Was Unternehmer bei der Entsendung in der EU beachten müssen
Bei Kunden im Ausland eingesetzte Mitarbeiter müssen Unternehmen an die Behörden vor Ort melden. Welche Prozedur sie durchlaufen müssen, erklärt Visumsexperte Alexander Langhans. Und gibt Tipps, wie Mittelständler die hohen Bußgelder umgehen können.

Eines der höchsten Güter der EU ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Jeder soll in demjenigen Mitgliedsland arbeiten können, in dem er möchte, beschlossen einst die Gründerväter und -mütter der Europäischen Union. Mittlerweile ist das gelebte Praxis: Zum einen rekrutieren Unternehmen Mitarbeiter europaweit. Damit begegnen sie nicht nur dem zunehmenden Fachkräftemangel, sondern holen sich auch grenzübergreifendes Know-how ins Haus, das Produktivität und Umsatz erhöht. Zum anderen entsenden Unternehmen ihre Mitarbeiter zu Installations- und Wartungsaufträgen regelmäßig ins EU-Ausland. Die meisten Exportgüter deutscher Mittelständler gehen an Kunden innerhalb der Europäischen Union.
Zur Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU gehört aber auch ein gerütteltes Maß an Bürokratie: Denn um einen Mitarbeiter zu einem Arbeitseinsatz in ein EU-Nachbarland zu schicken, muss ein Unternehmen ihn bei den Arbeitsinspektionsbehörden vor Ort anmelden und dabei Nachweise zu Gehalt und Anstellungsbedingungen erbringen. Welche Prozedur Mittelständler im Einzelnen durchlaufen müssen, erklärt Alexander Langhans von Visumpoint. Das Beratungsunternehmen unterstützt deutsche Unternehmen unter anderem bei der Arbeitnehmermeldung im EU-Ausland.

Welche Entsendungen innerhalb der EU sind meldepflichtig?
Leider kann man das nicht grundsätzlich beantworten. Denn in der EU-Entsenderichtlinie steht sehr schwammig, dass die „entgeltliche Dienstleistungserbringung“ meldepflichtig ist. Was genau darunter fällt, wird aber nicht präzisiert. Folglich haben die Mitgliedsstaaten die Vorschrift sehr unterschiedlich in Landesrecht übersetzt: Bei 28 EU-Ländern und vier Staaten im Verbund der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) ergibt das 32 unterschiedliche Regeln, wann Arbeitnehmer für berufliche Einsätze gemeldet werden müssen.
Gibt es eine Art Faustregel?
Zumindest immer wenn vor Ort eine technische Tätigkeit ausgeführt wird, muss ein Unternehmer den jeweiligen Mitarbeiter anmelden – so könnte man es zusammenfassen. Bei Messeteilnahmen sollte das entsendende Unternehmen prüfen, ob eine Meldung erfolgen muss. Meetings, Konferenzteilnahmen und Ähnliches sind meist nicht meldepflichtig. Ausnahme ist Frankreich: Hier muss auch die Teilnahme an einem Geschäftstreffen angemeldet werden. Im Bau- und Baunebengewerbe sind alle Einsätze von der ersten Stunde an in jedem EU-Staat meldepflichtig.
Was passiert, wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter nicht oder falsch meldet?
Das kann teuer werden. In der Richtlinie hat die EU ihre Mitgliedsstaaten angewiesen, „wirksame und abschreckende Sanktionen“ für Verstöße einzuführen. Das heißt in den meisten Fällen: hohe Geldstrafen. Unternehmen, die regelmäßig Kunden in mehreren EU-Staaten bedienen, aber der Meldepflicht nicht nachkommen, laufen Gefahr, jährlich Bußgelder im sechsstelligen Bereich zahlen zu müssen oder im äußersten Fall für den Wirtschaftsmarkt eines Landes komplett gesperrt zu werden.
Können Mitarbeiter dauerhaft und summarisch für einen Einsatz im EU-Ausland angemeldet werden?
Nein, das ist nicht zulässig. Jeder einzelne Einsatz ist einzeln meldepflichtig.
Was ist der Unterschied zwischen der EU-Meldung und der A1-Bescheinigung, die ja auch jeder Unternehmer für seine im Ausland eingesetzten Mitarbeiter beantragen muss?
Mit der A1-Bescheinigung bestätigt der Sozialversicherungsträger, dass ein Arbeiter im eigenen Land alle verpflichtenden Abgaben zahlt. Dieser Nachweis ist immer nötig, auch bei geschäftlichen Besprechungen. Unternehmen müssen ihn also zusätzlich zur EU-Meldung erbringen.
Welche Unterlagen brauche ich für die EU-Meldung?
Erst einmal müssen Unternehmen in der EU-Meldung nur Daten bereitstellen: Wohin wird der Mitarbeiter wann und wie lange entsandt, welches Gehalt bezieht er während dieser Zeit, wer ist im Unternehmen Ansprechpartner für eventuelle Fragen? Wenn vor Ort eine Kontrolle stattfindet, können auch Arbeitsverträge sowie Lohn- und Zeitnachweise verlangt werden. Einige Länder verlangen die Vorlage in der jeweiligen Landessprache, die Übersetzung ist ein erheblicher Kostenfaktor für das entsendende Unternehmen. Manche verstoßen daher bewusst gegen die Meldepflicht und reichen die Unterlagen nur nach, wenn es eine Kontrolle gibt. Denn das Bußgeld ist möglicherweise günstiger als eine Übersetzung. Damit kann man eine Weile durchkommen, da die Kontrollen nicht sehr engmaschig sind.
Wie wird die Einhaltung der EU-Meldepflicht denn kontrolliert?
Derzeit noch sporadisch. Baustellen, der öffentliche Sektor und Messen werden häufig kontrolliert, Büros nahezu nie. In Frankreich gibt es bereits eine Art „Entsendepolizei“, die Personen mit ausländischen Kfz-Kennzeichen auf Raststätten abfängt und fragt, ob sie beruflich unterwegs sind. Wenn ja, müssen sie die Meldebescheinigung vorzeigen. Auch andere Länder verstärken die Kontrollen. Daher sollten ins Ausland entsandte Mitarbeiter immer ihre Meldebescheinigung ausgedruckt dabei haben. Auch weil manche Kunden ihre ausländischen Zulieferer und Dienstleister nur mit diesem Nachweis aufs Werksgelände lassen.
Warum macht die EU es Unternehmen so schwer?
Die EU will mit der Meldepflicht das noch immer grassierende Lohn- und Sozialdumping begrenzen. Es soll nicht möglich sein, Arbeitskräfte aus einem anderen EU-Land für Projekte einzubinden und ihnen einen geringeren Lohn zu zahlen als lokalen Arbeitnehmern. Auch vor Ort zulässige Arbeitszeiten und Ruhetage müssen eingehalten werden – daher verlangt die Europäische Union in der Meldung so viele Angaben. Kritiker sehen in der Meldepflicht aber auch eine Art Protektionismus. Denn ein polnischer Arbeiter, der in Frankreich eine Maschine in Betrieb nimmt – und auf Unternehmenskosten untergebracht ist –, hat in seinem Heimatland nicht dieselben Kosten wie der französische Kollege, der dauerhaft dort wohnt und eine Wohnung in Paris bezahlt. Also begnügt er sich in Frankreich auch mit weniger Lohn. Wettbewerbsgleichheit auf dem Arbeitsmarkt schafft man über die Meldepflicht daher nicht.

Der Artikel gehört zu einem Thema aus der „Markt und Mittelstand“-Ausgabe September 2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.