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Management > Interimsmanagement

Führungskraft auf Zeit

Nicht nur im Fußball feiern Übergangs-Trainer große Erfolge - wie einst Jupp Heynckes bei Bayern München. Auch viele Unternehmen sichern sich Interimsmanager für einzelne Projekte. Das Modell hat Vorteile, aber beide Seiten müssen einiges beachten.

Retter in der Not: 2017 kam Jupp Heynckes für acht Monate aus der Rente zurück, um den FC Bayern in der Fußballbundesliga zu retten. Am Ende gab es den Meistertitel.© picture alliance / SvenSimon | FrankHoermann/SVEN SIMON

Wenn vor lauter Rost nichts mehr geht, hilft Caramba. Man muss kein Autonarr sein, um die ein oder andere witzige Geschichte zum berühmten Spray des Duisburger Unternehmens parat zu haben. 2020 suchte Caramba einen neuen Manager und stieß auf Jörg Hepe. 25 Jahre hatte er in der Chemie- und Konsumgüterbranche in verschiedenen Führungspositionen gearbeitet, unter anderem bei Henkel. Nun wollte er eher beraten, als intensiv operativ einzusteigen. Ende 2020 entschied er sich dann trotzdem, für sechs bis neun Monate als einer von drei Geschäftsführern der Caramba Chemicals Group einzuspringen.

Aus sechs Monaten wurden zunächst zwei Jahre, aus der Übergangslösung im Januar 2023 eine dauerhafte Beziehung, „weil wir sehr erfolgreich unterwegs sind“, sagt Hepe. An vielen Stellen hat er geholfen, das Unternehmen neu aufzustellen. Das Bonmot: Nun stellt er selbst Manager für eine Übergangszeit ein. Mal trennt man sich von Führungskräften, mal gehen Leute. Und dann fällt eben auch mal ein Produktionsleiter urplötzlich aus Krankheitsgründen aus. Ein Interimsmanager oder eine Interimsmanagerin kann die Lücke überbrücken. Solche Spezialisten sind kurzfristig und mit entsprechender Erfahrung verfügbar. 

Der allgemeine Personalmangel in Deutschland macht vor Führungskräften nicht halt. Und genau in dieser Phase braucht es mehr denn je Managementfähigkeiten, um den Wandel hinzubekommen: Die Digitalisierung geht rasanter und disruptiver voran und Nachhaltigkeit braucht umfangreiche Strukturveränderungen – um nur zwei Beispiele zu nennen. Headhunter berichten von erheblich gestiegenen Ansprüchen der umworbenen Personen, Menschen jeden Alters verlangen mehr Flexibilität. Gerade männliche Topführungskräfte im Alter von 35 bis 45 Jahren wechseln immer seltener dauerhaft. Anders als früher zieht die Familie nämlich nicht mehr automatisch mit um.

Eva Haeske-Braun, Mitglied der Geschäftsführung bei Taskforce, einer Beratung, die sich auf Interimsmanagement spezialisiert hat. „Praktisch jedes Unternehmen kennt das: Es gibt mehr Projekte, die dringend erledigt werden müssen, als gute Manager, die das auch können“, berichtet sie. Interimsmanagement sei dann eine gute Lösung. Der Markt hat sich verdreifacht in den vergangenen zehn Jahren. Gerade der Mittelstand wählt auch aus der Not heraus diesen Weg. In der Regel dauern solche Engagements sechs bis zwölf Monate, auf der obersten Ebene auch bis zu zwei Jahre. Solche Manager sind in der Regel mindestens 40 und bis zu 65 Jahre alt. In Abgrenzung zur klassischen Zeitarbeit oder Arbeitnehmerüberlassung sind Interimsmanager Personen, die unternehmerisch selbstständig handeln. 

Warum immer mehr Interimsmanager nachgefragt werden, ist offensichtlich: Um überhaupt jemanden für die Aufgabe zu finden. Doch es gibt weitere Gründe: So sind die Kosten für die Personalie gut kalkulierbar. Wenn Betriebe für bestimmte Aufgaben jemanden fest einstellen, müssen sie die Person auch dann weiterbeschäftigen, wenn das Projekte beendet ist oder der Kunde abspringt. Zeitlich befristete Engagements sind zudem stärker ergebnisorientiert: Interimsmanager kümmern sich um ihr Projekt, interne Spielchen inklusive Karrierepolitik lenken sie nicht vom Wesentlichen ab. Und die Experten auf Zeit bringen externes Wissen mit.

Ursprünglich halfen Interimsmanager, um Vakanzen zu überbrücken, heute geht es noch um mehr. Viele Projekte erfordern spezifisches Fachwissen, dass der jeweilige Betrieb nicht permanent braucht, sondern nur für eine bestimmte Phase. Das kann mit der Integration von zugekauften Geschäftseinheiten zu tun haben. Typisch für Interimsmanagement sind auch Restrukturierungen, die Fusion von Abteilungen, der Umbau von Geschäftsfeldern, die Digitalisierung von Prozessen, die Erschließung neuer Märkte und neuerdings immer mehr Nachhaltigkeitsthemen. „Und es gibt auch Unternehmen, die holen sich ganz gezielt Top-Leute auf Zeit heran, um die Expertise aus einer Branche in das Unternehmen zu transportieren“, sagt Beraterin Haeske-Braun.

Eine Frage der Kultur

Wer sich für einen Interimsmanager oder eine Interimsmanagerin entscheidet, sollte einiges beachten, rät Haeske-Braun: „Er oder sie sollte in der Vergangenheit selbst in einer vergleichbaren Tätigkeit aktiv gewesen sein.“ Über internationale Erfahrung inklusive Personalverantwortung würden die meisten verfügen, sagt sie. Auch der Grad der Flexibilität sei bei den Kandidatinnen und Kanditen in der Regel stark ausgebildet. Umzüge oder Hotelphasen seien selten ein Problem.

Spannend wird es bei der sozialen Kompetenz und den kommunikativen Fähigkeiten. Reicht es im Hinblick auf die Anpassungsfähigkeit? Spricht er oder sie die Sprache des Unternehmens? Kann die Person sich mit der Kultur wirklich anfreunden? Solche Fragen müssen in Gesprächen wie bei jeder Neueinstellung beantwortet werden – nur dass bei einer auf Zeit eingestellten Führungskraft der Schaden spürbar niedriger ist, wenn es doch nicht funktioniert.

Für den Erfolg eines Interimsmanagers ist entscheidend, wie die Belegschaft ihn empfängt oder wie er bei den Mitarbeitern eingeführt wird. Man stelle sich das im Fußball vor: Da kommt ein neuer Trainer, bei dem klar ist, er geht nach einer halben Saison wieder – wie Jupp Heynckes, als er 2017 für acht Monate den Trainerposten beim damals angezählten FC Bayern übernahm. Wie viel Autorität hat er wirklich? Glauben die Menschen daran, dass er sich für das Unternehmen zerreißt? „Entscheidend sind die ersten Tage“, sagt Expertin Haeske-Braun.

Diejenigen, die ihn oder sie einsetzen, müssen das volle Vertrauen und die entsprechenden Mandate glaubwürdig vermitteln und dem Neuling die wesentlichen Informationen an die Hand geben: Mit wem muss man sich unbedingt vernetzen? Was sind Fallstricke? Was die wichtigsten Themen? Zudem gilt es, die anderen Führungskräfte im Unternehmen über den Neuen zu informieren. 

Etwa ein Viertel der Interimsmanager bekommt ein Angebot, dauerhaft beim Unternehmen zu bleiben, bei dem sie nur auf Zeit angeheuert haben. Das bedeutet nicht, dass die übrigen 75 Prozent ihre Arbeit nicht gut machen: Bei vielen ist von vornherein ausgeschlossen, dass sie bleiben. Die Bayern sicherten sich unter Heynckes die Deutsche Meisterschaft. Der 72-Jährige hatte zuvor schon klar gemacht, nur die Saison zu beenden.

Entsprechend gab es kein Angebot. Und so ist es bei anderen Interimsmanagern. Aber manchmal läuft es eben auch wie bei Jörg Hepe und Caramba.

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