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Management > Unternehmensporträt

Durchblick mit Discount

Brillen.de verbindet ein Onlinekonzept mit klassischen Geschäften und harter Kalkulation. Das ärgert die Traditionsbranche. Kunden mögen es.

Disruptiver Ansatz: Volker Grahl vom Discounter Brillen.de sieht großes Potenzial im Optikermarkt. Der Konkurrenz gefällt das nicht. Bildquelle: Supervista

Brillenkauf ist für viele Menschen lästig. Der lange Weg zum Optiker, Wartezeiten, die Untersuchung, das Angebot an Fassungen ist überwältigend, der Preis oft auch. Das muss doch deutlich einfacher, schneller und vor allem günstiger gehen, dachten sich die Gründer von Brillen.de. Sie setzten auf online, rechneten genau und hatten ein paar smarte Ideen, die die eher traditionelle Branche seither aufmischen. „Wir stehen für Brillen zum Discountpreis“, sagt Vorstandsmitglied Volker Grahl. Sein Versprechen: höchste Qualität für wenig Geld. „Wir bieten bis zu 80 Prozent unter den marktüblichen Preisen an.“ Das Hauptprodukt: Gleitsichtbrillen zum Festpreis. Das Konzept macht Brillen.de zum Außenseiter. „Wir sind an einigen Stellen disruptiv und haben uns dadurch in der Branche nicht nur Freunde gemacht – das ist normal.“ Es funktioniert aber offenbar.

Gegründet hat die Firma Matthias Kamppeter, Augenoptiker aus Bayreuth, und heute Chef des Unternehmens, gemeinsam mit zwei Freunden. Los ging es 2012, da war Grahl noch nicht dabei. Die Anfangsidee war eine Kombination aus persönlicher Beratung im Laden und Onlineanbindung mit schneller Bestellung, standardisierten Produkten und günstigen Preisen. Klar war den Gründern, dass das als reines Onlinegeschäft nicht funktionieren würde. Vor Ort sind Läden nötig, in denen die Kunden von Brillen.de betreut werden. Irgendwer muss schließlich die Sehstärke erfassen. Ideale Partner sind Augenoptikgeschäfte auf dem Land und abseits der großen städtischen Einkaufsstraßen, deren Terminkalender nicht voll und die Umsätze verbesserungswürdig waren. Das Unternehmen wirbt und vergibt Termine über die eigene Webseite, die Optiker verkaufen und bekommen eine Provision.

Im ersten Jahr arbeitete Brillen.de mit 75 Partneroptikern zusammen. Heute sind es allein in Deutschland 331. Dazu kommen 189 eigene Geschäfte. Insgesamt bedient das Unternehmen mehr als 1100 unterschiedliche Verkaufsstellen in sechs Ländern. Inzwischen verkauft Brillen.de im Schnitt etwa 50.000 Brillen im Monat – nur in Deutschland. Das Gesamtmarktvolumen für Brillen und Gläser dürfte in diesem Jahr allein in Deutschland rund 7,5 Milliarden Euro betragen.

Um die Kontrolle über die Kosten zu behalten, setzt das Unternehmen auf eigene Fassungen und eigene Produktion für Gläser. „Wir haben eine sehr schlanke Logistikkette und arbeiten ohne den Zwischenhandel“, sagt Grahl, gelernter Augenoptiker, der seit 2019 dabei ist. Gefertigt wird kostengünstig im chinesischen Schanghai. Die Firma dort arbeitet ausschließlich für Brillen.de. Die Fassungen lässt das Unternehmen in Paris gestalten.

Am liebsten haben es Grahl und das Team, wenn der Kunde beim Optiker ein Gestell der eigenen Marke kauft, das dann nach sieben bis zehn Werktagen aus Schanghai geliefert wird. Aber sie stellen auch Gläser für Fremdgestelle her, in der Regel bereits in die für das Gestell richtige Form geschliffen, sodass der Optiker wenig Arbeit mit der Montage hat. Der Kunde kann auch online bei Brillen.de bezahlen. Abholen muss er die Brille aber im Geschäft. Sie muss schließlich angepasst werden, damit sie richtig sitzt. Für jede verkaufte Brille bekommt der Optiker eine Provision, bis zu 50 Prozent sind drin.

„2019 haben wir dann entschieden, selbst Läden zu eröffnen“, sagt Grahl – mehr Kontrolle, mehr Kostenoptimierung. Die Läden sind in der Regel nicht in den 1 A-Lagen der Städte, meist nur 50 bis 60 Quadratmeter groß, mit wenigen Beschäftigten. „Wir wollen die Personalkosten niedrig halten“, sagt der Manager, ein klassisches Thema der Discounter. „Alle Brillen, Gleitsicht oder Einstärken, gibt es auch zum Festpreis, das macht das Angebot einfach. Und es beschleunigt den Verkauf, weil nichts kompliziert kalkuliert werden muss.“

Sehtest aus dem Homeoffice
Und wie löst Brillen.de das Problem, dass es sehr wenige Augenoptikermeister gibt? Die zudem teuer sind? „Durch ein Augenoptikerteam, das aus dem Homeoffice arbeitet“, sagt Grahl. Der Kunde sitzt im Geschäft vor dem üblichen Sehtest, den der Meister aus der Ferne steuert. Das Ergebnis fließt dann im Geschäft direkt in die Bestellung ein. Und während die Verkaufskraft letzte Einzelheiten mit dem Kunden klärt, macht der Optikermeister bereits den nächsten Sehtest für ein anderes Geschäft.

Das Gesamtkonzept übertrugen die Gründer auf andere Länder – sie sind inzwischen auch in Großbritannien, Italien, Japan, Österreich, Polen und Spanien tätig, dort jeweils unter dem Landesnamen für Brillen, also gafas.eu in Spanien. Erste Tests in den USA liefen auch schon. Mit der Expansion gab sich das Unternehmen mit Supervista einen neuen, übergeordneten Namen. Sitz ist inzwischen in Königs Wusterhausen bei Berlin. Hinter Supervista stehen die Gründer, zahlreiche Einzelanleger und der kalifornische Investitionsfonds TCV, der derzeit Anlagen von rund 21 Milliarden Dollar managt und sich früher auch an Airbnb, Facebook und Netflix beteiligt hat.

Insgesamt ist der Brillenmarkt aus Sicht von Grahl nicht ausgereizt. Schließlich sind da noch Optiker, die bisher nicht mit Brillen.de zusammenarbeiten. Geplant ist eine „Plattform, die alle Belange der Augenoptik abdeckt und es jedem traditionellen Optiker ohne Kosten und Vertragsbindung ermöglicht, konkurrenzfähig mit großen Ketten zu sein und neue Kunden zu erschließen sowie höhere Margen zu haben und den Umsatz enorm zu steigern“. Könnte funktionieren. Bisher sahen sie bei Brillen.de die Zukunft ganz gut voraus.


ZAHLEN & DATEN
Supervista AG
Gründung: 2012
Sitz: Königs Wusterhausen 
Umsatz: 175 Millionen Euro
Mitarbeiter: mehr als 750