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Management > Chef der der MATO GmbH

„Der bürokratische Tsunami endet nicht“

Geschäftsführer Hans-Christian Richter hat erfolgreich internationales Geschäft aufgebaut. Doch die deutsche Bürokratie macht es ihm immer schwerer - selbst wenn er seine europäischen Mitarbeiter besucht.

Hans-Christian Richter ist Geschäftsführer der MATO GmbH & Co. KG in Mülheim am Main.

Herr Richter, ihr Firmenmotto lautet: Wir halten Technik in Bewegung. Wie hält Sie die deutsche Politik in Bewegung? Ihr Unternehmen, die Mato GmbH & Co. KG, stellt mechanische Verbindungselemente für alle Arten von Förder- und Transportbändern her und Geräten zum Applizieren von Schmierstoffen her. Sie bedienen viele unterschiedliche, sehr internationale Märkte.  Wo stoßen Sie auf zu viel Bürokratie? 

Die Frage ist eher: wo nicht und wann nicht? Es ist entsetzlich, denn es vergeht kaum eine Woche ohne neue Regelungen. Unser Exportanteil beträgt nahezu 80 Prozent, wir haben weltweit Tochtergesellschaften. Das bedeutet, neue Auflagen rund um den internationalen Handel betreffen uns fast immer.

Was ärgert Sie konkret? 

Wir verbraten enorm viel Arbeitszeit damit, bürokratische Auflagen, neue Regeln und Gesetze zu erfüllen. Diese Zeit fehlt uns im kreativen Kerngeschäft, der Entwicklung neuer Produkte. Ich habe den Eindruck, für kleine und mittlere Unternehmen wie wir eines sind, interessiert sich in der deutschen Regierung niemand mehr. Ein Beispiel dafür ist das Lieferkettengesetz, wobei Brüsseler Bürokraten noch schlimmer als die Berliner sind.

Zweifeln Sie am Zweck des Gesetzes? 

Für ehrbare Kaufleute gibt es an dem eigentlichen Ziel keinerlei Einwände – dies ist, was ehrbare Kaufleute stets leben wollen. Ich zweifele nicht nur an seiner Umsetzbarkeit für kleine und mittlere Unternehmen. Ich werde beständig von unseren Kunden angesprochen, deren Formulare zur Rückverfolgung ihrer Lieferkette auszufüllen oder online Assessments zu machen. Selbstverständlich wollen wir das alles korrekt beantworten, aber uns fehlen die personellen Möglichkeiten, an alle dafür nötigen Daten unserer Zulieferer zu kommen und sie auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen. Die Anforderungen an uns sind die gleichen wie an einen Konzern, der Heerscharen von Mitarbeitenden mit diesem Thema beschäftigen und Fragebögen an die Zulieferer entwickeln lassen kann. Ich frage mich, ob die völlig praxisfremden Politiker in Brüssel wirklich verstehen, was dieses Gesetz für die Wirtschaft bedeutet. 

Sie selbst engagieren sich in mehreren Verbänden. Viele Lobbyisten wie die DIHK oder der Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer rühmen sich, Gehör in der Politik zu finden.

Tatsache ist, dass die Politik lieber NGOs zuhört als den Unternehmen. Derweil geht die deutsche Wettbewerbsfähigkeit immer mehr den Bach runter. Für mich ist Brüssel mehr und mehr der Sargnagel der europäischen Wirtschaft. 

Die EU verbindet mit ihrem „Green Deal“ auch höhere Nachhaltigkeitsberichtspflichten. Die Intention dahinter ist nachvollziehbar.

Aber sie schießt über das Ziel hinaus. Nehmen Sie PFAS, die geplante Verordnung rund um per- und polyfluorierte Alkylverbindungen in der Chemie. Diese Chemikalienverordnung kam völlig unausgereift in ihren Auswirkungen auf uns Unternehmer zu.

Wie betrifft PFAS ihre Firma? 

Unsere Dichtungen im Ölbereich müssen hochresistent sein. Dazu brauchen wir spezielle Werkstoffe, unter anderem Teflon und Viton. Mehrere Werkstoffe könnten aber von einem möglichen Verbot betroffen sein. Also liege ich jetzt meinen Leuten in der Anwendungstechnik mit Fragen in den Ohren. Wie genau sind wir - oder besser gesagt unsere Lieferanten - betroffen? Was ließe sich womit ersetzen? Wir haben in schon zig Zulieferer angeschrieben und auch dort enorm viele Personalstunden verbraten. Zugleich werden wir ständig weiter beschnitten. Der bürokratische Tsunami endet nicht. 

Wie betrifft das ihre internationalen Tochtergesellschaften? 

Gutes Stichwort, das trifft uns zum Beispiel bei der Mitarbeiterentsendung ins Ausland und der berüchtigten A1- Bescheinigung. Für den kürzesten Kundenkontakt oder Aufenthalt in den Büros unserer ausländischen Niederlassungen muss jeder Mitarbeiter den gesamten Aufwand betreiben. Und diesen Anspruch soll kein deutscher Politiker auf Brüssel schieben! Die Deutschen betreiben das bis zum Exzess. Unsere Mitarbeiter in Frankreich oder Spanien schauen mich bei dem Thema mit großen Augen an. Die haben davon noch nie gehört. Ich habe den Eindruck, in Brüssel wird etwas beschlossen und die einzigen, die sich darum kümmern, sind die Deutschen. 

Und wie gehen Sie selbst als Geschäftsführer der Tochtergesellschaften in Frankreich und Spanien damit um? Sobald Sie dort arbeiten, müssen auch Sie Ihre Gehaltsbescheinigung, Sozialversicherungsnachweis und mehr mit sich führen. 

So ist es. Aber wissen Sie was? Mich hat an der Grenze oder sonstwo noch nie jemand kontrolliert. Das zeigt doch, wie schräg dieses System ist. Man will damit sinnvollerweise Dumpinglöhne unterbinden. Aber warum macht man dann keine Kontrollen – und spart die Millionen Seiten an Papierkram einfach ein? 

Hans-Christian Richter ist Geschäftsführer der  MATO GmbH & Co. KG in Mülheim am Main. 

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