Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Personal > Übersicht

Fachkräftemangel in Deutschland: Was der Mittelstand tun kann

Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen für den deutschen Mittelstand – auf dem platten Land genauso wie in den Industrieregionen in Süddeutschland. Was hat es mit dem Begriff auf sich? Und wie können Mittelständler trotzdem qualifizierte Mitarbeiter finden?

Gerade Mittelständler klagen über den Fachkräftemangel in Deutschland. Sie haben es häufig besonders schwer, das passende Personal zu finden. Denn die Unternehmen sind oft unbekannt und nicht selten in der Provinz angesiedelt. Dort ist der Fachkräftebedarf aufgrund der boomenden Gesamtwirtschaft, der oft besonders erfolgreichen Industriebetriebe („Hidden Champions“) und der Präferenz junger Generationen, vom Land in die großen Städte zu ziehen, groß. Entsprechend schwierig ist es, junge Ingenieure oder zum Beispiel Fachkräfte in IT und Chemie zu finden.

Fachkräftemangel: Versuch einer Definition

Ab wann man von einem – möglicherweise sogar flächendeckenden – Fachkräftemangel sprechen kann, lässt sich schwer definieren. Grob gesagt existiert Fachkräftemangel dann, wenn „eine bedeutende Anzahl von Arbeitsplätzen für Mitarbeiter mit bestimmten Fähigkeiten nicht besetzt werden kann, weil auf dem Arbeitsmarkt keine entsprechend qualifizierten Mitarbeiter (Fachkräfte) zur Verfügung stehen“, wie die Onlineenzyklopädie Wikipedia schreibt. Aber was heißt in diesem Fall „bedeutend“? Und besteht Fachkräftemangel schon dann, wenn die Besetzung einer vakanten Stelle länger dauert als in der Vergangenheit?

 

Viele Experten – zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit – sprechen daher nicht von einem „generellen Fachkräftemangel in Deutschland“. Auch der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, sagt: „Einen flächendeckenden Fachkräftemangel sehe ich nicht. Noch nicht.“ Manche Kritiker nehmen sogar das Wort „Lüge“ in den Mund – schließlich gebe es angesichts weiterhin existierender Arbeitslosigkeit genügend potentielle Arbeitskräfte auf dem Markt. Man müsse sie nur finden und ausbilden.

Ist das Problem also nur ein Mythos – oder ist der Mangel Realität? Fakt ist: Viele Unternehmen tun sich schwer, passende Mitarbeiter – ob ausgebildet oder ausbildungswillig – zu finden. Teilweise liegt es an der Branche oder der Berufsgruppe – bei Ingenieuren wird der Fachkräftemangel von kaum jemandem bezweifelt –, teilweise aber auch an anderen Faktoren. So kann Firma A sehr lange nach einem passenden Bewerber suchen, während Firma B aus zahlreichen Aspiranten für denselben Job auswählen kann. Neben einem möglicherweise unterschiedlichen Gehalt kann das an vielen weiteren Dingen liegen: Vielleicht liegt Firma A in der Provinz und hat deshalb Probleme, junge qualifizierte Menschen anzulocken. Vielleicht ist Firma B einfach bekannter und fällt fast jedem Bewerber als erstes ein. Vielleicht hat Firma C – gerechtfertigt oder ungerechtfertigt – einen schlechten Ruf.

Fakt ist jedenfalls: In Umfragen wird der Fachkräftemangel regelmäßig als größtes Problem des Mittelstandes genannt.

Fachkräftemangel: Maßnahmen zur Personalgewinnung und Fachkräftesicherung

Zahlreiche Mittelständler versuchen jedenfalls mit mitunter kreativen Methoden, Fachkräfte zu finden. Wir stellen einige Ansätze von Ihnen – und ihre Ansätze vor:

  • Das badische Unternehmen FSM motiviert seine Mitarbeiter, von vier auf zwei Räder umzusteigen. Geschäftsführer Konrad Molz erhofft sich motiviertere und gesündere Arbeitskräfte – und fährt mit gutem Beispiel voran.
  • Auch das Unternehmen Keller Lufttechnik möchte die Motivation seiner Angestellten erhöhen. Daher gibt es bei dem Mittelständler regelmäßig Mitarbeiterbefragungen. So wissen die Führungskräfte frühzeitig, wo der Schuh in der Belegschaft drückt und können gegensteuern. Das erhöht die Zufriedenheit der Arbeitnehmer und damit auch die Mitarbeiterbindung.
  • Mit Hilfe eines Innovation-Labs mit ständig wechselnden Werkstudenten will das Softwarehaus Veda mittelfristig neue Mitarbeiter gewinnen – und kurzfristig mit neuen Ideen die eigenen Produkte verbessern. Bei der Steuerung des Projektes hält sich das Unternehmen zurück.
  • Um Nachwuchs-Fachkräfte an sein Unternehmen und die Region zu binden, kooperiert Bernd Kußmaul, Geschäftsführer des gleichnamigen Spezialisten für Oberflächenbearbeitung im Raum Stuttgart, mit anderen Unternehmen – und den örtlichen Fußballclubs. 
  • Auch der Anlagenbauer Peter Huber Kältemaschinentechnik setzt beim Recruiting auf den Fußball – allerdings auf den Profisport. Der Mittelständler ist Sponsor des Fußballbundesligisten SC Freiburg. Dadurch konnte das Unternehmen seine Bekanntheit bei potentiellen Bewerbern deutlich steigen. Zudem benutzt es die Jobbörse des Fußballvereins. 
  • Das münsterländische IT-Unternehmen Dvelop bewirbt sich bei den Bewerben – und das schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt.
  • Die Schuler Group bildet in ihrem Standort in Mexiko Mechatroniker, Industrie- und Werkzeugmechaniker dual selber aus, da es vor Ort ansonsten zu wenig Fachkräfte gäbe.

Aus dem Archiv: Wie mittelständische Unternehmen Mitarbeiter aufs Land locken

Auch andere Unternehmen im ländlichen Raum versuchen, Fachkräfte in die Provinz zu locken – oder zu verhindern, dass diese nach der Schule wegziehen. In diesem Artikel aus dem „Markt und Mittelstand“-Archiv stellen wir einige von ihnen vor. [weiterlesen]

Viele Mittelständler nutzen auch Online-Jobbörsen, um dem Fachkräftemangel zu trotzen und Mitarbeiter zu finden. Wir haben uns einige der Angebote im Internet angeschaut. Und auch Google will in Zukunft bei der Onlinejobsuche mitmischen.

Wichtig ist natürlich auch das Thema Mitarbeiterbindung. Denn einen Mitarbeiter bzw. eine Fachkraft, die mein Unternehmen nicht verlässt, muss ich auch nicht ersetzen. Das Spanntechnikunternehmen AMF bietet zum Beispiel freie Nachmittage bei Geburtstag und Jubiläen, regelmäßige Weiterbildungsangebote und eine Erfolgsbeteiligung am positiven Unternehmenserfolg. „Besonders wichtig ist uns das Thema Gesundheit“, sagt Geschäftsführer Johannes Maier im Interview. „Um das zu gewährleisten, haben wir ein hauseigenes Betriebsrestaurant, darüber hinaus gibt es Kooperationen mit Fitnessstudios und einem Freizeitbad oder Workshops zu Yoga oder Selbstverteidigung.“ Neben einer Kantine für die Mitarbeiter können Unternehmen auch über andere bauliche Maßnahmen die Mitarbeiter an sich binden. Hierbei spielt besonders die Digitalisierung der Gewerbeimmobilien eine Rolle. 

Auch Initiativbewerbungen von interessanten Kandidaten können helfen, die Effekte des Fachkräftemangels abzumildern. „Ich bin ein großer Freund von Initiativbewerbungen, weil diese Jobsuchenden oft eine Extraportion Motivation mitbringen“, sagt zum Beispiel Maike Sippmann, Personalreferentin von RSI Blitzschutzsysteme. In dem Unternehmen werden potentielle Bewerber systematisch aufgerufen, sich auch auf nicht ausgeschriebene Stellen zu bewerben.

Einen anderen Weg geht der Glashersteller Wetzlich Optik-Präzision. Weil es in manchen Bereichen – etwa der IT – für den Mittelständler schwierig ist, geeignete Fachkräfte zu finden, stellt der Mittelständler gezielt branchenfremde Bewerber ein und bildet sie weiter – bislang mit guten Resultaten. So profitiert das Unternehmen etwa von den gesammelten Erfahrungen des Produktionsleiters, der zuvor in einer Großbäckerei gearbeitet hat.  

Viele Betriebe bilden ihre Fachkräfte selber aus. „Um auch das inländische Fachkräftepotenzial stärker auszuschöpfen, modernisieren wir unsere Aus- und Fortbildungsordnungen im Hinblick auf die Digitalisierung“, heißt es zum Beispiel in der Mittelstandsstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums. Doch auch die Azubisuche  wird immer schwieriger. Denn nicht zuletzt auch, weil immer mehr junge Menschen lieber studieren wollen als eine Ausbildung zu absolvieren, fehlen die Interessenten. 2018 blieben in jedem dritten Betrieb Ausbildungsplätze frei.

Fachkräfte aus dem Ausland: Sind Zuwanderer die Lösung des Fachkräftemangels?

Nachdem spätestens ab 2015 zahlreiche Flüchtlinge nach Deutschland kamen, wurde immer wieder diskutiert, ob durch sie der Fachkräftemangel zumindest entschärft würde. Experten und Wirtschaftsvertreter sind uneins: Zwar haben viele nach Deutschland geflüchtete Menschen mittlerweile einen Job oder einen Ausbildungsplatz, mancherorts ist aber auch Ernüchterung eingekehrt. Viele Unternehmer zeigen sich von Ausländerbehörden, der Verwaltung und der Politik alleingelassen. Und manche von ihnen sind einfach unsicher über die rechtlichen Lage.

Themenschwerpunkt: Flüchtlinge und der Arbeitsmarkt

Was zu beachten ist, wenn man Flüchtlinge einstellen möchte, treibt derzeit viele Unternehmer um. Wir haben die wichtigsten Infos gesammelt - und berichten, wie sich Theorie und Praxis unterscheiden. [weiterlesen]

Zumindest für Zuwanderer, die nicht als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, sollen die Hürden, hierzulande zu arbeiten, sinken. Das zumindest ist das erklärte Ziel der Bundesregierung und dem von ihr auf den Weg gebrachten Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Doch Kritiker befürchten neue bürokratische Hürden.

Fachkräftemangel: Statistiken und Studien

Auch wenn es schwierig ist, den Fachkräftemangel mit Daten und Zahlen zu fassen, geben einige Statistiken und Studien darüber Auskunft, wie sich die Situation in Deutschland in den vergangenen Jahren geändert hat.

  • Rund 150 Ausbildungsberufe stehen derzeit auf der Positivliste der Bundesagentur für Arbeit. Sie zeigt halbjährlich an, in welchen Bereichen der Fachkräftemangel besonders schlimm ist – und durch qualifizierte Zuwanderung gemindert werden soll.
  • Seit langem werden in Unternehmerbefragungen der Fachkräftemangel und die Suche nach passendem Personal als eine der größten Herausforderungen und Schwierigkeiten genannt. Zum Beispiel in einer Studie des DIHK im Sommer 2018, als zwei Drittel der befragten Unternehmer hierin ein Geschäftsrisiko sahen.
  • Bei einer Befragung unter Firmenkundenbetreuern  von mittelständischen Kunden der Sparkassengruppe gaben 98,8 Prozent der Betreuer an, dass ihre Kunden das Thema Personal/Fachkräfte eher als Risiko denn als Chance für ihren wirtschaftlichen Erfolg sehen.
  • Noch schwieriger, als ausgebildete Fachkräfte zu finden, ist es mitunter, junge Menschen an sich zu binden, die eine Ausbildung machen wollen. Meist heißt es, dass die jungen Leute alle studieren wollen und keiner mehr eine Ausbildung. Dass das nur teilweise stimmt, zeigt eine Studie der Deutschen Apotheker- und Ärztebank. Die Untersuchung zeigt auch, wo sich die jungen Leute über potenzielle Azubi-Angebote informieren: vor allem im Internet. Doch neben Google und den sozialen Medien spielt auch der persönliche Kontakt immer noch eine große Rolle. Das zeigt, dass mittelständische Unternehmen für ihr Recruiting eine immer breitere Klaviatur beherrschen müssen, als in der Vergangenheit. Fachkräftemangel ist damit nicht selten auch die Folge eines Kompetenzmangels bei modernen Formen des Recruitings.
  • Laut einer Statistik des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung auf Grundlage von Daten der Bundesagentur für Arbeit herrschte im Jahr 2016 vor allem in Süddeutschland ein Fachkräfteengpass. In manchen bayerischen und baden-württembergischen Landkreisen waren demnach mehr als 90 Prozent der Stellen in sogenannten Engpassberufen ausgeschrieben. Das sind solche Berufe, in denen es in der Regel sehr lange dauert, eine Stelle nachzubesetzen. Allerdings waren dort auch deutlich mehr Berufe von Engpässen betroffen als etwa in Brandenburg.

Gründe für den Fachkräftemangel

Für den Fachkräftemangel gibt es mehrere Gründe: Erstens scheint der mittlerweile langanhaltende Konjunkturboom insbesondere der produzierenden Industrie in Deutschland für einen erhöhten Fachkräftebedarf und damit langfristig auch einen Personalmangel zu sorgen. Zudem sind in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche neue Jobprofile entstanden, für die es bislang kaum geeignete Fachkräfte gibt. Zweitens sind gerade im Handwerk und in der produzierenden Industrie einige Berufsbilder und Jobs in den vergangenen Jahren unpopulär geworden – nicht zuletzt aufgrund erhöhter Abiturs- und Studienraten in der gesamten Gesellschaft. So gibt es in einigen Berufen, für die ein Universitätsabschluss nötig ist, nach wie vor einen Kandidaten-Überschuss, während in zahlreichen Jobs mit niedrigerem Anforderungsprofil die Bewerber fehlen.

Als wichtiger Grund kommt der demografische Wandel hinzu: Deutschland wird immer älter, viele Mitarbeiter gehen in Rente, nur wenige kommen nach. Zwar gibt es auch immer mehr Ruheständler, die ihre Rente aufbessern und in ihrem Job – meist in Teilzeit – weiterarbeiten. Aber das kann das grundsätzliche Problem nur abmildern. 

In den kommenden Jahren werden vermehrt Mitglieder der sogenannten Generation Z auf den Arbeitsmarkt kommen. Der Ruf der jungen Leute ist nicht der beste. Sie seien unselbstständig, faul und smartphonesüchtig heißt es oft. Aber stimmen die Klischees auch? „Markt und Mittelstand“ hat darüber mit Tatjana B. gesprochen. Die 22-Jährige absolviert derzeit eine kaufmännische Ausbildung bei einem Mittelständler in Gießen.

Fachkräftemangel nur in Deutschland?

In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Mittelständler aus Deutschland bei der Fachkräftesuche auch in die umliegenden Staaten geschaut – die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU und verschiedene Regelungen wie etwa die „Blue Card“ machen es möglich. Der Solarunternehmer Konstantin Strasser (MEP-Werke) hat sogar ein Trainings- und Ausbildungszentrum für neue Mitarbeiter aus Südosteuropa eröffnet.

Doch mittlerweile greift der Fachkräftemangel auch auf andere Staaten über. Gerade in Westeuropa aus ähnlichen Gründen wie in Deutschland – also unter anderem dem demografischen Wandel. In Ost- und Mitteleuropa hingegen spielt auch die nationalistische und populistische Politik der regierenden Parteien und Politiker eine entscheidende Rolle.

Fachkräftemangel: Die positive Seite

Aus Sicht der Bewerber hat der Fachkräftemangel sein Gutes: Unternehmen sind mehr und mehr gezwungen, sich auch um solche potentiellen Mitarbeiter zu kümmern, die es auf dem Arbeitsmarkt traditionell schwer hatten. So wirbt Thomas Kaysser für seinen Metallbaubetrieb gezielt mehr körperlich behinderte Fachkräfte an und profitiert von deren Loyalität und Netzwerken. Die so fast zwangsläufig höhere Diversity in der Belegschaft kann den Unternehmen an anderer Stelle aber auch zugutekommen. Denn Studien weisen darauf hin, dass vielfältige Teams viele Probleme besser lösen können.

Auch die Frage, wo jemand studiert hat, wird immer weniger wichtig.

Allerdings: Noch tun sich viele Mittelständler schwer, auf den ersten Blick „untypische“ Bewerber einzustellen – oder erst zu erreichen. So ist der Anteil von Frauen in vielen technischen Berufen auch heute noch sehr gering. Dabei sind die Anforderungen, die junge Frauen an potentielle Arbeitgeber stellen die gleichen wie die der Männer: „Am wichtigsten ist mir ein sicherer Arbeitsplatz“, sagt eine der wenigen Maschinenbaustudentinnen im Interview. Sie war unter anderem durch einen Girls' Day auf ihren späteren Beruf aufmerksam geworden.

Einen besonderen Weg zu mehr Diversität geht auch der Elektrobetrieb Bürkle + Schöck: Das Unternehmen hat anonyme Bewerbungen eingeführt. Über einen Onlinefragebogen kann man sichohne die Angabe zum Beispiel von Name, Geschlecht und Noten bewerben.

Der Artikel wurde am 7. Januar 2019 erstellt und zuletzt am 07. Februar 2020 aktualisiert.

Ähnliche Artikel