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Zukunftsmärkte > Weltwirtschaftsforum in Davos

Welche Verschwörungstheorien einen wahren Kern haben

Das Treffen der Mächtigsten der Welt in Davos ist inzwischen auch ein Hort der Verschwörungstheorien. Teilweise abstrus, aber die intensive Aufarbeitung zeigt: Hinter einem Teil der Kritik stecken ein paar Wahrheiten. Welche „Davos Man“ besonders in der Kritik stehen.

Rund um das Treffen in Davos gibt es immer wieder kritische Stimmen.

Wer sich abschottet, hat etwas zu verbergen. Das ist eher ein Klischee als gültige Wahrheit, aber für viele ist das Setting von Davos nicht gerade vertrauenserweckend: Ein kleiner Ort in den Bergen, der abgeriegelt wird für eine Veranstaltung, bei der nur ausgewählte Leute dabei sein dürfen. In dieser Woche treffen sich dort wieder die Mächtigen, um über die großen Probleme der Welt zu beratschlagen.

 

Das Weltwirtschaftsforum gibt es seit 1971 und es hat immer viele Nachrichten produziert. Neu ist, dass es inzwischen drei Sorten von Meldungen gibt, die auf all die Menschen einprasseln, die nicht gerade dort oben auf dem Berg sind: Die Nachrichten von unabhängigen Journalisten, die zuhauf mit dabei und eng dran sind an dem, was dort besprochen wird. Zweitens gibt es die Äußerungen von Kritikern, die durchaus nicht gelogen sind, aber interessensgetrieben und damit nicht objektiv-unabhängig. Und es gibt drittens die Verschwörungstheorien, die gerade in den vergangenen Jahren eine enorme Zahl und Wucht entwickelt haben.

 

Verschwörungstheorien bewegen viele Menschen

Für viele Menschen ist Davos das Zentrum des Bösen, eine Projektionsfläche für allerlei Phantasien, die Millionen in Wallung bringen. Einige Beispiele: Wenn in Davos die Aussage fällt, dass in Zukunft Autos häufiger geteilt werden im Sinne der sogenannten Sharing Economy, dann entsteht daraus, dass das Weltwirtschaftsforum Privatautos verbieten möchte. Da wird der Vater von Davos-Gründer Klaus Schwab zum vertrauten Adolf Hitlers, wofür es keinerlei Belege gibt. Und wenn die Polizisten vor Ort einen Aufnäher auf der Jacke haben, entsteht die Legende, dass das Weltwirtschaftsforum seine eigene Polizei besitzt, quasi ein Staat im Staat. Richtig los ging es mit Erzählungen in der heißen Corona-Phase inklusive der Behauptung, dass in Davos geplant werde, nur noch Geimpften Lebensmittel zukommen zu lassen.

 

Das ist natürlich starker Tobak. Und man muss dies trennen von der berechtigten Kritik am Forum und dem Verhalten regelmäßiger Teilnehmer. Jemand, der das wie kein anderer aufgearbeitet hat, ist der renommierte Journalist Peter S. Goodman. Sein Buch „Davos Man“, deutscher Titel „Die Männer von Davos – wie eine kleine Gruppe Milliardäre die Welt beherrscht“, hat weltweit für Furore gesorgt. Goodman arbeitet für die New York Times und hat diverse Preise gewonnen. Sein 500-Seiten-Wälzer ist eine einzige Anklageschrift an Unternehmer, die in Davos ein- und ausgehen.

Die „bösen“ Milliardäre

Der Begriff „Davos Man“ kommt allerdings gar nicht von ihm. Der Politikwissenschaftler Samuel Huntington hat ihn 2004 populär gemacht. Er beschrieb damit Menschen, die durch die Globalisierung so reich wurden und sich so sehr an die Spielregeln der globalisierten Welt angepasst haben, dass sie im Grunde in keinem Land mehr verwurzelt waren. Aber sie trafen sich im in Davos.

 

Goodman hat einige dieser Menschen genau unter die Lupe genommen. Jeff Bezos zum Beispiel, der mit seinem Unternehmen Amazon Konkurrenten böse mitspielt und seinen Mitarbeitern niedrige Löhne sowie harte Arbeitsbedingungen aufzwingt. Ein Mann, der Nachhaltigkeit predigt und zum Spaß den Weltraum bereist.

 

Schöne Worte, Schein und Sein gehen bei diesen Milliardären eben weit auseinander. Das gilt auch für Larry Fink. Der Chef von Blackrock spricht anderen Unternehmen und ihren Chefs gern Verantwortungsbewusstsein ab, erlässt Pleite-Ländern aber keinen Cent Schuldabschreibungen. Ob seine Fonds tatsächlich so umweltfreundlich sind, wie Blackrock tut, darf man nach der Lektüre des Buches auch bezweifeln.

 

Auch Blackstone bekommt von Goodman was zu hören – namentlich dessen Chef Stephen Schwarzman. Die Private-Equity-Gruppe verbuche steigende Gewinne aus Wohnsiedlungen, während Millionen Schwierigkeiten haben, die Mieten zu zahlen. Auch die Gesundheitsdienstleister würden moralisch äußerst fragwürdig agieren. Dann ist da noch Marc Benioff, CEO von Salesforce. Ein Typ, der sich montags lauthals für soziale Gerechtigkeit und Stakeholder-Kapitalismus einsetzt und dienstags seine Körperschaftsteuerrechnung gegen Null trickst. Oder Jamie Dimon, Chef der Bank JPMorgan Chase, der sich 2018 für Steuersenkungen einsetzte, während er Gehälter in Höhe von 31 Millionen Dollar bezog.  

 

 

Worin der Trick der Davos Man besteht

Goodman schreibt: „Die Davos Man profitieren von der Not der anderen, kaufen zum Schnäppchenpreis, Immobilien, Aktien und Unternehmensanteile auf und setzten geschickt ihre Lobby und Macht ein, um gewaltige, steuerfinanzierte Rettungspakete auf ihre Konten umzuleiten.“ Diese „Milliardär-Klasse“ sei inzwischen „abgehoben vom Rest der Menschheit“. Der Autor mag das Verhalten der Unternehmen der Davos Man mit all der Preistreiberei, wettbewerbsfeindlichem Verhalten und Lobbyarbeit sehr spitz formuliert haben – falsch ist es nicht.

 

Goodman wettert gegen die Ungerechtigkeit der Vermögenskonzentration unter Milliardären auf Kosten der großen Mehrheit der Weltbevölkerung. Und ihn regt auf, dass sie den gemeinnützigen Philanthropen geben, anstatt in angemessener Höhe Steuern zu zahlen – idealerweise in demokratischen Ländern. Die Milliardäre seien keine Marionettenspieler in einer groß angelegten Verschwörung. Sie nutzen nun mal die Lücken aus, die die Politik ihnen lässt: „Der Davos Man nutzt lediglich aus, dass unser Regierungssystem unter Zwietracht und Dysfunktion leidet – und die Gebote staatliche Gewalt Einteilung nicht mehr funktioniert.“
Der Trick der Davos Man bestehe darin, so zu tun, als gäbe es nur die Alternative, entweder die Globalisierung so zu akzeptieren, wie wir sie seit Jahrzehnten erleben, „oder maschinenstürmerisch, alles kurz und klein zu schlagen“. Diese Darstellung sei aber nicht nur falsch, sondern gefährlich: „Die Alternativen lauten ja nicht, dass entweder Steve Schwartzman, das amerikanische Gesundheitssystem ausnutzen darf oder wir ganz auf ein Gesundheitssystem verzichten müssen. Wir dürfen weiter bei Amazon einkaufen und gleichzeitig fordern, dass die Belegschaft im Krankheitsfall weiter bezahlt wird“, schreibt Goodman.

 

Wäre die Welt ohne Davos eine bessere?

Goodman nagelt diese Milliardäre an die Wand und macht sie verantwortlich für die allermeisten Schwachpunkte des Kapitalismus. Hier liegt der Hase im Pfeffer: Es ist nicht das System an sich, das für Ungerechtigkeit sorgt, für die wachsende Schere zwischen Arm und Reich. Es ist das Verhalten einiger weniger und dass sie sich an Orten wie Davos absprechen können. Da stellt sich die Frage: Wenn es Davos nicht gäbe – würden diese Milliardäre ihre Macht woanders ausspielen? Vermutlich schon. Wenn solche Leute Netzwerke knüpfen wollen, werden sie es auch schaffen. Und zur Wahrheit gehört auch, dass es solcherlei Praktiken auch schon vor der Gründung des Weltwirtschaftsforums für gut 50 Jahren gab.

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