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Wie ein Elektrotechnikhersteller seine Lieferanten bewertet

Wenn Lieferanten schlecht performen muss, das nicht immer an Qualitätsmängeln liegen. Manchmal ist ihnen einfach auch nicht klar, was die genauen Anforderungen sind. Abhilfe schafft eine Lieferantenbewertung. Sie ist auch Basis für eine Lieferantenentwicklung.

Der Lieferant war etwas verdutzt, als ihn Michael Frank auf seine Lieferperformance ansprach. Er liefere doch schon immer drei Wochen vor dem eigentlichen Liefertermin – genau das war das Problem. Michael Frank ist Einkaufsleiter beim Elektrotechnikhersteller ETA. Als er 2006 zu dem Unternehmen mit Sitz in Altdorf bei Nürnberg kam, machten die Zulieferer was sie wollten: Sie lieferten zu früh, zu spät, zu wenig oder im schlimmsten Fall gar nicht.

„Wir hatten oft Probleme, dass nicht immer alles zum richtigen Zeitpunkt verfügbar war“, erzählt Frank rückblickend. Um die Probleme in den Griff zu bekommen, führte er eine Lieferantenbewertung ein. „Es ging gar nicht so sehr um die Lieferperformance selbst. Als Erstes haben wir für unsere damals rund 150 Zulieferer die Anforderungen klar definiert“, sagt der Einkaufsleiter. So könne man im Vorfeld viele Probleme und Missverständnisse vermeiden.

In diesem Jahr bezog der mittelständische Hersteller von Geräteschutzschaltern und Sicherungsautomaten etwa 4.000 verschiedene Teile von rund 320 Zulieferern. Davon sind 120 A-Lieferanten beziehungsweise Serienlieferanten, die allein rund 80 Prozent des Volumens abdecken. Zulieferer, die ETA bisher noch nicht beliefert haben oder nur B-Lieferanten sind, wissen heute ziemlich genau, was sie bieten müssen. Eine kleine Broschüre mit dem etwas sperrigen Titel „Lieferantenbewertung für Produktionsmateriallieferanten“ führt genau auf, nach welchen Kriterien ETA seine Lieferanten dezidiert bewertet und wie es diese Einzelaspekte gewichtet.

 

Demnach liegt der Fokus im Einkauf auf den vier Hauptkriterien Qualität, Preise und Kosten, Logistik sowie Technologie. Diese Reihenfolge spiegelt sich auch in der Gewichtung der Kriterien für die Bewertung der Lieferanten wider: Die Qualität ist zu 35 Prozent ausschlaggeben, Preise und Kosten (Einkauf) zu 30 Prozent, die Logistik zu 25 Prozent und die Technologie zu 10 Prozent. Die jeweiligen drei bis sechs Unterkriterien werden ebenfalls gewichtet – zusammen ergeben die Einzelwerte 100 Prozent.

Das mittelständische Unternehmen wendet damit die sogenannte Nutzwertmethode an. „Für uns stand die Einfachheit im Vordergrund“, begründet Einkaufsleiter Michael Frank die Entscheidung. Jeder Zulieferer solle das Prinzip verstehen können, wie man zu seiner Note kommt. Die „Note“ ist in diesem Fall ein Punktewert als Resultat aus der Bewertung der insgesamt 20 Unterkriterien, wie Anlieferqualität, Preisentwicklung, Angebotsbearbeitung oder Termintreue. Die Formel nach der diese Note errechnet wird, ist ebenfalls in der Broschüre abgedruckt.

Bereitschaft zum Nachbessern muss vorhanden sein

Je nach Ergebnis werden die Lieferanten unterteilt: Bei einem Wert zwischen 85 und 100 Punkten gilt der Zulieferer als A-Lieferant, der alle Anforderungen mit Bravour erfüllt. Ein solcher Zulieferer hat gute Chancen, dass er mehr Aufträge bekommt. Liegt das Ergebnis bei 75 bis 84 Punkten, wird der Zulieferer als B-Lieferant eingestuft, da er die Anforderungen nur mit Einschränkungen erfüllt. „Es sollen entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung eingeleitet werden“, sagt dazu die Broschüre. Aus Sicht von Michael Frank ist mit dieser Beurteilung aber noch lange nichts verloren. „Wenn wir wissen, wo es hapert, können wir diese Punkte nochmal durchsprechen. Bemüht sich der Zulieferer, die Probleme zu beheben, wird er in der nächsten Bewertung vermutlich schon besser dastehen“, erklärt der Einkaufsleiter.

Zulieferer mit 75 Punkten oder weniger gelten als C-Lieferanten. Dieser Wert stellt einen deutlichen Warnschuss dar, besser werden zu müssen. „Wenn ein Lieferant zweimal hintereinander als C-Lieferant eingestuft wird, trennen wir uns von ihm“, erklärt Frank. Er erwarte schon eine Bereitschaft zum Nachbessern, aber dabei müsse man auch fair sein und nicht nur durch die eigene Brille blicken. Eine Trennung sei eigentlich weder im Sinne von ETA noch des Zulieferers. „Das kommt in der Regel nur wenige Male vor“, betont Frank.

Einführung dauerte eineinhalb Jahre

Eine Anforderung, an der Lieferanten oft scheitern, sind Normen. Die Zertifizierung nach ISO 9001:2015 ist relativ unproblematisch und in vielen Branchen längst Usus. „Ein IATF-Zertifikat vorzulegen ist vielen aber doch ein zu großer Aufwand“, erklärt Michael Frank. Die Industrienorm IATF ist vor allem in der Automobil- und Automobilzulieferindustrie verbreitet. Im Mittelpunkt steht die Verbesserung der System- und Prozessqualität, um die Kundenzufriedenheit zu steigern. „Wenn unsere Zulieferer kein IATF-Zertifikat haben, können sie trotzdem A-Lieferant bleiben, aber es könnte sein, dass höhere Kosten für uns entstehen, wenn es Qualitätsprobleme geben sollte“, sagt Frank. 

Nach der Einführung der Lieferantenbewerung 2006 dauerte es rund eineinhalb Jahre, bis vor allem die Unterkriterien so ausgesteuert waren, dass sie mit den Unternehmenszielen von ETA synchron waren. ETA setzt eine Software ein, die die Fakten aus dem ERP-System übernimmt. Diese werden mit den Daten aus einer Datenbank zusammengebracht. „So können wir die Daten systematisch aufbereiten und objektivieren“, sagt Michael Frank.

Mindestens zwei Lieferantenbewertungen pro Jahr

Sei die Bewertung erst einmal angelaufen, sei der Aufwand überschaubar. „Wir justieren nur noch leicht nach oder schreiten dann ein, wenn es notwendig ist“, sagt der Einkaufsleiter. Als Beispiel nennt er eine verzögerte Lieferung oder wenn im Erstmusterprüfbericht etwas nicht in Ordnung ist. In der Regel seien es Einkäufer oder auch Projektleiter, die ihn darauf hinweisen, wenn es mit einem Lieferanten nicht rund läuft. Alle anderen bekommen eine turnusgemäße Lieferantenbewertung zweimal im Jahr.

Nach 14 Jahren der Lieferantenbewertung zieht der ETA-Einkaufschef eine positive Bilanz. Die Zeiten, in denen Michael Frank im System nicht einmal zwischen Produzenten und Dienstleistern differenzieren konnte, sind vorbei. Lieferungen, die mit drei Wochen Verspätung oder 21 Tage zu früh kommen, gibt es inzwischen so gut wie nicht mehr.

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