
Kein Unternehmen darf in Deutschland an einem öffentlichen Projekt mitwirken, ohne vorher an einem Ausschreibungsverfahren teilgenommen zu haben. Auch in den meisten anderen Ländern werden staatliche Projekte öffentlich ausgeschrieben – jedoch unterscheiden sich die zugrunde liegenden Regeln stark. Für Unternehmen ist es daher schwierig, den Überblick zu behalten und sich richtig zu bewerben.
In einigen Staaten immerhin können sich lokale und ausländische Unternehmen auf einen vergaberechtlichen Konsens verlassen, für den seit 1996 die Welthandelsorganisation (WTO) mit dem General Procurement Agreement (GPA) sorgt, zu Deutsch Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen. „Inhalt des Abkommens sind gemeinsame Spielregeln zum Vergaberecht bei Projekten der öffentlichen Hand“, erklärt Annette Rosenkötter, Fachanwältin für Vergaberecht bei der Kanzlei FPS in Berlin.
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Zu diesen Spielregeln gehört, dass der Einkauf von Waren und Dienstleistungen ab einer bestimmten Auftragswerthöhe durch öffentliche Stellen ausgeschrieben werden muss. Kalkuliert werden die Auftragswerte in sogenannten Sonderziehungsrechten der Weltbank (SDR), deren Wert in etwa dem US-Dollar entspricht. Abhängig davon, ob es sich um zentrale, subzentrale oder sonstige stattliche Stellen handelt, liegt der ausschreibungspflichtige Grenzwert bei Auftragsvolumina von 130.000, 200.000 beziehungsweise 400.000 SDR. Die Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen ist nur bis zu einem Projektvolumen von 5 Millionen SDR ausschreibungsfrei möglich.
Mehr Vertragsparteien für deutschen Mittelstand von Vorteil
46 Staaten haben diese Regeln als gemeinsame Rechtsgrundlage akzeptiert und sind dem Abkommen beigetreten. Für Deutschland hat die Europäische Union unterschrieben, die als ein Vertragspartner agiert. Kein EU-Mitgliedsstaat kann daher eigenmächtig austreten. Unter den anderen Ländern finden sich viele wichtige Zielmärkte für deutsche Industrieprodukte, beispielsweise Kanada, Südkorea und Israel.
„Dabei fällt eines auf: Fast alle Staaten, die das GPA unterzeichnet haben, hatten auch schon vorher ein verlässliches Vergaberecht“, betont Rosenkötter. Aus Sicht exportorientierter deutscher Mittelständler wäre daher eine Ausweitung des Kreises der Vertragsparteien wichtig. Auch für die beitretenden Staaten hätte die Unterzeichnung einen Nutzen: Indem sie transparente Bedingungen schaffen, können sie besser Know-how und Lieferungen ausländischer Unternehmen anwerben.
Transparente Investitionsmöglichkeiten in China notwendig
Um das GPA tatsächlich zu erweitern, laufen derzeit mit zehn WTO-Mitgliedsstaaten Beitrittsverhandlungen, darunter China, Australien und Russland. 32 weitere WTO-Mitglieder haben einen Beobachterstatus. „Aus europäischer Sicht wäre ein baldiger Beitritt insbesondere Chinas wünschenswert“, meint Vergaberechtlerin Rosenkötter. Denn während chinesische Unternehmen und Investoren immer häufiger Gesellschaftsanteile deutscher Unternehmen übernehmen, sind die Investitionsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen in China weiterhin beschränkt.
„Wer von den transparenten Vergabeverfahren anderswo profitiert, muss diese auch bei sich schaffen“, findet Rosenkötter. Dass in China die grundsätzliche Bereitschaft fehle, Ausländern einen offenen Zugang zum eigenen Markt zu bieten, bemängeln viele Wirtschaftsvertreter seit Jahren. Sie hoffen daher, dass China das GPA bald unterzeichnet – oder Deutschland und China bilateral andere Regelungen vereinbaren.
In diesen Ländern gilt das Vergaberecht des GPA
Armenien, Aruba, die Europäische Union (und damit ihre 28 Mitgliedsstaaten), Hongkong, Island, Israel, Japan, Kanada, Liechtenstein, Moldau, Montenegro, Neuseeland, Norwegen, Schweiz, Singapur, Südkorea, Taiwan, Ukraine, USA
Quelle: WTO