produkten identifizierte Corsearch 60.000 als potenzielle Fälschung. Am Ende wurden mehr als 42.000 entfernt. Mit diesem Druck versucht der Hersteller, die Fälscher abzuschrecken.

Pauschal lässt sich nach Ansicht von Kira Uebachs-Lohn, Partnerin der Beratungsgesellschaft EY, nicht schätzen, welchen Aufwand mittelständische Firmen betreiben müssen, um sich vor Produktpiraten zu schützen. „Wichtig ist, dass das Thema überhaupt im Risikomanagement des Unternehmens verankert ist.“ Intern sollte klar sein, wer für das Thema verantwortlich ist und sich aktiv kümmert. Die Juristin rät Mittelständlern, systematisch und regelmäßig zu analysieren, ob und in welcher Größenordnung sie von Produktfälschungen betroffen sein können. Daraus ergebe sich schon ein erster Hinweis, in welchem Umfang das Unternehmen proaktiv tätig sein sollte und ob erfahrene Dienstleister benötigt würden.

Auch Geschäftspartner solle man genauer im Blick behalten, rät die EY-Expertin. Eine wichtige Frage: „Kommt der Partner an interne Informationen oder Bauteile, mit denen er Produkte kopieren und auf eigene Rechnung weiterverkaufen kann?“ Die seit vergangenem Juli ohnehin vorgeschriebenen Hinweisgebersysteme sollte man für solche Fälle aktiv nutzen, sagt Uebachs-Lohn. „Es braucht eine klare Anlaufstation, damit eingehende Hinweise kompetent und schnell verarbeitet werden können. Informanten können Käufer, Händler, interne Mitwisser oder Mitarbeiter des Fälscherbetriebs sein.“

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