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Zukunftsmärkte > Wirtschaft und Menschenrechte

Wirtschaftsverbände stemmen sich gegen Lieferkettengesetz

Die große Koalition möchte Unternehmen stärker für soziale Missstände bei ihren Zulieferern verantwortlich machen. Verschiedene Wirtschaftsverbände machen nun mobil und stemmen sich gegen das geplante Lieferkettengesetz.

Sollen deutsche Hersteller mit mindestens 500 Mitarbeitern haften, wenn ein ferner Zulieferer die Menschenrechte nicht achtet? Am Dienstag berät die Bundesregierung über ein mögliches Lieferkettengesetz. Wenn es nach den Ministern für Entwicklung (Gerd Müller, CSU) und Arbeit (Hubertus Heil, SPD) geht, sollten Unternehmensverantwortliche mit einer Gefängnisstrafe von mindestens zwei Jahren rechnen, wenn sie die Risikoanalyse für ihre Lieferkette schleifen lassen.

Der aktuelle Gesetzesentwurf wurde zwar entschärft, nachdem die Minister von Wirtschaftsministerium und Bundeskanzleramt im März dieses Jahres gebremst wurden. Zunächst sollten sie Unternehmen zu ihrer Compliance-Haltung befragen und auf Basis der Ergebnisse entsprechende Maßnahmen ableiten. An diesem Dienstag nun wurden die letzten Ergebnisse aus dieser Unternehmensbefragung dem interministeriellen Ausschuss übergeben. Dieser treibt das Thema „Wirtschaft und Menschenrechte“ sowie den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung (NPA) voran.

 

Auf Basis der Befragungsergebnisse will die Regierung nun darüber beraten, ob die bisherige Selbstverpflichtung ausreicht – oder ob es künftig verbindliche Vorschriften zur Einhaltung von Sozial- und Umweltstandrads geben muss. Und genau das ruft die Wirtschaftsverbände auf den Plan: Sie gehen davon aus, dass die Ergebnisse aufgrund der aktuellen Corona-Situation „verzerrt“ sein könnten. Sie bezweifeln, dass die Befragung repräsentative Ergebnisse hervorbringt, da viele Unternehmen in der Corona-Krise das Ausfüllen von Fragebögen hintan gestellt haben könnten.

 

Den aktuellen Ergebnissen nach zu urteilen deutet vieles darauf hin, dass weniger als die Hälfte der befragten Firmen die verabredeten Mindeststandards einhält. Einem Bericht der F.A.Z. zufolge hätten etwa 20 Prozent der Unternehmen die Vorgaben erfüllt, und zwar so, wie es im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) vorgesehen ist. Bereits 2019 gab es eine erste Unternehmensbefragung, der Anteil der "Erfüller" habe sich nicht maßgeblich verändert, so der Bericht. In der zweiten Fragerunde, in der 2250 Unternehmen um Auskunft gebeten wurden, antworteten nur 455 Angeschriebene.

 

Ein Viertel der deutschen Unternehmen hält CSR-Standards ein, mehr als die Hälfte nicht: Sollte das zutreffen, müsste der Gesetzgeber tätig werden. Im Dezember 2016 hatte die Bundesregierung ihren Nationalen Aktionsplan NAP verabschiedet, der die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft Menschenrechte umsetzt.Bislang hat die Regierung auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen gesetzt, jedoch im Koalitionsvertrag festgehalten, dass weitergehende Regelungen erlassen werden müssen, sofern eine NAP-Befragung im Jahr 2020 zu dem Schluss käme, dass die freiwilligen Verpflichtungen nicht ausreichen. Dies könnte nun der Fall sein und die Bundesregierung müsste national gesetzlich tätig werden und sich außerdem für eine EU-weite Regelung einsetzen.

 

Die Verbände wollen das jedoch verhindern, da ein Lieferkettengesetz die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen massiv schwäche. „Der internationale Handel und die Lieferkettenbeziehungen durch die Maßnahmen gegen das Coronavirus sind bereits größtenteils erschwert, wenn nicht sogar zum Erliegen gekommen. Die exportorientierte deutsche Wirtschaft befindet sich aufgrund neu hinzugekommener Handelsbeschränkungen sowie weiterhin bestehender Grenzschließungen und Reiseeinschränkungen in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Es müssen nationale Sonderwege mit nationalen Belastungen vermieden werden, um die ohnehin schwierige Wirtschafts-Erholung nicht noch mehr zu verzögern. Unternehmen benötigen jetzt alle Ressourcen im Kampf gegen die Corona-Auswirkungen“, schreiben Ingo Kramer (BDA), Dieter Kempf (BDI), Eric Schweitzer (DIHK) und Peter Wollseifer (ZDH) in einer gemeinsamen Stellungnahme, die Markt und Mittelstand vorliegt. Die Wirtschaft sei bereit, sich konstruktiv einzubringen und an der praxistauglichen Ausgestaltung einer solchen Regelung mitzuwirken. Die gleichwohl wichtige Debatte um Wirtschaft und Menschenrechte solle deshalb die Praktikabilität für die Unternehmen sowie die Auswirkungen für die Partner vor Ort in den Mittelpunkt stellen, so die Verbandsvertreter in ihrer Stellungnahme.

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