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„Wir müssen mutiger werden!“ – Wie Inga Bauer ein Traditionsunternehmen revolutionierte

Inga Bauer führte als als Geschäftsführerin Bauer und Böcker durch eine mutige Transformation – mit LED-Technik, Nachhaltigkeit und Innovationsgeist.

Inga Bauer hat Bauer und Böcker aus Remscheid von ihrem Großvater übernommen und umgebaut. Früher fertigte das 93 Jahre alte Unternehmen aus Remscheid Rollschuhe, Vulkanisiermaschinen und Rohrsteckschlüssel, heute produziert es LED-Maschinenbeleuchtung. (Foto: Inga Bauer)

Altes raus, Zukunft rein: Inga Bauer krempelt ihr Traditionsunternehmen um und zeigt, wie Mittelstand heute Innovation wirklich lebt.

Das Gespräch führte Thorsten Giersch.

Sie wurden zuletzt als Chefin von Bauer und Böcker mit Innovationspreisen und Lob überschüttet. Zu Recht? 

  • Ja, es ist eine schöne Bestätigung, wenn man nach einem langen Weg ins Ungewisse für den Mut und die Ergebnisse öffentlich geehrt wird. Aber es ist eben eine Ehrung für zurückliegende Taten. Trotzdem geben sie mir Unterstützung für die nächste anstehende Transformation. Wahrscheinlich ist die immerwährende Veränderung und Anpassung das neue normal der heutigen Wirtschaft. 

Damit sind Sie nicht allein. 

  • Ich glaube, das ist ein Problem in Deutschland, dass wir viel zu lange an alten Dingen festhalten. Wenn man einen Frosch in kochendes Wasser wirft, dann springt er wieder heraus. Wenn man aber das Wasser mit dem Frosch langsam erhitzt, dann bleibt er drin. Diese Metapher spiele ich gerne durch. Wir müssen viel entscheidungsfreudiger sein. Wir müssen viel schneller Dinge ändern. 

Was produzieren Sie heute? 

  • Wir entwickeln und produzieren LED-Maschinenbeleuchtung und Designerleuchten. Remscheid ist die Nachbarstadt von Solingen – und da kommt die erste Taschenlampe her, die Anfang der 90er-Jahre mit Leuchtdioden hergestellt wurde. Das faszinierte mich damals sehr. Deshalb wollte ich etwas mit LED-Leuchten machen. 2001 gründete ich dafür ein Unternehmen mit einem Designer. Diese Zusammenarbeit löste ich auf, um 2012 das Thema erneut in unserem Unternehmen anzugehen. 2014 haben wir uns dann von dem ältesten Produktionsbereich, der Rohrsteckschlüsselfertigung getrennt, die Maschinen nach Indien verkauft und uns auf die LED-Leuchten konzentriert. 

Wie waren die Reaktionen in der Belegschaft? 

  • Wir haben einen kleinen mittelständischen Betrieb mit derzeit 14 Mitarbeitenden. Und Remscheid ist auch keine Region, die sehr auf Veränderungen steht, anders als Berlin. Die Reaktionen waren sehr verhalten. Viele wollten zuerst nicht mit mir mitgehen, weil es ein großes Risiko bedeutete. Und sie wussten nicht, ob ich die richtige Idee habe. 

Hatten Sie Unterstützung von irgendeiner Seite? Gibt es einen Beirat? 

  • Ich hatte Verbündete! Als wir 2014 zu neuen Zielen aufbrachen, hatte ich meinen langjährigen Mitarbeiter Tobias Gembus zum Geschäftsführer ernannt. Unsere Marketing-Mitarbeiterin Katja Gehrt gehörte ebenfalls zum eingeschworenen Kreis. Ohne diese beiden Unterstützer und Wegbegleiter hätte ich das nie hinbekommen.  

Von geschmiedetem Metall zu filigraner LED-Technik ist ein weiter Weg. 

  • Man kann nicht gegen die Menschen arbeiten. Deswegen hat die Transformation auch so lange gedauert, acht bis zehn Jahre. Und im sechsten Jahr habe ich dann eine besonders harte Entscheidung getroffen und mich von einer sehr wichtigen Person im Unternehmen trennen müssen. Der sollte die Transformation im Betrieb vorantreiben, ging aber nicht mit. So musste ich das Arbeitsverhältnis nach mehr als 26 Jahren Betriebszugehörigkeit beenden. 

Nicht leicht. 

  • Es war der schlimmste Moment. Aber mir war klar: Wenn ich das nicht mache, dann wären die Jahre davor sinnlos gewesen. Und vielleicht hätte ich mich auch vom Unternehmen verabschieden müssen. Ich habe es dann durchgezogen. Mit Schmerzen und mit der Erkenntnis, dass man die Mitarbeiter nicht alle überzeugen kann. Ich hatte damals die meisten Beschäftigten ein halbes Jahr gegen mich. Eine Kollegin, die heute im Ruhestand ist, hat sich gar nicht mehr von diesem Schock erholt. 

Was sagen ihre Beschäftigten heute? 

  • Dass es der richtige Schritt war. Bis vor einem Jahr lief es richtig gut bei uns. Aber dann erreichte uns die Krise in der Industrie. Wir sind mit 15 Prozent Umsatzeinbruch betroffen. Wenn Automobilhersteller nicht mehr verkaufen, haben die Zulieferer Probleme. Und das sind die Firmen, die unsere Leuchten an ihren Maschinen anbringen. 

Regt es Sie auf, dass führende Politiker im ­Wahlkampf gesagt haben, es sei doch alles nicht so schlimm? 

  • Auf der einen Seite wird unsere Innovationskraft auch durch unsere überregulierte Bürokratie abgewürgt. Andererseits regt mich auf, dass wir nicht bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Also jeder Unternehmer für sich, jede Belegschaft für sich. Wenn ich Produkte sehe, die aus Asien kommen, sind die oft günstiger. Gut. Aber viele sind auch besser und wir kriegen es hier nicht so hin. Da müssen wir uns schon selbst fragen, warum. Wir haben uns über Jahrzehnte ausgeruht, weil doch alles gut funktioniert hat, sodass ein Großteil der Bevölkerung nicht mehr bereit ist hart zu arbeiten und die Asiaten sind einfach hungriger. Ich mache das mal an einem Beispiel fest: Früher war es eine Auszeichnung, zum Mitarbeiter des Monats ernannt zu werden, heute ist das peinlich. 

Nicht nur die Jungen, wie man oft hört? 

  • Es ist auch unsere Generation. Auch viele Ältere, die in den letzten zehn Jahren ihres Schaffens stehen, haben keinen Bock mehr. So mancher ist auch dem Druck nicht mehr so gewachsen oder will nichts Neues mehr hinzulernen, weil es mit großer Anstrengung verbunden ist. 

Was ist bei Ihnen die Basis für Veränderung? 

  • Ich bin neugierig, ich liebe Herausforderungen und mag persönliche Entwicklung. Als Bauer und Böcker sind wir sehr innovativ und bringen immer wieder neue Produkte auf den Markt. Die Ideen kommen von Kunden oder entstehen bei uns im Haus. Es geht aber nicht nur ums Produkt. Die ganze Transformation ist ein innovativer Prozess. Dafür wurden wir ausgezeichnet. Diese Arbeit läuft seit zehn Jahren. Dazu kommt ein gutes Netzwerk. 

Inwiefern

  • Ich pflege mit mehreren Unternehmerinnen und Unternehmern einen offenen Austausch. Da höre ich immer wieder: Das musst Du Dir ansehen, das musst Du testen. Dazu kommt die eine oder andere Veranstaltung, deren Besuch ich mir gönne. Da hat sich zum Beispiel meine Sichtweise auf künstliche Intelligenz und deren Möglichkeiten verändert. Das nächste große Ding ist KI. Ich sehe es als meine Aufgabe an, immer einen Schritt voraus zu sein. 

Wie kommen Sie auf neue Geschäftsmodelle und woher stammt das Wissen? 

  • Ich habe grundsätzlich ein großes Interesse an Technik. Ich bin aber auch eingeschränkt. Wir können nicht von heute auf morgen Softwareentwicklung werden. Wir kommen aus der Industrie und da stecken wir drin. Ich sehe aber auch, dass das Geschäftsmodell Produktion heute immer schwieriger wird. Deswegen überlegen wir im Unternehmen tiefere und breitere Transformation im Bereich Licht. 

Und zwar? 

  • Wir haben vor über zehn Jahren mit Arbeitsleuchten begonnen, daraus haben sich Maschinenleuchten entwickelt, vor zwei Jahren haben wir dann unsere Leuchten für zu Hause und das Büro weiterentwickelt. Jetzt kommt die nachhaltige Ausrichtung hinzu. Die Leuchten sind aus Aluminium gedreht und gefräst. Aluminium ist sowieso schon aus 80 Prozent recyceltem Aluminium hergestellt, damit ist es sehr nachhaltig. Wir sind Projektteilnehmer der Kreislaufwirtschaft, einem Projekt der neuen Effizienz. Alle unsere Leuchten lassen sich komplett reparieren, Einzelteile austauschen und nach dem Lebenszyklus nehmen wir die Leuchten zurück und können die einzelnen Komponenten sortenrein recyceln. 

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