Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Zukunftsmärkte > Werbung mit Kunden

Referenzmarketing: bloß keine Logo-Friedhöfe

Beim Referenzmarketing nutzen Mittelständler ihre Kundenbeziehungen für Werbezwecke. Doch wie wird der Auftraggeber zum Testimonial? Und worauf sollten die Unternehmen bei den Kampagnen achten?

Begeisterte Kunden sind die beste Werbung, findet Harry Weiland. „Wenn Kunden gut über die Arbeit sprechen, ist das glaubwürdiger und authentischer als viele andere Marketinginstrumente – und gerade bei der Neukundenakquise überaus wirkungsvoll“, sagt Weiland, der sich mit seinem Beratungsunternehmen Casestudies.biz auf das Thema Referenzmarketing spezialisiert hat. Er sieht im Referenzmarketing die „digitale Fortführung der klassischen Mundpropaganda“.

Indem sie vom Lob anderer profitieren, können mittelständische Unternehmen ihre Projekte vor allem authentisch präsentieren. Das hilft nicht nur bei der Neukundenakquise. Oft vertieft sich so auch das Verhältnis zu bestehenden Kunden. Das Unternehmen Ho Systeme hat diese Erfahrung gemacht. Die über 50 Mitarbeiter des IT-Systemhauses aus Halle in Westfalen haben unter anderem die Videoüberwachung eines Supermarktes installiert, eine Stadtverwaltung bei der Digitalisierung begleitet und ein Seniorenheim mit einem neuen Zeiterfassungssystem ausgestattet. Wie der mittelständische IT-Dienstleister bei diesen Projekten vorgegangen ist, steht auf seiner Unternehmenswebseite. Dort sind die entsprechenden Kundenreferenzen veröffentlicht. „Dass wir einen Einblick in unsere Arbeit und unsere Projekte geben, stärkt die Bindung zu unseren bestehenden Kunden“, erklärt Vertriebsleiter Michael Müller und ergänzt: „Zugleich sorgt es auch bei potentiellen Neukunden für einen Vertrauensvorschuss.“

Gute Story, keine Reklame

Die Geschichten des Softwarehauses sind leicht verständlich: Vorher gab es keine Kameras im Supermarkt, jetzt gibt es sie. Doch was, wenn Komponentenhersteller mit komplexen Produkten ihre zufriedenen Kunden präsentieren wollen – ist die sogenannte „Story“ dann überhaupt zu vermarkten? Jedes Unternehmen im B2B-Sektor könne Kundenreferenzen nutzen, denn letztlich brauche es nur zweierlei: „glückliche Kunden und eine gute Story“, sagt Berater Weiland. Glückliche Kunden sollte jedes Unternehmen spätestens ein halbes Jahr nach seiner Gründung haben. Die gute Story ergebe sich dann meist von ganz allein aus den gemeinsamen Projekten. Was Unternehmen bei der Erstellung einer Referenz allerdings genau im Blick haben sollten: „Eine gut gemachte Referenz ist Information, keine Reklame“, so Weiland. Sie versetze potentielle Kunden in die Lage, eine gute, weil in der Sache begründete Kaufentscheidung zu fällen. Dazu sollten Kundenreferenzen zentrale Fragen beantworten, allen voran solche wie: „Welche Ziele wurden verfolgt, welche Anforderungen gab es, welche Schwierigkeiten sind im Laufe des Projekts aufgetreten, wie wurden diese gelöst, und was hat man am Ende erreicht?“, erklärt Weiland. Wenn eine Kundenreferenz Antworten darauf finde, könne sie auch ihre Stärken ausspielen.

 

Den Informationshunger neuer und bestehender Kunden können mittelständische Unternehmen mit Referenzen auf unterschiedliche Art und Weise stillen. Die Möglichkeiten reichen vom Kundenzitat auf der Webseite über eine gedruckte einseitige Referenz, die Kundenanfragen beigelegt werden kann, oder eine längere Reportage mit Texten und Fotos bis hin zu mehrteiligen, aufwendig produzierten Videoserien. Mindestens so breit aufgestellt ist allerdings auch das Spektrum an möglichen Kosten, die für eine Referenz anfallen können. Für eine einfache Referenz, die die Marketingabteilung selbst recherchiert und erstellt, rechnet IT-Vertriebler Müller mit internen Kosten von rund 250 Euro, für eine umfangreichere Erfolgsstory mit 750 Euro. Sofern ein Unternehmen die Erstellung outsourct, sollte es mit höheren Preisen kalkulieren. Agenturen bieten das Erstellen von Referenzen für niedrige vierstellige Summen an. Bei aufwendigen Videoproduktionen können die Preise durchaus in den fünfstelligen Bereich steigen.

Kundennutzen abbilden

Doch die Investitionen lohnen sich, davon ist Alexander Frass überzeugt. Er leitet den Vertrieb und das Marketing bei der Firma MF Gabelstapler Service aus Henstedt-Ulzburg bei Hamburg. Seit vier Jahren setzt er auf Kundenreferenzen zur Vertriebsunterstützung. „Wenn ein Kunde uns noch nie einen Stapler zur Reparatur gegeben hat, kann er unsere Qualität nicht beurteilen. Dann helfen Referenzen.“ Frass legt großen Wert darauf, dass seine Referenzen unterschiedliche Arten von Gabelstaplern zeigen. Was dabei im Vordergrund steht: nicht das Gerät als solches vorzustellen, sondern mögliche Einsatzzwecke beim Kunden abzubilden. So sind die Referenzen nicht nur im Verkauf einsetzbar, sondern geben auch Einblicke in die Leistungen anderer Geschäftsbereiche des Gabelstaplerhändlers, dazu zählen Reparatur oder andere Dienstleistungen.

 

Die Kunden von Frass kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen und haben daher ganz verschiedene Anforderungen: „Möchte der Kunde mit dem Stapler in die engen Gänge eines Möbellagers fahren, oder ist er ein Baustoffhändler, der mit seinem Stapler besonders schwere Steine bewegen muss?“, erläutert Frass. Stapler für solche Spezialanforderungen bedeuteten hohe Investitionen. Oft möchten neue Kunden deshalb den Stapler vor Ort im Einsatz sehen. „Dann besuchen wir gemeinsam den Referenzgeber, damit sich der Neukunde ein besseres Bild machen kann“, erklärt der Vertriebschef. Worauf Frass ebenfalls großen Wert legt: Bei den Referenzen des Gabelstaplerhändlers steht immer eine reale Person im Mittelpunkt, meist ist es der Ansprechpartner beim Kunden. Dabei sei es wichtig, dass dieser ehrlich und authentisch von seinen Erfahrungen berichtet und dabei auch Probleme, die möglicherweise aufgetaucht sind, nicht verschweigt. 

 

Der positive Effekt selbst kritischer Betrachtungen sollte nicht unterschätzt werden. „Der Mitarbeiter des Kunden, der direkt mit dem Referenzgeber zusammenarbeitet, freut sich und fühlt sich – auch im eigenen Unternehmen – wertgeschätzt, wenn er in einer Referenz erscheint“, erklärt Werbeprofi Weiland. Wovon Mittelständler beim Referenzmarketing zudem profitieren können: von frischem Wind. „Bei der Produktion einer Video-Case-Study etwa verbringen Referenzgeber und Referenznehmer meist einen ganzen Tag abseits der Routine zusammen. Dabei kommen oft Themen auf den Tisch, für die im Alltagsgeschäft keine Zeit bleibt – und nicht selten springt auch noch ein neuer Auftrag dabei heraus“, sagt Berater Weiland. Diese Erfahrungen hat auch Alexander Frass gemacht. Referenzkunden haben bei ihm bereits weitere Stapler bestellt oder zusätzliche Dienstleistungen im Bereich des Flottenmanagementsystems gebucht. „Wenn wir mit einem Kunden eine Referenz erstellen, macht das die Beziehung noch intensiver – dabei können dann auch mal neue Ideen entstehen.“

Meinung gegen Rabatt

Doch wie wird aus einem glücklichen Kunden ein Testimonial für das eigene Unternehmen? Manche Firmen nutzen das Marketinginstrument Referenz bereits in Vertragsverhandlungen: „Fordert ein Kunde etwa in Vertragsverhandlungen einen zusätzlichen Rabatt, lässt dieser sich leichter einräumen, wenn er sich im Gegenzug bereiterklärt, für eine Referenz zur Verfügung zu stehen“, rät Agenturinhaber Weiland. Doch nicht nur rabattwillige Auftraggeber sollten im Marketingportfolio auftauchen, sondern eine breitgefächerte Auswahl an Kundenerfahrungen. „Wir versuchen, mit unseren Referenzen möglichst verschiedene Branchen und Anwendungsbereiche abzudecken“, sagt Vertriebsleiter Michael Müller. Um neue Referenzkunden zu akquirieren, nutze er mit seinem Team einen Referenzbogen. Dort würden die Kunden gefragt, zu welcher Art von Referenz sie bereit seien, so der Vertriebler. Die Resonanz darauf sei positiv. Müller berichtet, dass rund 70 Prozent der angefragten Kunden sich damit einverstanden erklärt hätten, als kostenloser Referenzgeber zu dienen. Die Angaben aus seinem Bogen nutzen die Mitarbeiter der Marketingabteilung dann, um die Referenzen zu erstellen.

 

Das Marketingteam des mittelständischen IT-Unternehmens schickt den Referenzbogen vornehmlich an langjährige Kunden. „Unternehmen, mit denen wir schon mehrere Projekte erfolgreich umgesetzt haben, zeigen eher, was wir zusammen auf die Beine gestellt haben“, erklärt Müller. Interessenten aus der gleichen Branche könnten so auf eine konkrete Bewertung eines abgeschlossenen Projektes und damit eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit zugreifen. Manche Referenzkunden würden mit neuen Interessenten sogar telefonieren oder ihre E-Mail-Adresse austauschen, berichtet er. Hinzu käme, dass langfristige, zufriedene Kunden auch wenig wechselwillig seien. „Wenn man eine Referenz veröffentlicht, kann es natürlich immer mal vorkommen, dass auch die Mitbewerber darauf aufmerksam werden und beim Kunden anrufen“, sagt Müller. Um das zu vermeiden, investiert Ho Systeme in eine enge Kundenbindung, etwa durch Kundenbefragungen und Events.

 

Auch Alexander Frass sieht das Risiko von Abwerbeversuchen, schätzt die Gefahr aber als eher gering ein: „Als Referenzkunden wählen wir nur Unternehmen aus, zu denen wir eine sehr enge Kundenbeziehung pflegen.“ Auf der Unternehmenswebseite des Gabelstaplerhändlers finden sich Beispiele von mittelständischen Kunden ebenso wie das eine oder andere größere Unternehmen. „Der Handel mit Gabelstaplern ist ein sehr regional geprägtes Geschäft. Mit den kleineren, regionalen Firmen können sich viele Kunden identifizieren. Die Namen von größeren Konzernen zeigen, dass wir auch in der Lage sind, größere Aufträge für Konzerne umzusetzen“, erläutert Frass die Strategie.

Inhalte statt Logos

Marketingprofi Harry Weiland rät Unternehmen jedoch davon ab, sich von der Strahlkraft großer Namen blenden zu lassen: „Spannende Geschichten, die das Potential aufzeigen, machen ein Unternehmen attraktiv für Neukunden – egal, ob diese mit einem Großkonzern oder einem kleinen Mittelständler umgesetzt wurden“, sagt er. Gerade in diesem Zusammenhang begingen viele Mittelständler den größten Fehler, den sie im Referenzmarketing machen könnten: „Sie bauen einen Logo-Friedhof.“ So bezeichnet Weiland eine Webseite, auf der die Logos mehrerer Referenzkunden gesammelt sind, oft mit Verlinkungen auf die jeweilige Unternehmensseite, aber ohne tiefergehende Informationen. „Mit solchen Seiten werden keine Inhalte transportiert“, sagt Weiland. Interessierte Kunden könnten nicht nachvollziehen, was genau der Referenzgeber gemacht habe, ob er zum Beispiel ein Großprojekt geleitet oder nur ein Bauteil geliefert habe. „Die Glaubwürdigkeit von reinem Name-Dropping ist gleich null.“

Ähnliche Artikel