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Studien & Forschung > Weinabsatz im Fachhandel

Weinmarkt im Wandel: Fachhandel zwischen Literflasche und Luxussegment

Erste umfassende Studie offenbart überraschende Trends im deutschen Weinhandel - Regionale Unterschiede prägen das Geschäft

Fast jede vierte verkaufte Flasche (23 %) im Weinhandel ist eine Literflasche. (Foto: Ki-generiert)

In der Welt des Weins, wo Tradition oft die Oberhand behält, sorgt eine bahnbrechende Studie für Aufsehen: Jede vierte Flasche, die deutsche Weingüter an den Fachhandel verkaufen, ist eine Literflasche. Diese überraschende Erkenntnis ist nur eine von vielen, die die erste umfassende Untersuchung zum Weinabsatz im Fachhandel zutage fördert.

Fachhandel als Schlüsselkanal für deutsche Weingüter

Der Fachhandel erweist sich als unverzichtbarer Vertriebskanal für deutsche Winzer. Im Jahr 2023 flossen beeindruckende 25,3% der Absatzmenge und 21,6% des Umsatzes deutscher Weingüter durch diesen Kanal. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Von einem Gesamtabsatz von 184 Millionen Litern im Wert von 1,28 Milliarden Euro entfielen 45,9 Millionen Liter im Wert von 278 Millionen Euro auf den Fachhandel. Diese Zahlen unterstreichen die Bedeutung des Fachhandels als Bindeglied zwischen Produzenten und anspruchsvollen Konsumenten.

Doch wie so oft im Weingeschäft zeigt sich auch hier ein facettenreiches Bild. Die Bedeutung des Fachhandels variiert stark zwischen den Anbaugebieten. Während in der Pfalz (29,3%), Württemberg (24,3%) und Baden (22,9%) der Fachhandel einen überdurchschnittlichen Anteil am Umsatz hat, liegt er in anderen Regionen zwischen 21% und 13%. Diese Disparität spiegelt nicht nur regionale Vertriebsstrukturen wider, sondern auch unterschiedliche Marketingstrategien und Konsumgewohnheiten.

Regionale Disparitäten: Vom Rheingau bis zur Pfalz

Ein besonders faszinierender Aspekt der Studie sind die erheblichen Preisunterschiede zwischen den Anbaugebieten. Der durchschnittliche Erlös im Fachhandel beträgt 4,52 Euro je 0,75-Liter-Flasche netto, doch hinter diesem Durchschnittswert verbirgt sich eine bemerkenswerte Spannweite. An der Spitze stehen der Rheingau mit 6,37 Euro und die Mosel mit 6,31 Euro pro 0,75-Liter-Flasche. Am unteren Ende der Preisskala finden sich die Nahe (3,74 Euro), die Pfalz (4,03 Euro) und Rheinhessen (4,06 Euro).

Diese Preisunterschiede werfen Fragen auf: Spiegeln sie tatsächlich Qualitätsunterschiede wider oder sind sie das Ergebnis geschickter Markenbildung und historisch gewachsener Reputation? Für Winzer und Händler gleichermaßen stellt sich die Herausforderung, in diesem komplexen Preisgefüge die richtige Positionierung zu finden.

Pandemie-Effekte und aktuelle Herausforderungen

Die Corona-Pandemie hat auch den Weinmarkt nicht verschont, sondern vielmehr zu einer Achterbahnfahrt der Absatzzahlen geführt. Im zweiten Pandemiejahr 2021 und besonders 2022 erlebten die Weingüter im Fachhandel einen regelrechten Boom mit einem Umsatzplus von 19% und einem Absatzzuwachs von 5% gegenüber 2019. Doch die Euphorie war von kurzer Dauer: Bis Mitte 2024 sank der Absatz um 14% und liegt nun 9% unter dem Vorkrisenniveau.

Diese Entwicklung zeigt eindrucksvoll, wie sensibel der Weinmarkt auf externe Schocks und Veränderungen im Konsumverhalten reagiert. Die anfängliche Hamsterkaufmentalität und der verstärkte Weinkonsum zu Hause wichen einer zunehmenden Kaufzurückhaltung, bedingt durch wirtschaftliche Unsicherheiten und möglicherweise auch durch einen Wandel in den Trinkgewohnheiten. Siehe dazu auch unseren Artikel  "Vom Trauben-Tiefpunkt zum Trendwandel: Wenn Weinlese auf Millennials trifft".

Die Renaissance der Literflasche?

Ein faszinierendes Highlight der Studie ist die unerwartete Rolle der Literflasche im Fachhandel. Fast jede vierte Flasche, die über die Ladentheke geht (23 %), ist eine Literflasche. Dieses Format, das oft mit preisgünstigen Alltagsweinen in Verbindung gebracht wird, ist im Sortiment des Fachhandels nicht zu unterschätzen. Mit einem durchschnittlichen Preis von 3,40 Euro pro Liter liegt sie preislich deutlich unter der 0,75-Liter-Flasche, die sich mit 6,94 Euro pro Liter verkauft. Diese Preisdifferenz begrenzt zwar ihren Umsatzanteil auf 13,5 %, spiegelt jedoch auch eine attraktive Option für preisbewusste Kunden wider.

Spannend ist auch, wie unterschiedlich die Literflasche in den Weinanbaugebieten angenommen wird. In Regionen wie Franken und Baden führt sie die Verkaufsstatistiken an, während sie an der Mosel und im Rheingau eher im Schatten bleibt. Diese regionalen Unterschiede könnten auf verschiedene Weinbautraditionen, Konsumgewohnheiten oder clevere Marketingstrategien zurückzuführen sein.

Die Literflasche im Fachhandel: Ist sie ein nostalgisches Überbleibsel vergangener Tage, oder sehen wir hier eine clevere Antwort auf die Bedürfnisse preisbewusster Verbraucher? Winzer und Händler stehen vor der Herausforderung, dieses Format geschickt einzusetzen, damit es das Image ihrer Premiumweine nicht beeinträchtigt, sondern als eigenständige Kategorie glänzt.

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