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Management > Milliardär Kühne über Hamburger Hafen

„Schlecht gemanagt, schlecht strukturiert und abgehängt von der Konkurrenz“

Ein Jahr nach dem mehr oder weniger verpatzten Einstieg Chinas in den Hamburger Hafen zeigt sich: Die Hansestadt hat mehr Handel in ihrem Hafen bitter nötig. Wen der Hamburger Großunternehmer Klaus-Michael Kühne nun frontal angreift.

Klaus-Michael Kühne schlägt gegen Angela Titzrath: "Ich mache mir ernsthaft Sorgen um den Hamburger Hafen" Bildnachweis: links:picture alliance/dpa | Axel Heimken, rechts: picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Hamburg ist das Tor zur Welt – wir kriegen es nur nicht auf.“ Der alte Spruch der Hansestadt-Verächter gewinnt neue Nahrung, weil der zentrale Wirtschaftsfaktor Hamburgs, der Hafen, derzeit alles andere als ein Vorzeigeobjekt ist. Seit den Hochzeiten der Hanse hat er über Wohl und Wehe der Stadt entschieden und derzeit ist es eher ein Wehklagen, was da vom Elbufer aufsteigt. Der Hafen sieht sich gleich mehreren Krisen gegenüber ausgesetzt. Zwar wurde dieser Tage wieder tüchtig gefeiert dort, bei den Kreuzfahrttagen, zwar tritt gerade mit Entschlossenheit die Nationale Maritime Konferenz an, unter Regie der Bundesregierung der deutschen Seewirtschaft den Puls zu fühlen, doch sind Beschränkungen und Rückschläge bei den Seehäfen unübersehbar. Terminalbetreiber, Reedereien und andere Nutzer der Häfen im Norden sehen nur einen Bruchteil des staatlichen Geldes fließen, das bei der großen Konkurrenz eingesetzt wird. In Rotterdam und Antwerpen setzen der niederländische beziehungsweise belgische Staat auf Größe und Attraktivität – Milliardenprojekte sind das, die dafür sorgen, dass der Rückstand Hamburgs auf die beiden führenden europäischen Seehäfen immer größer wird. 

Der Niedergang ist kein Naturgesetz

Nicht lange ist es her, da war Antwerpen, größter europäischer Containerumschlagsplatz, den Hanseaten noch deutlich hinterher. Heute bedeutet der jüngste Rückgang bei den Halbjahreszahlen auf 3,8 Millionen Container 2023 nur einen weiteren Tiefschlag. Zwar verloren alle Häfen im Zuge der Konjunkturabkühlung, Hamburg jedoch am meisten. Derlei ficht die Hamburger Hafen- und Logistik-Aktiengesellschaft (HHLA) nicht an. Das Selbstbewusstsein dort unter Führung der ehemaligen Daimler-Managerin Angela Titzrath scheint ungebrochen. Dabei sieht sich die AG, zu 69,25 Prozent im Besitz der Hansestadt, nicht nur scharfer Kritik der eigenen Aktionäre ausgesetzt, wie im Juni bei der zur Sicherheit nur virtuellen Hauptversammlung. Da war der Rückgang des Containerumschlags nur einer der Punkte. Auch das schlechte Abschneiden Hamburgs in internationalen Rankings, etwa der Weltbank, lässt die freien Aktionäre schaudern. Das Ausscheiden von Tanja Dreilich, Finanzvorstand für nur sechs Monate, lastete man der Chefin an, die angeblich durch „herrisches Auftreten“ und rigoroses Durchregieren auffalle, so zitieren verschiedene Medien ihre Quellen auch aus dem Senat der Hansestadt. Folgerichtig kommt es inzwischen zu Gerüchten, dass der Vertrag Titzraths, der zuletzt im Oktober 2019 bis 2024 Jahre verlängert wurde, vorzeitig aufgelöst werden könnte. Offensichtlich ist den zuständigen Senatoren Andreas Dressel (SPD, Finanzen) und Melanie Leonhard (SPD, Wirtschaft) nicht mehr ganz wohl beim Vorgehen der Vorstandsvorsitzenden, vor allem in Hinblick auf Kooperationen oder sogar Zusammenschlüsse mit anderen norddeutschen Hafen- und Logistikunternehmen.

Da ab dem 30. September eine weitere Vertragsverlängerung rechtlich möglich wäre, konzentrieren sich die Beobachter nun auf das Verhalten von Aufsichtsratschef Rüdiger Grube, bekannt von der Deutschen Bahn. Er hat bereits öffentlich seine Vorfreude bekundet, dass die „liebe Angela“ die HHLA auch in Zukunft lenken werde. Nimmt man die vergangenen Jahre zum Maßstab, wäre das zumindest für den Aktienkurs keine gute Nachricht. Der befindet sich nach wie vor auf dem Weg nach unten: Seit dem Börsengang 2007 ist er von gut sechzig auf inzwischen um die zehn Euro gefallen.

Aufsichtsrat Grube stärkt der „lieben Angela“ den Rücken

Bis zuletzt umstritten war der Einstieg des staatlichen chinesischen Containerunternehmens Cosco als Miteigner eines Containerterminals in Hamburg. Cosco beteiligte sich nach langen Verhandlungen mit knapp 25 Prozent (statt der gewünschten 35) am Umschlagterminal Tollerort; die vorangehende Diskussion bis zur schließlichen Genehmigung durch den Bund hatte mitunter so geklungen, als wolle China sich den Hafen komplett übereignen. Für das nicht ausgelastete Terminal erwartet die HHLA nun eine Steigerung des Verkehrs; den Anteil ließ sich Cosco 42 Millionen Euro kosten. Der chinesische Marktführer will Hamburg zu einem Hauptumschlagplatz für seinen Asienverkehr machen. Viel dürfte aber davon abhängen, inwieweit die HHLA und die übrigen Beteiligten die Zufahrt nach Tollerort auch für künftige, womöglich noch riesigere Containerschiffe möglich machen. Bereits jetzt ist China größter Handelspartner des Hamburger Hafens. Cosco ist natürlich in allen Häfen präsent, und die Chinesen nutzen vor allem Bremerhaven als Anlaufpunkt für ihre stark steigenden Autoexporte nach Deutschland. Als ein Endpunkt der inzwischen ebenfalls umstrittenen „neuen Seidenstraße“ (Belt and Road Initiative) fungiert der große Binnenhafen in Duisburg. Aktuelle Probleme bleiben den Häfen aber reichlich, und die haben kaum mit chinesischen Containern zu tun.

Sorgen macht sich auch der Hamburger Klaus-Michael Kühne. Der Milliardär mit Wohnsitz in der Schweiz tritt immer mal als Mäzen in seiner Heimatstadt auf – und wird vom Senat rüde zurückgewiesen. Kühne gehört die Logistikfirma Kühne & Nagel, er ist maßgeblich an Hapag-Lloyd und seit einiger Zeit auch an der Lufthansa beteiligt. „Ich mache mir ernsthaft Sorgen um den Hafen: Er ist schlecht strukturiert, schlecht gemanagt und kann mit der Konkurrenz in einigen anderen Seehäfen nicht mithalten", sagte Kühne dem Hamburger Abendblatt vor kurzem und bot an, bei der HHLA als Großaktionär einzusteigen, wohl wissend, dass dieses Ansinnen erwartbar chancenlos bleiben würde. Und dies nicht nur wegen seiner Kritik an der aktuellen Führung der HHLA. Tief blicken lässt allerdings die Begründung des Senats für die prompte Zurückweisung des Angebots: „…dass der Senat nicht beabsichtigt, die Mehrheit der HHLA an Investoren zur Verfolgung privater Geschäftsinteressen zu verkaufen." Was der Hafen nach Ansicht der Beobachter jedoch genau brauchen könnte, nämlich die Verfolgung von Geschäftsinteressen statt staatlicher Bürokratie und ewiger Verfahren und Querelen. Die Geschäftsinteressen Kühnes, die offensichtlich durchaus mit den Interessen des Hafens und seiner Stakeholder in Einklang zu bringen sein dürften, vertraglich günstig zu regulieren, wäre ja dem Senat unbenommen. Die „Wirtschaftswoche“ notierte spitz, „dass die Vertreter fast aller Hamburger Parteien sein Ansinnen ablehnten – und damit Kühnes treffende Analyse ungewollt bestätigten“. Die Abneigung der Hanseaten gegen ehrbares Geldverdienen ist jedenfalls eine Erfindung der jüngsten Neuzeit.

Kühne könnte es schaffen

Der skizzierte Einstieg Kühnes, der im Hafen bereits ein Terminal betreibt, und dem es nach eigener Aussage nicht um Rendite, sondern um Hamburg und seinen Hafen geht, hätte den Weg ebnen können zu mehr Zusammenarbeit mit Bremen/Bremerhaven und Wilhelmshaven, denn die Seehäfen stehen vor ähnlichen Problemen. Gespräche der HHLA mit dem Bremer Konkurrenten Eurogate wurden jedenfalls 2020 auf Eis gelegt – seither herrscht Funkstille. Offiziell stoppte der Austausch wegen der Verwerfungen durch Corona und des russischen Kriegs gegen die Ukraine. Dem Vernehmen nach allerdings kollidierte das Naturell der HHLA-Chefin auch mit den Erwartungen von Eurogate-Geschäftsführer Michael Blach. Eine Wiederaufnahme steht in den Sternen. Nun setzen die Beteiligten auf eine regelmäßige Unterstützung des Bundes, hunderte Millionen wären aus Sicht der Betreiber regelmäßig für Investitionen notwendig. Derzeit sind es jährlich 38 Millionen für die deutschen Seehäfen insgesamt. Einer Definition der Häfen als nationale Aufgabe stehen die föderalen Strukturen, politische Reibereien und Eifersüchteleien entgegen. Zahlreiche Maßnahmen, ob Fahrwasser-Vertiefungen oder Brückenanpassungen, die im Sinne des Containerumschlags unbedingt nötig wären, kommen nicht voran, denn die Regierungen der beteiligten Länder sitzen mitunter auf beiden Seiten des Verhandlungstischs: Als Miteigner der Häfen, und als Interessenwalter von entgegenstehenden Naturschutz- oder Infrastrukturprojekten wie etwa Straßen- und anderer Binnen-Hafenanbindungen. Während Rotterdam oder Antwerpen Aushängeschilder ihrer jeweiligen Nation sind, die Milliardeninvestitionen verbuchen können, wird im deutschen Nordwesten, ein Beispiel, seit gut fünfzehn Jahren über eine nötige Weservertiefung nachgedacht. Nun soll es in absehbarer Zeit tatsächlich zu einem deutschen Phänomen kommen: Nämlich dem „Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz“.

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