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Zukunftsmärkte > Grünheide

Was Tesla in der geplanten deutschen Autofabrik zahlt

Elon Musk sucht in Deutschland nach mehreren tausend Mitarbeitern für die Gigafabrik in Grünheide bei Berlin. Wie lukrativ ist es, für Tesla zu arbeiten?

Die Gigafabrik ist europaweit ein Sonderfall. Sie ist die größte Industrieansiedlung der vergangenen Jahre, wird in Grünheide südöstlich von Berlin neu gebaut. Im Februar 2020 standen auf dem Gelände noch Kiefern, im Juli 2021 sollen erste Autos für den europäischen Markt vom Band rollen. Zum Start sind 7000 Mitarbeiter vorgesehen, im Frühjahr 2022 sollen dann 12.000 Beschäftigte bis zu 500.000 Exemplare des Typ Y bauen, eines Mittelklasse-Elektro-Geländewagens. In weiteren Ausbaustufen sind bis zu 40.000 Mitarbeiter vorgesehen.

Gesucht wird derzeit fast alles: Vom Manager Supply Chain über den Prozessingenieur Batteriezellenfertigung bis zum Kfz-Mechatroniker, vom Software-Entwickler Cell Controls Engineering über Gießereimechaniker bis zum Kraftfahrer. Allein beim Karrierenetzwerk Linkedin sind mehr als 300 Stellen ausgeschrieben (Stichwort gigafactory), auf der eigens für die Fabrik eingerichteten Tesla-Seite sind es auch mehrere hundert.

Nach Angaben der zuständigen Agentur für Arbeit Frankfurt (Oder) zahlt Tesla in der niedrigsten Entgeltstufe 2700 brutto im Monat. "Hier ist Schichtbereitschaft Voraussetzung, genauso wie Deutsch als Arbeitssprache. Führungskräfte und Spezialisten müssen fließend englisch können. Wichtig sind Belastbarkeit und Flexibilität", sagt ein Sprecher der Agentur für Arbeit Frankfurt (Oder).

Das Unternehmen selbst äußert sich, wie bei allem rund um die Fabrik, nicht offiziell – weder zu Gehältern noch zum Einstellungsverfahren. Bekannt ist: Führungskräfte und Ingenieure sollten Englisch und Deutsch sprechen. Und natürlich sollte sich jeder mit den Werten des Unternehmens identifizieren, wie in den Ausschreibungen steht: "Von jedem Teammitglied wird nicht nur erwartet, sich Herausforderungen zu stellen, sondern auch selbst herauszufordern, um Neues zu schaffen."

Den Ausschreibungen zufolge bietet Tesla, zumindest für höher Qualifizierte neben dem Gehalt auch Pakete mit Tesla-Aktien oder Boni, 30 Tage Urlaub und Zuschüsse zu Altersvorsorge und zu Tickets für den öffentlichen Nahverkehr.

Bei Bewertungsportalen wie Kununu lässt sich ein Überblick über die durchschnittlichen jährlichen Brutto-Gehälter für bestimmte Jobs gewinnen. So erhalten etwa:

  • Manager 102.700 Euro
  • Entwicklungsingenieure 76.600 Euro
  • Wirtschaftsingenieur 73.700 Euro
  • Elektroingenieure 65.400 Euro
  • SPS Software-Ingenieure 65.100 Euro
  • Projektmanager 64.700 Euro
  • Software-Entwickler 60.500 Euro
  • Teamleiter 59.000 Euro
  • Einkäufer 55.600 Euro
  • Qualitätsmanager 55.000 Euro
  • Konstrukteure 54.200 Euro
  • Personalrekrutierer 53.700 Euro
  • Industriemechaniker 47.500 Euro
  • Dreher 45.800 Euro
  • Messtechniker 43.200 Euro

Der durchschnittliche Bruttolohn für eine Vollzeitstelle betrug in Deutschland 2020 rund 37.104 Euro (3092 Euro monatlich). Nach Angaben beim Bewertungsportal Kununu liegt Tesla mit seinen Gehältern im Mittelfeld der jeweiligen Branchen mit leicht überdurchschnittlicher Tendenz.

Zudem sind Spezialisten etwa für die Batteriezellenfertigung oder die Gießerei rar. Bei Linkedin etwa haben sich auf den Posten des Director Logistics EMEA (Europa, Mittlerer Osten, Afrika) in kurzer Zeit mehr als 170 Personen beworben, auf einen Personaler-Posten mit Jahresvertrag mehr als 180. Für den Gießereimechaniker war die Zahl der Bewerber im gleichen Zeitraum einstellig.

Obwohl das Unternehmen europaweit sucht und einige Firmen in der Autobranche Stellen streichen, "hat Tesla Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden", sagt ein Insider. Das könne darauf hindeuten, dass das, was Tesla bietet, für viele nicht ausreiche, um den Job zu wechseln. Daraus folgt: Interessenten könnten deshalb eine gute Verhandlungsposition haben. Möglicherweise stockt das Unternehmen seine Angebote tendenziell auf, um rechtzeitig zum Produktionsstart genug Personal zu haben.

Und der Wettbewerb um Personal wird größer, denn die Fabrik auch Zulieferer an, die wiederum Mitarbeiter benötigen. Bei der Arbeitsagentur in Frankfurt (Oder) haben sich "bereits zwei Firmen aus Süddeutschland und aus Asien, die sich als Zulieferer der GigaFactory Grünheide ansiedeln wollen".

Die Agentur für Arbeit Frankfurt (Oder) hat bisher (Mitte April 2021) nach eigenen Angaben rund 3500 Beschäftigte an das Recruiting Team von Tesla vermittelt, für mehr als 2000 laufen demnach gerade noch Auswahlgespräche. Das Team Automotive der Agentur konzentriert sich derzeit besonders auf die Stellen im Produktionsbereich, der Lagerhaltung und der Logistik. "Aktuell im Fokus sind Mechatroniker, Werkzeugmechaniker und Anlagenfahrer", sagt ein Sprecher. "Weibliche Interessenten sind ausdrücklich erwünscht. Es werden vor allem Fachkräfte gesucht, aber auch Quereinsteiger haben eine Chance."

Zum Job gehört nicht nur das Gehalt, sondern auch das Renommee des Arbeitgebers. Tesla-Chef Musk inszeniert sich und Tesla als Revolutionär, der aus dem Nichts startete und die Alteingebrachten vor sich hertreibt. Zudem pflegt das Unternehmen das Bild, lösungsorientiert zu denken und dafür auch andere Wege als üblich zu gehen, eher wie ein Start-up als ein Konzern.

Die Realität sieht, zumindest im Vertrieb der Fahrzeuge, offenbar etwas anders aus, zumindest nach den Bewertungen auf den einschlägigen Portalen. Da ist von unbezahlten Überstunden, niedrigen Provisionen und Gehältern sowie mangelnder Kommunikation und schlechter Mitarbeiterführung die Rede. Allerdings auch die Hoffnung, mit Tesla im Lebenslauf beim nächsten Arbeitgeber bessere Chancen auf eine Stelle und ein höheres Gehalt zu haben. Das Image des Unternehmens nach außen macht es offenbar möglich.

Die Bewertungen, die sich auf die Gigafabrik in Grünheide beziehen, sind allerdings geradezu überschwänglich. Die Teams werden gelobt, die Zusammenarbeit, die Kommunikation.

Wer sich bewirbt, sollte sich im Klaren sein: Tesla hält nicht viel von Gewerkschaften. Entsprechend gibt es in Deutschland keine Tarifbindung. Der Tarif regelt zum Beispiel flächendeckend für alle Betriebe Gehälter, Arbeitszeit, Urlaub und Ähnliches. Die IG Metall, von der Branche her zuständig für Tesla, hat dem Unternehmen Gespräche angeboten, bisher aber wenig gehört.

Aufgeben will die Gewerkschaft nicht: "Was nach dem Anlauf der Produktion passiert und wie die IG Metall bei Tesla aussieht, hängt von den Beschäftigten ab", sagt Birgit Dietze, IG Metall Bezirksleiterin Berlin-Brandenburg-Sachsen. "Wenn sie sich für gute Arbeitsbedingungen organisieren wollen, unterstützen wir sie dabei. Dafür sind Gewerkschaften gegründet worden."

Auch wichtig: Bisher besitzt das Unternehmen keine endgültige Baugenehmigung. Tesla-typisch wird auf eigene Kosten mit vorläufigen Genehmigungen gebaut, um zügig fertig zu werden. Sie werden zwar nur erteilt, wenn die Aussicht auf einen positiven endgültigen Baubescheid besteht, sollte die zuständige Behörde Brandenburgs dem Bau aber abschließend nicht zustimmen, müsste Tesla alles wieder abreißen. Das ist zwar recht unwahrscheinlich, aber dennoch möglich. Die Jobs entfielen dann natürlich.

Die IG Metall Ostbrandenburg hat ein umfangreiches Informationspaket zur Bewerbung bei Tesla zusammengestellt.

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