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Management > Interview mit Christian Roedl

„Es darf keine Tabus geben“

Christian Roedl, Chef von Roedl & Partner, über die Wahl des richtigen Beraters, ­falsche Verschwiegenheit in Familienunternehmen und Trennungsgründe.

Christian Roedl ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Vorsitzender der Geschäfts­leitung der Beratung Roedl & Partner aus Nürnberg mit mehr als 100 Standorten in rund 50 Ländern. Bildquelle © Andreas Schier

Das Gespräch führte Anke Henrich.

Herr Roedl, die Nachfrage nach Beratungs­leistungen boomt. Ist die Lage so schwierig, sind die Unternehmen überfordert oder brauchen Chefs einen Experten von außen, um sich intern durchzusetzen?

Es liegt vor allem an der stark zunehmenden Regulierung und der daraus entstandenen Bürokratie. Nehmen wir Lieferketten, Sorgfaltspflichten, Regulierungen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz, Umweltfragen, die gesamte nicht-finanzielle Berichterstattung, Dokumentationen zu allem Möglichen. Wir beobachten, dass die zuständigen Behörden oft selbst überfordert, personell unterbesetzt und weder effizient noch digitalisiert sind. Zugleich haben die Mittelständler zunehmend Probleme, wegen der Personalknappheit selbst die nötigen Kapazitäten bei sich aufzubauen.

Und wo bekommen die Beratungsfirmen die ­nötigen neuen Experten so schnell?

Die Nachfrage führt dazu, dass auch in unserer Branche die Kapazitäten knapp sind. Für uns ist es strategisch momentan die erste Priorität, ausreichend gute Leute zu bekommen. Viele etablierte Berater, und das ist schmerzhaft, können nicht mehr alle Aufträge annehmen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Beratungen, die sich sonst knapp über Wasser halten, dadurch jetzt auch Aufträge bekommen.

Manche beherrschen vor allem den einnehmenden ersten Eindruck und PowerPoint-Präsentationen. Woran erkennt man einen guten Berater?

Fangen wir bei der Auswahl an. Ein guter Berater bietet Referenzen an und den Kontakt zu ehemaligen Kunden oder Bestandskunden. Er kann erforderliche spezifische Fachkenntnisse nachweisen. Ist jemand häufiger Referent bei renommierten Veranstaltungen zu bestimmten Themen, ist das schon ein Indiz, dass er zumindest die spezifische Fachkenntnis hat. Auch Banken haben oft einen guten Marktüberblick bei den Beratungen. Das erste Gespräch mit ihm sollte klären, wie er grundsätzlich an solche Aufgaben herangeht. Wir reden hier aber nicht nur über Fachkompetenz. Servicekompetenz ist genauso wichtig. Ich finde es gut, den Berater zu besuchen und sich ein Bild vor Ort zu machen. Dabei geht es um vermeintlich banale Dinge wie: Wie freundlich wird man empfangen? Und die besten Experten nützen nichts, wenn Sie die nicht erreichen können oder wenn sie ihre Deadlines nie halten können. Wichtig ist, dass es ein Kümmerer ist.

Wie sicher sind vertrauliche Daten bei einem Berater?

Fragen Sie ihn! Bietet er eine eigene, sichere Plattform an? Gibt es funktionierende, abgesicherte Schnittstellen für große Datenmengen? Kann er Zertifizierungen nachweisen? Nutzt er ungeschützte E-Mails oder hat einen eigenen, sicheren Kanal? Der Berater muss dem Auftraggeber eine eigene Sicherheitsarchitektur nachweisen und am besten schon aktiv kommun­izieren.

Und die Chemie?

Die sehe ich als Ausschlussfaktor, wenn die Persönlichkeiten nicht zusammenpassen.
Worauf achtet seinerseits der erfahrene Berater beim ersten Anbahnungsgespräch?
Er wird in einer sehr frühen Phase des Projekts, vielleicht schon vor der Beauftragung, die Erwartungshaltung und Veränderungsbereitschaft des Unternehmers abklären. Da darf es keine Tabus geben und auch die Organisation muss veränderungsbereit sein. Der Kunde muss mit offenen Karten spielen.

Wie wichtig sind die Skills des Beraters nicht nur für die Strategie, sondern vor allem für die Umsetzung?

Es ist wichtig, dass er erkannte Defizite in einem Unternehmen wertschätzend transportieren kann. Also erst mal diplomatisch, aber trotzdem verständlich, auf die positiven Eigenschaften des Unternehmens hinweist. Erfolgserlebnisse aus der ersten Projektphase zeigen den Skeptikern: Mensch, hier tut sich was. Danach haben es die problematischeren Projektschritte einfacher. Aber dann muss klar formuliert werden: Diese Punkte müssen wir in Angriff nehmen. Ein Berater muss Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Rolle der Geschäftsführung haben, entweder um das Machbare zu erarbeiten und umzusetzen oder um einen anderen Plan zu erarbeiten.

Und wenn im Hintergrund eine Familienfehde schwelt oder die Geschäftsführung in operative Verweigerungshaltung geht?

Dann muss er das ansprechen. Aber nicht im großen Kreis und erst recht nicht, wenn Leute dabei sind, die es nichts angeht. Zunächst mal unter vier Augen mit dem Betroffenen, also beispielsweise mit dem Unternehmer, wenn es um die heikelste aller Fragen geht, nämlich den Willen und die Eignung ins Auge gefasster Nachfolger. Wir sehen immer wieder Unternehmerfamilien, in denen über Jahre über Schwieriges einfach nicht gesprochen wird. Gerade was Nachfolgethemen anbelangt oder Gerechtigkeitsfragen im Geschwisterkreis. Aber wenn der Auftraggeber dem Berater sagt, dass diese Fragen außerhalb seines Auftrags liegen, dann ist das so.

Gibt es einen Punkt, nach dem die Zusammenarbeit mit einem Berater definitiv enden sollte?

Ein Vertrauensbruch ist ganz schlimm, etwa wenn er unabgestimmt Gespräche mit Dritten führt oder Vertrauliches offenbart, das er am Rand eines Gesprächs mitbekommen hat. Das sind häufig keine fachlichen Verhandlungspunkte, sondern familiäre Themen. Wenn so etwas passiert, kann man sagen: ,Danke, wir trennen uns hier.‘ Aber der Auftraggeber sollte sich auch sicher sein, dass kein Missverständnis vorliegt oder gerade Negatives auf den Berater geschoben wird. Instrumentalisiert zu werden, ist für uns Berater ein Klassiker. Im Hinblick auf das Thema Referenz muss ich hier noch etwas ergänzen: Ein gescheitertes Projekt hat in der Regel mehrere Ursachen. Vielleicht ist eine davon der Berater. Aber häufig gibt es doch verschiedene Ursachen.

Müssen wir jetzt Mitleid haben mit den Beratern?

Sicher nicht, wir haben da ein dickes Fell und bekommen gutes Honorar. Tatsächlich wissen Sie in unserem Beruf aber oft nicht, was im Unternehmen zwischen Geschäftsleitung, Inhaber oder Abteilungsleiter kommuniziert wird. Da muss ein Berater schon aufpassen, dass seine Reputation nicht zu Unrecht beschädigt wird. Es gibt eben manchmal auch Mandanten oder Kunden, die glauben, alles besser zu wissen. Das müssen Berater selbstbewusst erklären, warum sie bestimmte Dinge wie machen, warum es anders leider nicht funktioniert und warum Google oder ChatGPT noch nicht so weit sind, Berater zu ersetzen.

Wie schnell wird man einen schlechten Berater dann los?

Beraterverträge kann man in der Regel jederzeit kündigen.

Wann ist eine Beratungsboutique die bessere Lösung als ein Beratungskonzern?

Das lässt sich schwer pauschalisieren. Zudem ist nicht jede kleine Beratung schon eine Boutique mit Experten. Wenn die Boutique ausreichende Fachkenntnis hat, ist sie eine gute Alternative zu einem großen Berater. Wenn es darum geht, in größeren Organisationen Projekte auch international umzusetzen, dann benötigt man schon ein größeres Beratungsunternehmen.

Da widersprechen die Boutique-Berater und loben ihre Netzwerke.

Wir waren selbst vor 30 Jahren Mitglied in einem Netzwerk und sehr enttäuscht. Sie können ihre Netzwerkpartner nicht selbst auswählen, die Projekte nicht selbst priorisieren oder entscheiden, welche Kollegen auf ein Projekt gesetzt werden. Die Qualitätssicherung haben sie auch nicht selbst in der Hand. Mir sind eingespielte Teams lieber, die sich nicht erst finden müssen. Richtig ist aber, dass die kleineren Anbieter oft die bessere Kostenstruktur haben.

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