Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Energie & Rohstoffe > Blackout in Deutschland?

Zu wenig Strom! Tesla und Viessmann protestieren

Elektroautos und Wärmepumpen sind entscheidende Bausteine für die Energiewende. Doch wenn alle sie nutzen, bricht das Stromnetz zusammen. Deswegen sollen Stromversorger den Saft auch mal drosseln dürfen. Die Industrie hält das für eine ganz schlechte Idee.

Ein Tesla wird abgeschleppt. Das könnte E-Autobesitzern öfter passieren, wenn die Pläne zur Stromdrosselung Wirklichkeit werden

Die Entscheidung des Installateurs, der ins Villenviertel von Hannover gerufen worden war, ist eindeutig: Er werde hier keine Wallbox zum Autoaufladen in der Einfahrt eines Hauses montieren. Auf die Frage des verdutzten Hausherren, warum denn nicht, lautet die Antwort klipp und klar: „Wenn nur zwei, drei andere hier in der Straße auch auf die Idee kommen, bricht die Stromversorgung zusammen, falls alle auf einmal ihr Auto laden wollen.“

 

Die Szene, die sich so im vergangenen Jahr zutrug, hat jetzt ihre amtliche Bestätigung erhalten: Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, die dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck untersteht, hat in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung genau vor diesem Szenario gewarnt und eine Lösung vorgeschlagen, die inzwischen allerdings zu einem Proteststurm in der Elektroauto- und Wärmepumpenindustrie führt.

 

„Wenn weiter sehr viele neue Wärmepumpen und Ladestationen installiert werden, dann sind Überlastungsprobleme und lokale Stromausfälle im Verteilnetz zu befürchten, falls wir nicht handeln“, sagt Müller. Sein Lösungsvorschlag: Vom nächsten Jahr an sollen Stromnetzbetreiber die Möglichkeit bekommen, in den Niedrigspannungs-Verteilnetzen die Stromversorgung vorübergehend zu drosseln, um eine Überlastung zu vermeiden. Elektroautos könnten dann an der heimischen Ladestation nicht mehr mit voller Leistung ihre Batterien auffüllen. Wärmepumpen liefen mit gebremster Kraft. Müllers Lösung hat es bereits in den Entwurf einer Verordnung gebracht, den die Netzagentur inzwischen vorgestellt hat.

 

Allerdings hat Müller seine Pläne gemacht, ohne vorher die Einwände der Betroffenen zu berücksichtigen, in diesem Fall der betroffenen Unternehmen. Und die sind empört: Die Netzagentur erreichte in der vergangenen Woche ein Schreiben, das zehn mehr oder weniger prominente Unternehmen unterzeichnet haben. An der Spitze stehen Tesla und die Volkswagen-Tochter Elli, die sich auf den Bau von Ladestationen spezialisiert hat. Auch das Unternehmen Mobility House, ebenfalls ein Ladestationen-Spezialist, ist dabei. Von Seiten der Wärmepumpenhersteller hat Branchengröße Viessmann den Brief mitunterzeichnet.
 

Die Unternehmen kritisieren Müller und damit seinen Chef Habeck scharf. Die behördlich geplanten Eingriffe in die Stromversorgung gefährdeten „die Akzeptanz und Kundenzufriedenheit für Schlüsseltechnologien der Energiewende“, heißt es in dem Schreiben. Die Briefschreiber warnen davor, dass die Stromrationierung mancherorts für längere Zeit zur Normalität werden könnte: „Eine ganzjährige und dauerhafte Reduzierung“ der Stromversorgung sei zu befürchten, bis schwache Netze endlich ausgebaut seien.

 

„Statt Verteilnetzbetreiber zum Abregeln zu berechtigen“, müssten Lösungen gefunden werden, die die Stromnachfrage flexibilisieren, schlagen sie vor.

 

Zusätzlich zu dem Brief haben die Autohersteller ihre Cheflobbyistin Hildegard Müller vom Verband der deutschen Autobauer vorgeschickt: „Wir zählen darauf, dass die Bundesnetzagentur sich von der verbraucherfeindlichen Idee einer zentral gesteuerten Drosselung der Leistung distanziert“, sagt sie. Sollte ein Betreiber tatsächlich in Abschnitten seines Verteilnetzes die Stromversorgung von E-Auto-Ladestationen und Wärmepumpen zentral gesteuert drosseln, dann müsse er verpflichtet werden, innerhalb von zwölf Monaten die betroffenen Teile des Netzes technisch aufzurüsten, fordert die Industrie und schlägt vor, Strafzahlungen anzudrohen, falls ein Stromversorger innerhalb dieser Frist seine Netze nicht entsprechend aufrüstet.
Allerdings geht es auch anders. So zeigt beispielsweise ein Pilotprojekt von Elli und dem ostdeutschen Stromversorger Mitnetz, wie mit geschicktem Laden vorhandene Netze besser ausgelastet werden. Die Lösung besteht am Ende darin, dass finanzielle Anreize geschaffen werden, Ladevorgänge dann vorzunehmen, wenn genügend Strom da ist. Die Botschaft die Elli auf jeden Fall rüberbringen will, lautet: „Die E-Mobilität gefährdet die Netze nicht, sie bietet riesige Potentiale.“ Dass abgestimmtes Laden allerdings nur für Elektroautofahrer funktioniert, die möglicherweise ihre Ladezeiten frei wählen können, steht auf einem anderen Blatt. Auf eine Wärmepumpe, die laufen muss, wenn es draußen kalt ist, lässt sich nicht per Stundenplan verzichten.

 

Der Bundesverband Wärmepumpen leistet deswegen Schützenhilfe für seine Mitglieder. „Die Industrie geht momentan massiv in Vorleistung. Die Unternehmen investieren in die Erweiterung von Fertigungskapazitäten, in neue Werke und neue Arbeitsplätze“, sagt Verbands-Geschäftsführer Martin Sabel. „Jetzt ist die Politik am Zug: Die Industrie braucht für den weiteren Ausbau der Kapazitäten verlässliche Rahmenbedingungen und industriepolitische Unterstützung.“

 

Bei Netzagentur-Chef Müller und seinem Chef Robert Habeck stoßen diese Forderungen aber nur auf halboffenen Ohren. Man könne das weiter prüfen, seiner Behörde seien aber derzeit „keine umsetzbaren Modelle bekannt“, die das Laden von E-Autos und das Betreiben von Wärmepumpen so steuerten, dass keine Überlastung der Stromnetze entstehen könne. Netzagentur-Chef Müller bleibt deswegen bis auf weiteres bei seinem Drossel-Entwurf. Der Installateur aus Hannover hat damit Recht behalten. Und der Hausbesitzer hat sich inzwischen ein neues Auto gekauft – eines mit Verbrennungsmotor.

Ähnliche Artikel