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Zukunftsmärkte > Corona-Krise

Zweite Infektionswelle: wie sich Unternehmen vorbereiten sollten

Unternehmen sollten Pläne für den Fall einer zweiten Infektionswelle sowie für die Zeit nach der Corona-Krise erstellen, rät Unternehmensberater Jens Ekopf. Im Interview erklärt er, wie Mittelständler das am besten umsetzen können.

Herr Ekopf, die erste Infektionswelle des Coronavirus klingt langsam ab. Virologen warnen aber vor einer möglichen zweiten Welle, die auf Deutschland in den kommenden Monaten zukommen könnte. Wie können sich Unternehmen auf ein solches Szenario vorbereiten?

Ich rate Unternehmen dazu, sich jetzt die Zeit zu nehmen, um in den Rückspiegel zu schauen. Was ist in den vergangenen Wochen gut gelaufen, wo gab es Probleme, etwa mit Lieferketten, der Arbeit im Homeoffice oder der IT-Infrastruktur? Dabei sollte die Geschäftsführung ruhig das Gespräch mit möglichst vielen Mitarbeitern suchen oder gar eine virtuelle Betriebsversammlung zu dem Thema einberufen. So können die Unternehmen die Erfahrungen mit der ersten Infektionswelle nutzen, um sich auf eine mögliche zweite vorzubereiten.

Viele Unternehmen sind über Verbände oder die örtliche IHK in Kontakt mit anderen Firmen. Ist es sinnvoll, sich jetzt mit den anderen Unternehmen darüber auszutauschen, wie der Umgang mit der Corona-Krise jeweils lief, um von den Erfahrungen der anderen lernen zu können?

Das machen einige Unternehmen bereits, und ich halte das auch für einen guten Ansatz. So können die Firmen etwa erfolgreiche Hygienekonzepte für die Produktion von anderen Betrieben übernehmen. Der Austausch hilft außerdem dabei, die gemachten Fehler anderer Unternehmen zu vermeiden. Das Konzept für den Fall einer zweiten Infektionswelle muss aber natürlich jedes Unternehmen allein und individuell anhand seiner Rahmenbedingungen und konkreten Situation erstellen – stets unter Einbeziehung bereits gewonnener Erkenntnisse aus der ersten Infektionswelle: Welche Maßnahmen haben sich als effektiv erwiesen? Welche sind wiederum hinfällig?

 

Was gehört alles in ein solches Konzept?

Der Plan sollte sich mit drei Punkten beschäftigen, die für Unternehmen aller Branchen gleichermaßen gelten: erstens Personalmanagement, zweitens Liquiditätssicherung und drittens die Planung des operativen Geschäfts sowie der Wertschöpfung. Das bedeutet konkret, dass sich die Geschäftsführung überlegen muss, wie sie ihre Mitarbeiter weiterhin vor dem Virus schützen kann. Dazu gehört auch die Frage, wer Homeoffice machen kann und wer dringend ins Büro kommen muss. Sie sollte zudem planen, wie die Zahlungsfähigkeit mittelfristig sichergestellt werden kann. Die meisten finanziellen Leistungen sind früher oder später zurückzuzahlen. Dazu braucht es eine detaillierte Cashflowanalyse. Nicht zuletzt sollte sich das Unternehmen die Lieferketten anschauen und alternative Lieferanten in Betracht ziehen, sofern Schwachstellen ersichtlich sind. 

Eine zweite Infektionswelle verhindern

 

Circa 100 Unternehmer haben gemeinsam mit Arbeits- und Infektionsexperten die Aktion „Infektionsschutzhelfer“ ins Leben gerufen. Das Ziel: In den kommenden Wochen und Monaten sollen sich eine Million Arbeitnehmer eigenständig in einer etwa 20-minütigen kostenlosen Onlineschulung zu einem sogenannten Infektionsschutzhelfer weiterbilden. So sollen die Arbeitnehmer in der Lage sein, den Arbeitgeber dabei zu unterstützen, mögliche Infektionsquellen zu identifizieren und zu beseitigen. Die Inhalte der Schulung orientieren sich am SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

 

Quelle: DMS Deutsche Mittelstandsschutz GmbH

Wie erstellen Unternehmen einen solchen Plan am besten?

Ich rate dazu, dass Mittelständler für jeden dieser drei Punkte ein eigenes Team bilden, das sich regelmäßig trifft und Konzepte für die einzelnen Bereiche erstellt. An diesen Gruppen sollten nicht nur Führungskräfte beteiligt sein, sondern auch operative Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Abteilungen, die sich mit den jeweils relevanten Themen wie zum Beispiel Einkauf oder Liquiditätsplanung befassen.

Sind solche Krisenstäbe während der Corona-Pandemie nicht längst verbreitet im Mittelstand?

Sicherlich haben sich die Unternehmen ihre Gedanken dazu gemacht, wie sie mit der Krise umgehen können. Ich erlebe aber immer wieder, dass sich Mittelständler häufig vor allem damit beschäftigen, wie es kurzfristig mit dem Unternehmen weitergeht, und sie darauf hoffen, dass die Krise in einem Jahr vorbei ist und sie zurück zur alten Normalität können. Das ist ein Trugschluss. Zum einen wissen wir nicht, wie lange die Pandemie anhält und ob es noch weitere Infektionswellen geben wird. Zum anderen wird für viele Unternehmen die Situation nach Corona eine andere sein. Deutlich wird das zum Beispiel bei der Luftfahrt, die davon ausgehen muss, dass neben neuen Hygieneauflagen auch dauerhaft weniger geflogen wird, da viele Geschäftsbesprechungen sich auch in Zukunft ins Digitale verlagern werden.

 

Aber auch in vielen anderen Branchen steht ein Umbruch bevor. Daher sollten sich die Unternehmen jetzt darauf vorbereiten, um später zu den Gewinnern und nicht zu den Verlierern der Krise zu zählen. Gibt es unprofitable Geschäftsbereiche, von denen ich mich trennen sollte? Kann ich mein Portfolio um Services zu meinen Produkten erweitern, die den Kunden einen Mehrwert geben und mir ein Umsatzplus bescheren? Stimmt meine jetzige Wertschöpfungstiefe, oder ergibt es Sinn, bestimmte Produktionsprozesse outzusourcen oder zusätzlich zu übernehmen? Das sind alles Fragen, mit denen sich Unternehmen jetzt beschäftigen sollten.

Prognosen sind ja immer schwierig, in den aktuell unsicheren Zeiten durch das Virus scheint das umso mehr zu gelten. Wie können Unternehmen derzeit überhaupt valide Pläne für die Zukunft entwerfen, wo gar nicht klar ist, wie sich die Zahl der Corona-Infizierten entwickeln wird?

Die Unternehmen sollten mindestens drei verschiedene Krisenszenarien erstellen: einen Worst-Case, einen Best-Case und die Variante, die die Geschäftsführung für am realistischen hält. Für jedes dieser Szenarien braucht es dann individuelle Konzepte, die das Unternehmen in der Schublade haben sollte, um in Zukunft schnell reagieren zu können.

Nun ändert sich die Lage regelmäßig, etwa bei den Lockerungen der Politik. Wie oft sollten Unternehmen ihre Planungen aktualisieren und an die Entwicklungen anpassen?

Aus heutiger Sicht sollten die Planungen mindestens alle zwei Monate überarbeitet werden.

Sie sagten vorhin, dass Unternehmen jetzt versuchen sollten, zu den Gewinnern der Krise zu zählen.  Kann die jetzige Situation wirtschaftlich also auch eine Chance sein?

Jede Krise ist auch eine Chance, da sie die Gelegenheit dafür ist, sämtliche bisherigen Abläufe genau auf ihre Sinnhaftigkeit zu überdenken. In den vergangenen 75 Jahren gab es nie ein größeres Veränderungsmomentum als heute. Unternehmen können also durchaus langfristig gestärkt aus der Krise hervorgehen. Auch im M&A-Bereich sehe ich Chancen für den Mittelstand. Durch die Krise werden die Unternehmenswerte allgemein sinken. Firmen, die das nötige Kapital haben, können in Zukunft günstig zukaufen und so ihr Geschäftsmodell erweitern und ihre Marktposition stärken.

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