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Einkauf, Marketing und Marken > Nachhaltigkeit

Wie Elobau und Interstuhl einkaufen

Nachhaltiger Einkauf denkt über den besten Preis hinaus. Auch eine längere Lebensdauer der Maschinen oder weniger Materialeinsatz erhöhen die Wertschöpfung. Das zeigt: Ökonomie und Ökologie lassen sich miteinander in Einklang bringen.

Zerstörerische Rabatt- und Preisschlachten bis zum Ruin des Zulieferers sind in manchen Branchen an der Tagesordnung. Aber es geht auch anderes: Kauft Joachim Link eine neue Maschine, ist für ihn nicht der Preis entscheidend. „Ich schaue vor allem auf den Energieverbrauch und die Langlebigkeit. Unsere Maschinen sind dadurch in der Anschaffung zwar 20 bis 30 Prozent teurer als der Durchschnitt“, sagt der Geschäftsführer Technik bei dem Büromöbelhersteller Interstuhl. „Aber auf zehn Jahre gerechnet lohnt sich das.“ Die Maschinen sind zudem nicht nur sparsam. Der Strom, den sie ver­brauchen, kommt unter anderem von der eigenen Photovoltaikanlage auf dem Firmendach – 15 Pro­zent seines gesamten Strombedarfs kann das Unter­nehmen aus Meßstetten damit decken.

Bei der Beschaffung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen steht für Interstuhl die ökologische Nachhaltigkeit im Vordergrund: Holz muss das FSC-Siegel tragen, das einen schonenden Umgang mit Waldressourcen garantiert. Beim Ledereinkauf ist Ware aus Asien Tabu, weil dort für die Gerbung oft giftige Chemikalien zum Einsatz kommen. Stattdes­sen kommt das Leder ausschließlich aus Süddeutschland, wo es teilweise mit Kirschkernen gegerbt wird.

Mittelstand zieht peu á peu nach

Greta lässt grüßen, könnte man denken, aber Fakt ist: Ökonomie und Ökologie müssen kein Widerspruch sein. „Wir konnten den Durchschnittsverkaufspreis für unserer B2B-Marke Bimos, unter der wir Arbeitsstühle für Industrie und Labore herstel­len, in den vergangenen Jahren mehr als verdoppeln. Auch der Absatz hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt“, sagt Joachim Link. Bei Nachhaltigkeit geht es generell darum, innerhalb der Wertschöpfung alle Aspekte eines Produkts und der Value-Chain so zu gestalten, dass daraus ein ökonomischer, ökologischer und gesellschaftlicher Nut­zen entsteht. Die Einkaufsabteilung kann vor allem in den Bereichen Materialien, Energie, Gesundheit und Klimaschutz einen Beitrag dazu leisten.

Was bei konsumentennahen Branchen wie dem Textil- oder Lebensmittelsektor schon länger gang und gäbe ist, erreicht nun immer mehr Wirtschafts­zweige. Vor kurzem gab etwa Volkswagen bekannt, bis Jahresende für das Werk Zwickau ökologische sowie sozioökonomische Einkaufskriterien „scharf schalten“ zu wollen. Wenn früher oder später die anderen Standorte nachziehen, bedeutet das auch für zahlreiche mittelständische Zulieferer zwangs­läufig eine große Umstellung. „Bis auf wenige Ausnahmen wie Vaude oder Frosta sind es die Konzerne, die bei Nachhaltigkeit vorangehen. Die mittleren und kleinen Unternehmen ziehen notgedrungen drei bis fünf Jahre später nach, um ihre Aufträge nicht zu verlieren“, sagt Michael D’heur, Geschäftsführer von Shared Value Chain, einer auf Nachhaltigkeit spezialisierten Unternehmensberatung.

Produkte komplett überdenken

Um nachhaltig zu werden, bedarf es einer guten Planung und vieler kleiner Schritte. Generell muss zunächst einmal geklärt werden, von wo und wem das Unternehmen seine Rohstoffe bezieht und unter welchen Bedingungen die Lieferanten produzieren. Das gilt für bestehende Zulieferer wie auch für neue. „Bei neuen Lieferanten führen wir vorab eine Befragung zu den Themen Qualität, Energie, Umwelt und soziale Verantwortung durch“, schildert Horst Huber vom Industriezulieferer Elobau das Vorgehen. Anhand der Antworten vergibt der Produzent von Bedienelementen und Sensortechnik dann Punkte, die in eine selbst angepasste Ein­kaufssoftware einfließen. Zusammen mit weiteren Gesichtspunkten wie Liefertreue und Reklamationsverhalten ergibt sich ein Wert für die Gesamtleistung für jeden Zulieferer. „So oder in Kombination mit Lieferantenaudits vor Ort können wir darauf vertrauen, dass wir mög­lichst nachhaltig einkaufen“, sagt Huber.

Je strenger die vorgegebenen Kriterien sind, desto unvermeidbarer ist es auch, dass sich ein Betrieb von bisherigen Zulieferern trennt. „Mit ein paar wenigen haben wir die Zusammenarbeit beendet“, sagt Interstuhl-Chef Joachim Link. Europäische Lieferanten seien allerdings nicht dabei gewesen, da man deren Haltung kenne. Bei asiatischen Zulieferern könne es eher passieren, dass einem etwas zugesagt werde, was dann nicht eingehalten wird. Aus diesem Grund empfehlen Experten, wenn möglich, Besuche vor Ort. Denn erst durch Kontrollen entsteht Transparenz – und damit auch Wirksamkeit.

Zusammenarbeit mit Lieferanten vor Ort

Für einen tatsächlich nachhaltigen Einkauf ist das aber noch nicht genug. „Dafür müssen Unternehmen ihre Produkte von Grund auf überdenken, Lieferketten neu gestalten und die lokale Wertschöpfung stärken“, erklärt Michael D’heur. Eine solche Umstellung könne rund eineinhalb bis drei Jahre dauern, sagt der Unternehmensberater. Und in denen gilt es, viele Probleme zu überwinden.

Bei Magneten hat sich Elobau bisher schwergetan, seine nachhaltigen Kriterien umzusetzen, weil Abbau und Produktion im weit entfernten China stattfinden. Negative Folgen versucht das Unternehmen abzumildern, indem es seine Magnetzulieferer ermuntert, sich der vor kurzem gegründeten deutsch-chinesischen Kooperation „Fair Magnet“ anzuschließen. Die Nichtregierungsorganisation hat sich zum Ziel gesetzt, die Arbeitsbedingungen in der Rohmagnetproduktion zu verbessern.

„Es ist uns sehr wichtig, unsere rund 1.400 Lieferanten auf Basis ihres Leistungsgrads ständig weiterzuentwickeln“, sagt der Einkaufsleiter. Elobau berücksichtigt dabei bewusst auch kleine Unternehmen: Der Fragebogen ist so gestaltet, dass auch Betriebe eine Chance haben, wenn sie individuelle Nachhaltigkeitsmaßnahmen umsetzen, die nicht zertifiziert sind. „Mit den Mittelständlern aus der Region arbeiten wir sehr gern zusammen, weil wir durch kurze Wege flexibler und nachhaltiger sind“, erläutert Huber.

Drei Viertel bestehen aus biobasiertem Kunststoff

Auf rund 50 Zulieferer vor Ort sind die Einkäufer und Materialexperten aktiv zugegangen: „In eintägigen Audits machen wir konkrete Verbesserungsvorschläge. Viele sind dafür offen und dankbar“, sagt Huber und nennt ein Beispiel: Ein Lieferant hat den Transport von Drehteilen in einem umweltfreundlichen Mehrfachbehältersystem aus Kunststoff umgestellt. Diese Lösung spart Transportkosten, Arbeitszeit und Verpackungsmaterial und wirkt sich positiv auf die Wertschöpfung aus. Zudem ist die vereinbarte Qualitätskontrolle für die Drehteile verkürzt, weil man sich schon lange kennt und vertraut. „Die wissen, wie wir ticken, und wir wissen, wie die ticken“, sagt Huber. Elobau verfügt derzeit über 28 solcher selbst weiterentwickelten Zulieferer. Dieses Jahr sollen 25 weitere „Preferred Suppliers“ hin­zukommen und langfristig mit dem Industriezulieferer kooperieren. Das klimaneutral produzierende Unternehmen arbeitet laut Huber im Durchschnitt 18 Jahre mit seinen Lieferanten zusammen.

Vor einem halben Jahr hat Elobau auch sein erstes Produkt auf den Markt gebracht, das Nachhaltigkeitskriterien in den Mittelpunkt stellt. Der verwen­dete Kunststoff der Modularmlehne ist zu 75 Prozent biobasiert, und die Auflage ist mit biologisch erzeugtem Lederimitat aus Apfelschalen bezogen, das keine Weichmacher enthält. Die Erfahrung aus diesem Bedienelement für Maschinen soll nun auch auf andere Produkte übertragen werden, sagt Huber.

Viele Prozesse sind überflüssig geworden

Auch Interstuhl investiert in die Entwicklung neuer Lösungen und ist davon überzeugt, dass ein nachhaltiger Ansatz auch zu Innovationen führt. „Eine Herausforderung besteht darin, dass unsere Kunststoffteile recycelfähig sein sollen, aber gleichzeitig eine hohe Festigkeit aufweisen müssen. Dafür muss man die Gestaltung verändern“, sagt Joachim Link. Rund 50 Mitarbei­ter suchen permanent nach neuen Verfahrens- und Materiallösungen. Als erstes Unternehmen hat der Stuhlhersteller aus dem Zollernalbkreis auch soge­nannte 3-D-Gestricke eingesetzt. Der Vorteil: Dieses Hightechmaterial muss nicht mehr separat zugeschnitten werden. „Dadurch kommen wir heute mit bis zu 20 Prozent weniger Materialeinsatz aus als früher. Viele Prozesse sind dadurch komplett überflüssig geworden“, erklärt der Technikchef stolz.

Mittlerweile ist Interstuhl auf Basis der DIN-EN ISO-Normen 9001, 14001, 50001, 45001 sowie der EMAS-III-Richtlinie durchgängig zertifiziert. Als Nächstes sollen auch die B2B-Produkte von Bimos noch strengere Normvorgaben erfüllen. Und es bleibt nicht allein beim Einkauf: Bei der Logistik beauftragt das Unternehmen nur noch Speditionen, deren Lkw saubere Motoren haben; die Fahrwege werden am Computer optimiert. Auf dem Parkplatz stehen bereits zwei Elektroautos, die an der unternehmenseigenen Stromtankstelle aufgeladen werden können. Joachim Link will aber auch selbst als gutes Beispiel vorangehen: Sein nächster Dienstwagen wird ein Elektroauto sein.

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