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Management > Efficient Energy in der Krise

Insolvenz als zweite Chance

Ein Investor springt ab, bei Efficient Energy kommt nicht die Expansion, sondern die Pleite. Dennoch hat die innovative Firma gute Chancen auf neue Geldgeber.

Führungsteam Efficient Energy
Auch in der Krise ist das Führungsteam von Efficient Energy optimistisch (v.l.): Thomas Bartmann (Market Transformation), Daniel Porzig (CTO), Georg Dietrich (CEO) und Matthias Adler (CSO). Bild: Efficient Energy

Innovatives Produkt, eingeschworenes Team, zahlreiche Patente, belastbarer Businessplan, Umsatzwachstum: Es läuft rund für Efficient Energy, die Kältesysteme mit Wasser als Kältemittel herstellen – ohne schädliche Chemikalien. Die Finanzierung des Unternehmens aus Feldkirchen bei München ist solide: Finanzinvestoren, Family Offices. Bis Ende Mai 2023, als ein neuer Investor den ausgehandelten Vertrag dann doch nicht unterzeichnen will. Die Altinvestoren winken ab. Und plötzlich hängt alles in der Luft. Insolvenz.

Das Unternehmen ist nicht allein. Und die Zahlen steigen. Im Juni haben 13,9 Prozent mehr Firmen einen entsprechenden Antrag gestellt als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat. Allerdings ist der Fall etwas besonders. Es gibt ein Industrieprodukt, dass sich bereits verkauft. Der Markt wächst. Was fehlt, ist ein Investor.

Statt die Produktion gemeinsam mit einem neuen Partner zu industrialisieren und den europäischen Markt anzugehen, muss Firmenchef Georg Dietrich jetzt gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Matthias Hofmann von Pohlmann Hofmann Interessenten aus aller Welt überzeugen, dass das Unternehmen enormes Potenzial hat. Die Zeit drängt: Bis Ende August muss ein Investor gefunden werden, solange läuft das vorläufige Insolvenzverfahren. Ob es Efficient Energy danach noch gibt, ist unklar.

Doch Hofmann und Dietrich sehen die positiven Seiten der Insolvenz: „Wir haben ja eine Fortführungsoption“, sagt Dietrich. „Wir suchen Investoren und wir arbeiten weiter. Wir liefern und stellen den Service der Anlagen sicher. Das Team von rund 100 Beschäftigten ist dabei. Und bisher ist auch kein Kunde abgesprungen.“ Für einen Investor hat der Kauf aus der Insolvenz heraus auch Vorteile, wie Hofmann sagt: „Es gibt keine Haftungsrisiken aus Altschulden. Und der Investor kann sich die besten Teile nehmen, Verträge nach seinen Wünschen neu verhandeln.“ Solch eine Insolvenz sei immer eine Chance und nicht zwingend schlecht.

Das Unternehmen wurde 2006 gegründet, hat aber Züge eines Start-ups. Und das macht die Insolvenz etwas komplizierter als andere: Ein Start-up schreibt in der Regel bei wachsendem Umsatz noch rote Zahlen, Verluste müssen durch Investorengeld ausgeglichen werden. „Das Unternehmen braucht Kapital von außen“, sagt Hofmann. Geld ist also knapp. Anders als manches Internet-Start-up hat Efficient Energy allerdings marktfähige Produkte und mehr als 200 weltweite Patente in einem internationalen Wachstumsmarkt.

Auch im Zusammenhang mit der Insolvenz hat Efficient Energy einiges richtig gemacht. „Das Unternehmen hat schon mal eine sehr wichtige Regel beherzigt: Den Antrag sehr schnell zu stellen und nicht noch auf eigene Faust zu versuchen, etwas zu retten“, sagt Hofmann. „Deshalb ist auch noch Liquidität für die nächsten Wochen da.“ Was seine Arbeit etwas erleichtert und die Chancen für die Kältespezialisten erhöht.

Hofmann arbeitet bei Efficient Energy mit der Unternehmensberatung SGP Corporate Finance aus München zusammen, die zur Wirtschaftskanzlei Schneider Geiwitz gehört. Rund 270 mögliche Investoren weltweit sind angesprochen worden, die ersten schauen sich bereits intensiv die Firmendaten an – Zahlen und Technik. Denn die hat es in sich.

Rund 100 Millionen Euro haben die Altinvestoren über die Jahre in das Unternehmen gesteckt. Dietrich spricht von einer Schlüsseltechnologie für den Klimawandel, die sie entwickelt haben: Die eChiller genannten Geräte kühlen mit Wasser statt giftigen F-Gasen wie klassische Kühlanlagen. Das F steht für Fluor. Die Geräte von Efficient Energy verbrauchen zudem bis zu 80 Prozent weniger Energie, wie das Umweltbundesamt ermittelt hat.

Weil F-Gase klimaschädlich sind und perspektivisch weltweit Verbote drohen – wie schon die Vorgänger FCKW –, bietet sich Dietrich zufolge ein großer Markt für das Unternehmen. Denn viele etablierte Hersteller hätten auf die F-Gase gesetzt, jetzt fehlen viele Anschlusstechnologien, die nachhaltig, sicher und energieeffizient sind. Und der Kältemarkt ist ein gigantischer Milliarden-Markt. Konzerne wie Siemens, British Telecom, Gardena und Trumpf nutzen die Efficient-Energy-Anlagen, die bisher in einem Manufakturbetrieb entstehen. Und auch das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) setzt auf eChiller.

Der Businessplan sah vor, einen Industriepartner zu bekommen, der nicht nur Geld gibt, sondern jetzt auch die Produktion auf einen industriellen Maßstab bringt. Massenfertigung senkt schließlich die Kosten. Und Efficient Energy wollte den europäischen Markt erobern. Der Umsatz, noch im einstelligen Millionenbereich, sollte kräftig zulegen, Wachstumszahlen von 40 Prozent im Quartal gab es schon. „Der Fahrplan ist sehr klar, wir haben Angebote von Lieferanten, wir brauchen nur jemanden, der uns bei der Umsetzung unterstützt“, sagt Dietrich.

Eigentlich dachten sie, sie hätten ihn gefunden. Das Unternehmen handelte Verträge aus, es ging um einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Der neue Investor unterschrieb dann aber nicht. Wegen des Ukraine-Kriegs war die Lage im Kerngeschäft schwieriger, man wollte sich darauf konzentrieren. Die Altinvestoren von Efficient Energy, darunter das Family Office der Brüder Strüngmann, die mit dem Pharmaunternehmen Hexal reich wurden, und die Münchener Investmentgesellschaft MiG wollten auch nicht nachschießen und schrieben lieber das Investment ab. Auf Anfrage gab es keinen Kommentar.

Jetzt muss es also schnell gehen für Dietrich und sein Team. Anfang September wird das Insolvenzverfahren eröffnet werden. Bis dahin müssen die Gespräche mit den Investoren soweit sein, dass ein Investor das Unternehmen übernehmen kann. Wenn sich niemand findet, der Efficient Energy haben will, müsste der Betrieb dann wieder alle Kosten tragen, was wegen der besonderen Lage als Start-up unmöglich ist, wie Insolvenzverwalter Hofmann sagt. Dass es so weit kommt, glaubt er nicht: „Die Zeitschiene ist sehr eng, aber ich bin zuversichtlich, einen Investor zu finden.“

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