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Einkauf, Marketing und Marken > Corona-Impfstoff-Hersteller

Curevac muss kleiner denken

Curevac, einst Hoffnungsträger der deutschen Pharmaindustrie, kämpft trotz Millioneninvestitionen und innovativer Technologie ums Überleben, während Konkurrenten den Markt beherrschen.

Alexander Zehnder
Alexander Zehnder, Vorstandsvorsitzender des Biotechnologieunternehmens Curevac. Bildnachweis: picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod

Eigentlich hatte Curevac alle Voraussetzungen zum großen Star am deutschen Pharmahimmel. Eigentlich. Tatsächlich ist aus dem kometenhaften Aufstieg bis heute nichts geworden. Dabei gilt das Tübinger Biotech-Unternehmen als die Wiege der so genannten mRNA-Technologie, die beispielsweise zur Grundlage für den erfolgreichsten Corona-Impfstoff geworden ist. Doch die milliardenschweren Umsätze hat Bionthech aus Mainz gemacht.

In Tübingen ist es hingegen nie gelungen eine marktfähige Alternative auf den Markt zu bringen. Jetzt wird die Luft für den einstigen Hoffnungsträger, in den der Bund in der Corona-Krise 300 Millionen Euro gesteckt hat, immer dünner. Nach dem dritten Quartal drückte auf das Unternehmen ein Schuldenberg von 186,2 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es noch 127,9. Gleichzeitig ist der Umsatz um fast die Hälfte auf 31,2 Millionen Euro eingebrochen.

Die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen gleicht einer Lotterie. Neun von zehn Anläufen führen in eine teure Sackgasse. „Biontech hat damals Glück gehabt“, meint ein Stuttgarter Analyst, der die Branche seit Jahren beobachtet. Auch Curevac hatte ein Mittel gegen Corona entwickelt. Doch die Wirksamkeit kam nicht an das das Konkurrenzprodukt aus Mainz heran. Zwar wurde noch eine zweite Generation angekündigt, doch inzwischen haben die zugelassenen Anbieter den milliardenschweren Markt unter sich aufgeteilt. 

Ein Versuch, doch noch von dem Corona-Umsatzkuchen ein Stück zu sichern, ist vorerst im vergangenen Dezember gescheitert. Curevac wirft Konkurrent Biontech vor, zusammen mit dem US-Pharmakonzern Pfizer die Tübinger Patente für den eigenen Impfstoff genutzt zu haben. Die Schwaben beanspruchen ein europaweites Alleinrecht auf die mRNA-Technologie.

Ein entsprechendes Verfahren ist noch beim Landgericht in Düsseldorf anhängig. Vor dem Bundespatentgericht haben die Mainzer nun allerdings erfolgreich gekontert. Das Europäische Patentamt habe dem Konkurrenten 2010 zu Unrecht das Schutzrecht erteilt, argumentiert Biontech. Das patentierte System zur genetischen Vakzinierung beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das Gericht ist der Argumentation aus Mainz offenbar gefolgt. Ein Grundlagenpatent zu Impfstoffen in Deutschland, wie von Curevac gefordert, sei ungültig, urteilten die Richter. Daraufhin, verlor die ohnehin an den Finanzmärkten gerupfte Curevac-Aktie ein Drittel des Wertes. Heute krebst das Curevac-Papier bei drei Euro herum. Im März 2021 waren es noch mehr als 100 Euro.

Jetzt wollen die Tübingen vor den Bundesgerichtshof ziehen. „Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass wir als Pioniere der mRNA-Technologie und durch unsere andauernde Innovation auf diesem Gebiet einen wesentlichen Beitrag zu sicheren und wirksamen Covid-19-Impfstoffen geleistet haben“, betonte Curevac-Vorstandschef Alexander Zehnder nach dem Urteil. Doch aus der erhofften Finanzspritze via Gericht, die das angeschlagene Unternehmen wohl saniert hätte, wird auf absehbare Zeit erst einmal nichts.
 

Drum zieht man notgedrungen bei Curevac jetzt die Reißleine und will über ein Freiwilligenprogramm rund 150 der insgesamt 1100 Stellen streichen. Das Programm sei gestartet und werde die kommenden Wochen laufen, so eine Sprecherin des Impfstoffherstellers. Die Belegschaft sei nach Abstimmungen mit dem Betriebsrat über die Schritte darüber informiert worden.

Der Abbau betrifft nach Unternehmensangaben „die Organisationsstrukturen, die ursprünglich für eine pandemiebedingte Bereitstellung eines Covid-19-Impfstoffs optimiert und erweitert wurden.“ Nun werde der Umfang der Belegschaft auf den aktuellen Geschäftsumfang und das breiter aufgestellte Produktportfolio von Curevac zugeschnitten. Der Großteil der Stellen soll in Tübingen, einige aber auch in einer Zweigstelle in Wiesbaden wegfallen. Betroffen sei vor allem um den Bereich „Operations“, was in etwa der klinischen Produktion entspricht.

Curevac habe im vergangenen Jahr große Fortschritte bei der Weiterentwicklung seiner firmeneigenen mRNA-Plattform und dem Ausbau seiner Produkt-Pipeline erzielt, versichert das Unternehmen. Mit dem finanzstarken britischen Partner GlaxoSmithKline (GSK) arbeitet an Impfstoffen für die Krebstherapie. Auf diesem Feld wird der mRNA-Technologie von vielen Experten eine große Zukunft attestiert. Noch sei kein Produkt auf dem Markt, erklärte die Sprecherin. Auch Konkurrent Biontech arbeitet intensiv auf diesem Gebiet. Ein Impfstoff gegen Brustkrebs ist nach den Angaben aus Mainz inzwischen in die praxisnahe „Phase 3“ gekommen. Firmenchef Ugur Sahin stellt ein Vakzin gegen Krebs noch vor 2030 in Aussicht. 

Die Boten-Ribonukleinsäure – kurz mRNA oder Messenger-RNA (messenger ribonucleic acid) enthält die genetische Information für den Aufbau eines bestimmten Proteins in einer Zelle benötigt wird. Im Fall der Covid-19-Impfung trägt der Bauplan die Anleitung für das sogenannte Spike-Protein des Coronavirus. Dieses Protein bedeckt die Oberfläche des Virus wie Stacheln und ist daher gut für das Immunsystem erkennbar.

Die Körperzellen nehmen die mRNA auf, lesen den Bauplan ab und produzieren das Spike-Protein. Dieses wird anschließend an die Oberfläche der Zelle transportiert und kann so von den Immunzellen erkannt werden. So werden beispielsweise Antikörper gebildet. Zudem wird im Immunsystem eine „Erinnerung“ hinterlegt, die den Körper bei einer erneuten Infektion vor dem Virus schützt.

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