Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Vergütung > Attraktive Zusatzangebote

Gehalt ist nicht alles

Mit welchen Angeboten Firmen Mitarbeiter an sich binden, was viele falsch machen und wie sich die Bezüge im kommenden Jahr entwickeln.

Klare Haltung: Es müssen keine vermeintlichen Yogaübungen auf dem Schreibtisch sein. Aber für Betriebe werden Leistungen rund um Gesundheit wichtiger, um Mitarbeiter zu gewinnen. © Master1305/Shutterstock.com

Herzbeben in Ostwestfalen, Spexard, ein Ortsteil von Gütersloh. Rund 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter feiern schon den ganzen Tag über auf dem Außengelände von Werk 3 des Küchenherstellers Nobilia. Ein Riesenrad dreht fröhlich seine Runden und am Abend passiert das, worüber schon seit Stunden gemunkelt wurde. Deutschlands Nummer eins betritt die Bühne. Helene Fischer. Kostenpunkt unbekannt, dürfte nennenswert sechsstellig sein. So feiern Firmen, denen es gut geht – und die ihren Leuten etwas zurückgeben wollen.

Mit Feiern Emotionen zu wecken und so Beschäftigte an sich zu binden, ist wahrlich nicht neu. Und auch nicht ungefährlich. Bei der Mega-Party von Nobilia mag allen klar sein, dass es eine Ausnahmeveranstaltung ist – angesichts des außerordentlichen Geschäftserfolgs. Aber grundsätzlich ist es schwer, die nächste Feier etwas kleiner auszurichten, wenn Arbeitgeber bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Erwartungen wecken.

„Mit diesen Feiern erreichen Unternehmen die jungen Leute oft weniger als die älteren, die das seit Jahren gewohnt sind“, sagt Nicoletta Blaschke, Leiterin des Geschäftsbereichs Health & Benefits bei der Beratungsfirma WTW. Abgesehen von der Frage, ob Helene Fischer 30-Jährige genauso begeistert wie 50-Jährige, das Geld für die sogenannten Benefits kann nur einmal ausgegeben werden. Und gerade bei allem, was die Mitarbeiter neben dem Gehalt binden kann, „fehlt es vielen Mittelständlern an einer ganzheitlichen und vor allem nachhaltigen Strategie“, wie die Expertin in ihrem Alltag immer wieder feststellt.
„Familienunternehmen haben erkannt, dass sie mehr machen müssen und das tun auch viele, aber manchmal ist es sogar zu viel und am Thema vorbei. Wir sehen hier regelmäßig Einsparpotenzial.“ Es gebe gute Vorsätze und teilweise sogar ein großes Angebot, aber das werde nicht immer mit System zusammengestellt. Wo es bei den Konzernen im Deutschen Aktienindex seit langem spezialisierte Abteilungen für Vergütung und Benefits-Strategie gibt, fehlt im Mittelstand oft die Erfahrung oder auch die benötigte Kapazität und Expertise.

Bei der Vergütung und der Auswahl der Mittel ist es bei so manchem wie das Bonmot bei der Werbung so schön sagt: Die Hälfte der Ausgaben ist unnütz, man weiß vorher nur nicht, welche. In einer Umfrage ermittelte WTW, dass 58 Prozent der Unternehmen meinen, ihre aktuelle Benefits-Strategie sei nur wenig effektiv. Es gibt aus Sicht von Blaschke ein zentrales Problem. „Die Wirksamkeit des Benefits-Angebotes steht und fällt mit der Kommunikation.“ Diese sei oftmals noch analog und statisch.

„Häufig kennt nur ein geringer Prozentsatz der Beschäftigten im Mittelstand die Programme, die ihr Arbeitgeber anbietet“, stellt Blaschke fest. Deshalb solle die intelligente und regelmäßige Kommunikation der Angebote auch via App und anderer digitaler Kanäle den Unternehmen etwa fünf Prozent der Gesamtausgaben für flexible Vergütungsbestandteile wert sein. Der WTW-Umfrage zufolge prüfen 56 Prozent der Unternehmen digitale Lösungen und planen für die nächsten zwei Jahre ein einheitliches Angebot.
Da trifft es sich gut, dass sich der große Trend besonders gut kommunizieren lässt: Gesundheit. Betriebe bauen ihre Angebote aus, bei allem, was ihre Belegschaft widerstandsfähiger macht. Die Mitarbeiter sind seltener krank, fühlen sich durch einen guten Versicherungsschutz geschützter und spüren, dass sich ihr Arbeitgeber für sie als ganzen Menschen interessiert. Expertin Blaschke zählt vier Dimensionen des „Wellbeings“ auf, wie der Komplex im Fachjargon heißt: physisch, psychisch, sozial und finanziell. Uneigennützig ist das nicht. Die meisten Unternehmen wollen damit die Produktivität verbessern. Gesunde arbeiten nachweislich motivierter und effizienter. Für drei von fünf Beschäftigten sind Gesundheitsprogramme des Arbeitgebers ein entscheidender Grund, im Unternehmen zu bleiben oder ausschlaggebend, beim aktuellen Arbeitgeber zu bleiben.

Neben den Versicherungen steht dabei immer mehr auch gefühlte Sicherheit im Vordergrund. Sogenannte Employee-Assistance-­Programme zum Beispiel nehmen unter anderem den demografischen Trend auf, dass sich bald immer mehr Mitarbeiter um ihre Eltern kümmern müssen. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, oft wohnen und arbeiten deren Kinder nicht mehr in der Nähe. Dies belastet die Beschäftigten mental. Und es birgt ein erhebliches Risiko für Unternehmen, weil viele Mitarbeitende ihre Arbeitszeit verringern oder sogar ausscheiden, um etwa die Eltern zu pflegen.

Budgets für Notfälle

Firmen bieten unterstützt von Dienstleistern Rat und Tat, um das Überlastungsgefühl gar nicht erst entstehen zu lassen. Einige Unternehmen haben ein Budget für Notfälle angelegt und helfen spontan, andere zahlen zum Beispiel für neue Lösungen, bei denen Mitarbeitende bei Diagnose der Pflegebedürftigkeit eines Familienmitglieds zum einen eine feste Geldsumme, zum anderen Zugang zu Pflegedienstleistern erhalten. „Das beruhigt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und führt dazu, dass sie weiterarbeiten können“, sagt Blaschke. Der Arbeitgeber handele zwar nicht selbstlos, zeige aber seinen Beschäftigten: „Wir sehen dich als ganzen Menschen und uns ist wichtig, dass du dein Leben insgesamt gut managen kannst.“

Für die Gesundheit der Beschäftigten gehören Vorsorgeangebote inzwischen zum Standard. Oder eine Gruppenunfallversicherung. „Immer mehr erkennen, dass Arbeitgeber ohne Gesundheitsleistungen in Zukunft nicht mehr punkten können“, sagt Blaschke und hebt vor allem die betriebliche Krankenversicherung hervor. „Sie hat besonders in den vergangenen zwei Jahren signifikant an Bedeutung gewonnen. Dieser Trend wird bleiben.“

Die betriebliche Krankenversicherung (bKV) wird durch den Arbeitgeber organisiert und meist auch finanziert. Es ist eine Zusatzversicherung zur gesetzlichen Absicherung. Ende 2022 haben rund 22.300 Unternehmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine solche Kranken- oder Pflegeversicherung angeboten. Damit hat sich die Zahl der Betriebe seit 2015 mehr als vervierfacht. Gezählt werden übrigens nur die Arbeitgeber, die die Beiträge für ihre Mitarbeitenden vollständig tragen. Mit der Zahl der Unternehmen steigt auch die Zahl der Beschäftigten, die von einer solchen Absicherung profitieren, kontinuierlich. Ende 2022 hatten knapp 1,8 Millionen Personen eine betriebliche Kranken- oder Pflegeversicherung. „Das Wachstum bei der betrieblichen Krankenzusatzversicherung zeigt die Bereitschaft der Arbeitgeber, sich für die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu engagieren. Es ist aber auch Ausdruck für den immer stärker werdenden Wettbewerb um Fachkräfte“, sagt Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Schon in älteren Umfragen hatten Fachkräfte der betrieblichen Krankenversicherung den Vorzug vor anderen Extras wie etwa Mobiltelefonen oder Fahrkarten für den Personennahverkehr gegeben. Mittlerweile wäre jedem vierten Arbeitnehmer eine private Krankenzusatzversicherung, die der Chef zahlt, sogar wichtiger als eine Gehaltserhöhung. „Zum einen wollten wir unseren Mitarbeitern etwas Gutes tun. Auch wir als Arbeitgeber profitieren von einem gesunden Team. Zum anderen ist die bKV ein wichtiger Faktor beim Halten und Gewinnen von Mitarbeitern“, sagt Maike Theine, Human Resources Managerin bei GKN Powder Metallurgy. Bei Einstellungsgesprächen seien die Bewerber immer positiv überrascht, wenn das Thema angesprochen werde.

Leistungen einer solchen Versicherung sind zum Beispiel Zweibettzimmer und Chefarztbehandlung im Krankenhaus sowie eine Zahnversicherung oder Vorsorgeuntersuchungen. Auch Familienmitglieder der Mitarbeiter können sich für die Leistungen entscheiden. Die Beschäftigten seien anfangs recht skeptisch gewesen, weil sie die Beiträge damals versteuern mussten, sagt Theine. Je nach Anzahl der Kinder und Steuerklasse waren das etwa zwölf bis 15 Euro im Monat. „Doch als die ersten Mitarbeiter Leistungen aus der Versicherung in Anspruch genommen hatten, hat sich das geändert“, sagt Personalmanagerin rückblickend. Seit einigen Jahren können die Beiträge im Rahmen der 50-Euro-Freigrenze steuer- und sozialabgabenfrei gewährt werden, was die Situation für die Unternehmen nennenswert erleichtert.

Neben der Krankenversicherung ist die betriebliche Altersvorsorge (bAV) immer wichtiger als Mittel, um seine Beschäftigten zu halten oder anzulocken. Johannes Heiniz ist Rentenspezialist bei WTW. Ein Grund ist das zunehmende Bewusstsein, die gesetzliche Rente allein werde nicht ausreichen, sodass viele zusätzlich vorsorgen müssten. Neben der Privatvorsorge kann vor allem der Arbeitgeber mit der betrieblichen Altersvorsorge helfen. Die Vorteile für Beschäftigte sind vielfältig. So unterstützt der Arbeitgeber finanziell. Er hilft aber auch bei organisatorischen Fragen. Nicht zuletzt bekommt ein Unternehmen als Großabnehmer bei den Versicherern häufig bessere Konditionen oder hat zumindest eine bessere Verhandlungsmacht.
„Dazu kommt ein extrem wichtiger Punkt. Das Vertrauen in den Arbeitgeber ist an der Stelle sehr hoch“, sagt Heiniz. „Das Gros der Mitarbeitenden vertraut ihm, eine bessere Vorsorgelösung bereitzustellen, als sie selbst am Markt als Privatpersonen erwerben können.“ Der Arbeitgeber wird zum Kümmerer und schafft bei den Beschäftigten, die sich bisher nicht mit Altersvorsorge beschäftigt haben, zusätzliche Sicherheit. Nicht zuletzt spart es den Menschen schlichtweg Aufwand und damit Zeit.
Trotz der Beliebtheit der betrieblichen Altersvorsorge bei den Beschäftigten nutzt nur ein Teil der Unternehmen dieses Mittel, um sie zu binden. „Da gibt es definitiv noch Nachholbedarf“, sagt Heiniz. In einer WTW-Studie gaben nur 30 Prozent der befragten Unternehmen an, bAV im Wettstreit um Talente zu nutzen. Und nur ein Viertel der Arbeitnehmer sagte, dass das Unternehmen sie unterstütze, wenn sie sich auf die Rentenphase vorbereiteten. Dabei wünschen sich dreiviertel der Beschäftigten ein Engagement ihres Arbeitgebers. Verbreitet ist die betriebliche Altersvorsorge Heiniz zufolge vor allem bei Großbetrieben.

Attraktive Angebote

Dass sie sie eher nicht anbieten, begründen kleine und mittlere Unternehmen meist mit dem hohen Aufwand, den die Minimal-Personalabteilungen nicht bewältigen könnten. Das lässt Experte Heiniz nicht gelten. Man könne mittlerweile auch mit vertretbarem Aufwand sehr wohl gute betriebliche Altersversorgung anbieten. „Da hat sich am Markt bei den Versicherern oder sonstigen Finanzdienstleistern einiges getan“, sagt er. Es gebe viele vorgefertigte Lösungen, die sehr einfach umzusetzen seien. Selbst die Verwaltung übernimmt der Anbieter weitgehend. Solche Angebote „sind durchaus ebenso attraktiv wie maßgeschneiderte Lösungen von Großkonzernen“.

Bei all dem gilt: Gute bAV-Angebote zu haben, nützt nur halb, wenn die Kommunikation nicht optimal ist. Die Beschäftigten sollten die Angebote hinreichend kennen, also mitbekommen, dass es sie gibt. Daran scheitern schon viele Unternehmen, längst nicht alle haben zum Beispiel gute Broschüren. Verständlichkeit ist wichtig, denn Komplexität schafft eher Frust als Wertschätzung. Irritierend ist da, dass 82 Prozent der Unternehmen zugeben, ihre Mitarbeiter verstünden die komplexen Anlagekonzepte nicht. Geändert wird offenbar nichts.
Trotz dieser Trends bei der Vergütung bleibt das Thema Gehalt als Basis jeder Entscheidung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zentral. Wie die sich entwickeln dürften, ermittelt die Beratungsfirma Kienbaum Jahr für Jahr in einer großen Umfrage. Für 2024 erwarten die Experten ein Plus von 4,7 Prozent brutto. Das liegt nennenswert über der erwarteten Inflationsrate von ungefähr drei Prozent. Fast alle befragten Unternehmen wollen die Kosten für höhere Gehälter ausgleichen, indem sie produktiver werden und vor allem wachsen. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit dem Gehaltsplus im Mittelfeld. In Frankreich sollen die Bezüge um 4,2 Prozent steigen, in Österreich um 6,5 Prozent.

Beim Blick auf Details zeigt sich, dass das Topmanagement wohl 4,5 Prozent mehr Geld bekommen wird. Spezialisten und Fachkräfte legen dagegen 2024 als einzige Gruppe überdurchschnittlich zu – um 5,4 Prozent. Die regionalen Unterschiede sind vor allem beim Einstiegsgehalt erheblich, wie die Beratung Robert Half ermittelt hat. Hamburg liegt 15 Prozent über dem Durchschnitt, München 14 Prozent, Frankfurt zwölf Prozent. Allerdings sind die Lebenshaltungskosten in diesen Städten auch überdurchschnittlich hoch.
Die Höhe der Vergütung zeigt nur bedingt, wie sich deren Zusammensetzung gerade verändert. „Vor allem die variable Vergütung steht auf dem Prüfstand“, sagt Michael Kind, Vergütungsexperte bei Kienbaum. Viele Unternehmen wollten ihre Vergütungssysteme stabilisieren. In den vergangenen Jahren kamen die klassischen Systeme angesichts der unvorhersehbaren Krisen an ihre Grenzen. Es gab positiv wie negativ extreme Ausschläge.

Nachhaltige Bezahlung

Zudem verändert sich die Vorstandsvergütung häufig mit regulatorischen Entwicklungen, und da passiert rund um Nachhaltigkeit einiges. „Wir sehen auch bei Familienunternehmen, dass die Bezahlung der Geschäftsführer an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt wird“, sagt Kind. Bei Führungskräften von börsennotierten Konzernen sind Nachhaltigkeitsziele ohnehin schon wichtig für die Vergütung, wie Untersuchungen von WTW ergeben haben.

Nachhaltigkeit wird also zum Maßstab. „Immer mehr Betriebe denken darüber nach, wie sie ESG-Kriterien einbeziehen können in der kurz- und langfristigen Vergütung“, sagt der Vergütungsexperte. Dabei sind nicht nur ökologische Ziele („E“ für Ecology) wichtig, sondern eben auch das „S“ und „G“, also soziale Aspekte und Governance-­Themen. Heißt konkret: Wenn ein Unternehmen Menschen ungleich behandelt oder gegen Regeln guter Unternehmensführung verstoßen wird, könnten auch Führungskräfte weniger Bonus bekommen. Vergütung ist immer ein Anreiz, damit den Verantwortlichen Nachhaltigkeit wichtig wird.
Doch dafür muss man Nachhaltigkeit erst einmal messen. Bei Equal Pay ist das noch recht leicht möglich – alle Gruppen werden fair bezahlt. Bei produzierenden Unternehmen ist die Unfallquote eine harte Kennzahl. Verstöße gegen das Lieferkettengesetz könnten bald eine andere sein, Stichwort soziale Arbeitsbedingungen im Ausland. Mit der Zeit dürften ESG-Kriterien auch für das mittlere Management zum Vergütungsthema werden. Malus-Regelungen gibt es bei strafrechtlich relevanten Vergehen ja auch schon in unteren Ebenen.

Zum nachhaltigen Handeln gehört auch die Tendenz, dass in den Betrieben die langfristige Vergütung wichtiger wird. Man muss nicht an der Börse sein, um die Unternehmensentwicklung abzubilden. Kind betont, dass es dafür virtuelle Instrumente gibt, mit denen man zum Beispiel den aktuellen Unternehmenswert berechnet, was bei Mittelständlern mit vielen Familienmitgliedern ohnehin regelmäßig gemacht wird. Dazu kann man weiterhin Erfolgstreiber, die den Firmenwert bedingen, heranziehen – wie Rendite und Umsatz.
Der Trend zu mehr Nachhaltigkeit betrifft auch finanzäquivalente Vergütungsbestandteile, allen voran Dienstwagen. Sie sind noch ein wichtiger Bestandteil von Vergütungspaketen, aber ihre Bedeutung nimmt ab. Immer mehr Firmen verzichten auf entsprechende Regelungen. Der Trend geht zu Mobilitätsbudgets und mehr Flexibilität.

Ähnliche Artikel