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Finanzierung > Ludwig-Erhard-Gipfel

„Deutschlands Kapitalmarkt ist zu schwach“

Beim Ludwig-Erhard-Gipfel sehen führende Banker Lichtstreifen am Horizont – aber auch riesige Strukturschwächen. Und was ist an dem Gerücht, dass der Commerzbank-Chef Finanzminister wird?

Commerzbank-CEO Manfred Knof hat im Gespräch mit Verleger Wolfram Weimer auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel gute Nachrichten im Gepäck. (Foto: WMG)

Deutschlands Wirtschaft ächzt – aber die Commerzbank, vor 15 Jahren noch das „Aschenputtel“ der heimischen Finanzindustrie, wie es Moderator Wolfram Weimer auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee einführte, habe den Turnaround geschafft: „Kommt da noch mehr, Herr Knof?“

Manfred Knof, Chef des nach tiefem Fall wieder aufgestiegenen Finanzinstituts, versicherte, dass man im Haus natürlich an die eigene Strategie und die eigene Aktie glaube, die bei seiner Berufung im September 2020 für gut drei Euro gehandelt wurde und inzwischen ihren Wert vervierfacht habe. Was noch nicht „das Ende der Reise“ sein müsse, sagte Knof. „Wir haben einen super Plan.“

Klares Modell statt Sprunghaftigkeit

Klare Frage, klare Antwort beim Finanztalk des Gipfels. Knof, früher Deutsch-Banker, sieht auch eine Entscheidung, die ihn geschmerzt habe, als ursächlich für die Trendwende, nämlich die rasche Trennung von 10.000 Mitarbeitern, „das war immerhin jeder Dritte in Deutschland“, und das Aus von 600 der 1000 Filialen. Dazu ein klares Geschäftsmodell anstelle der berüchtigten Sprunghaftigkeit zuvor. Mancher erinnert sich noch an das unglückliche Timing der Übernahme der Dresdner Bank nur wenige Tage, bevor in den USA Lehman Brothers kollabierte und die Finanzkrise ihren Lauf nahm.

Heute sei die Commerzbank wieder das Kreditinstitut für den „exportorientierten deutschen Mittelstand“, wofür sie vor rund 150 Jahren auch gegründet worden sei, sagte Knof. „30 Prozent der gesamten deutschen Exportwirtschaft geht durch unsere Bücher.“ Man habe die Strategie „klein, aber fein“ aufgenommen, es gehe aktuell nicht um ganz große Akquisen. Jede Anlage müsse „wertstiftend sein, aber auch passend für unsere Kunden“.

Ist die Reprivatisierung der Commerzbank geplant?

25 Prozent der taumelnden Commerzbank hatte der Staat in der Finanzkrise 2009 übernommen, aktuell hält er noch 16 Prozent der Aktien. Ob FDP-Finanzminister Christian Lindner da jetzt nicht über eine vollständige Reprivatisierung nachdenke, wollte Verleger Weimer wissen. Derzeit, vermutete ein selbstbewusst-entspannter Knof, habe die Bundesregierung, die sich in sein Geschäftsgebaren nicht einmische, wohl andere Themen auf der Prioritätenliste. Andererseits, warum nicht? „Die Commerzbank ist stark genug, um eigenständig zu agieren.“ Zumal er an die „Kraft des Mittelstands“ glaube.

Zugleich sieht der Commerzbank-Chef viel Reformbedarf für die Politik. Die „großen strukturellen Probleme Energie, Digitalisierung, Bildung Infrastruktur“ müssten angepackt werden. Immerhin, für die seit langem diskutierten Kapitalmarkt-Union sehe er erstmals Hoffnungen, weil „die deutsche und die französische Seite da in Gesprächen sind“.

Er habe Gerüchte gehört, sagte Weimer schließlich, dass der als Bankmanager erfolgreiche und zugleich als politischer Kopf profilierte Knof unter einem CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz Finanzminister werden könne. Was denn da dran sei? Da lachte Knof leicht verlegen: „So weit müssen wir ja nicht gehen.“ Aber zugleich brach er eine Lanze dafür, dass auch in Deutschland die „Durchmischung zwischen Wirtschaft und Politik und die Durchlässigkeit“ selbstverständlicher werden sollte, ähnlich wie in den USA und Frankreich.

Bankenbranche im Umbruch?

Es gibt also genug an Themen für die Bankenwelt. Ist sie gar im Umbruch? Darüber diskutierten im direkten Anschluss vier profilierte Banker. Allerdings ging es in der Debatte eher um Banken, die sich innerhalb aktueller Umbrüche behaupten müssen, von Corona über Putins Krieg gegen die Ukraine bis zum Terrorschlag der Hamas gegen Israel, aus dem sich durch die Einmischung des Iran ein Flächenbrand zu entwickeln droht. Dazu Lieferkettenprobleme, Inflation, hohe Energiekosten. Das bedeute Transformation der gesamten Volkswirtschaften im großen Umfang, sagte Tobias Vogel, CEO der UBS Europe, und das bereite neben großen Chancen auch große Herausforderungen. Darum werde der Kapitalmarkt in Zukunft auch für Unternehmen eine noch größere Rolle spielen, so seine Prognose.

Patrick Trutwein, CRO/COO und Mitglied im Vorstand der IKB, sieht ebenfalls „eine große Komplexität und Unsicherheit, mit denen auch unsere Kunden umgehen müssen“. Derartiger Druck wirke sich auf Investitionsentscheidungen aus.

800 Milliarden für die Transformation – pro Jahr!

Oft wird der Zwang zur Transformation wie ein Heilsversprechen gehandhabt. Matthias Voelkel, CEO der Boerse Stuttgart Group, versah den Prozess darum mit einem Preisschild. Es gehe in Europa um „sechs-, sieben-, achthundert Milliarden Euro pro Jahr“, sagte er. „Die wird kein Staat finanzieren, sondern insgesamt der Kapitalmarkt.“

Aber der Kapitalmarkt in Deutschland und Europa sei schwach und „bei weitem nicht so stark wie der in den USA“. Darum, so Voelkel, listen große deutsche Unternehmen wie Linde, Biontech oder Birkenstock lieber in den Vereinigten Staaten: „Wir hatten im letzten Jahr in den USA über 100 Börsengänge – in Deutschland drei.“ Und die Kapitalmarkt-Union, auf die zuvor Commerzbank-Chef Knof leise Hoffnungen gesetzt habe, „gibt es nur auf dem Papier“.

„Mehr Anreize und weniger Regulierung“ würden benötigt, um vermögende Kunden, aber auch Durchschnittsanleger in den Kapitalmarkt zu bringen, warb UBS-Europe-Chef Vogel. Bislang sei es für normale Anleger kaum möglich, etwa in Private Equity zu gehen. Das müsse sich ändern. „Aufgrund der Größe der Volkswirtschaft hätten wir den tiefsten und breitesten Kapitalmarkt, und das ist eine Chance, die wir nutzen müssen.“

Disruptionen? Kriege gab es immer!

Erwartung der Kunden bleibt

Der Begriff der Disruption muss oft als Erklärung herhalten, wenn Dinge anders als geplant verlaufen. Carsten Klude, Chefvolkswirt der Privatbank M.W. Warburg, mahnte da zu mehr Gelassenheit. „Es gab immer Veränderungen“, sagte er. „Kriege hat es immer gegeben, Pandemien hat es immer gegeben“, darum könne man gar nicht sagen, dass „2024 ein besonders disruptives Jahr ist“. Was aber bleibe, „ist die Erwartung der Kunden an die Bank oder den Vermögensverwalter, das bleibt!“

Klude glaubt, dass es in Deutschland „langsam aufwärts geht“, es gebe „immerhin Mini-Wachstum“. Die EZB habe bereits Zinskürzungen signalisiert, es werde ab Juni „vielleicht drei in diesem Jahr“ geben. Er empfahl Anlegern weniger Risikoscheue plus, natürlich virtuelle, Scheuklappen, die man Pferden anlegt, damit sie nicht immer auf mögliche Gefahren schauen.

Oder man muss Risiken bewusst etwas entgegensetzen. Voelkel erzählte von aktuellen Begegnungen mit Unternehmern in Israel. Viele seien familiär direkt betroffen worden vom Hamas-Terror, dennoch gebe es kein Abgehen vom Vorwärtsgerichtetsein“. So seien die Immobilienpreise in den Regionen im Norden und im Süden, in denen Hisbollah- und Hamas-Raketen eingeschlagen hätten, nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, gesunken: „Das Gegenteil ist der Fall.“

Was beweist, dass es auch in Krisenzeiten keine Verpflichtung zur Verzagtheit gibt.

Sie können den Ludwig-Erhard-Gipfel live unter www.leg-live.de verfolgen. Den Ticker zum Gipfel finden Sie hier.

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