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Einkauf, Marketing und Marken > Interview

„Wir wollen keine Dosen zum Kunden schaffen“

Frederick Jost, Co-Gründer von Holy, über gesunde Energydrinks, die mit wenig Verpackung auskommen und die richtige Strategie im umkämpften Lebensmittelhandel.

Frederick Jost hat an der TU München Management studiert und professionell Tischtennis gespielt. Er war Jugendnationalspieler, deutscher Meister im Einzel und Europameister im Mixed. Er ist Co-CEO von Holy.

Das Gespräch führte Thorsten Giersch.

Wären Sie heute Unternehmer, wenn man im Tischtennis so viel verdienen würde wie im Fußball?

(lacht) Zumindest ist die Bezahlung einer der Gründe gewesen, warum ich Tischtennis irgendwann nicht mehr professionell weitergemacht habe.

Sie waren Jugendnationalspieler und haben die Welt bereist.

Eine tolle Zeit bis zwei Jahre nach dem Abitur. Einerseits ist Tischtennis ­finanziell nicht ganz so lukrativ wie manch anderer Sport. Andererseits habe ich es einfach nicht in die A-Nationalmannschaft geschafft. Und dann spielt man die großen Turniere nicht, keine WM, keine EM, kein Olympia. Und das ist, was mir in der Jugend so viel Spaß gemacht hat. Dafür hat sich all das Training und der Verzicht auf andere Dinge gelohnt.

Wann war Ihnen klar, dass Sie gründen wollten?

Ich komme nicht aus einer gründernahen Familie, von daher war es nicht selbstverständlich, bei einem Start-up mitzumachen. Diese Welt habe ich an der WHU in Vallendar kennengelernt, wo das Thema Gründen sehr präsent ist. Ich hatte mein erstes Praktikum beim Start-up Happy Fresh in Kuala Lumpur. Dort traf ich meinen späteren Mitgründer. Von da an wollte ich auch einer dieser Typen sein, die etwas gründen und vorantreiben. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell geht.

Praktisch noch im Studium.

Genau. Anfang 2020 war ich am Ende meines Masterstudiums und nach neun Monaten Praktika bei der Boston Consulting Group und im Private Equity kam es zu einer Art Trotzreaktion. Ich fand das alles nicht wirklich cool und dachte mir, es müsse einen besseren Weg geben. Meinem Freund Mathias Horsch erging es ähnlich. Und so kamen wir gemeinsam mit Philipp Naß auf die Idee für Holy und zogen es durch.

Inzwischen gibt es auch Eistee und ein paar weitere Produkte von Holy, aber vor allem Energy­drinks. Was ist an denen besonders?

Wir wollen Leute von überzuckerten Softdrinks aus der Flasche oder der Dose wegbringen. Unsere Produkte sind gesünder und haben weniger Kalorien, weniger Zucker und bessere Inhaltsstoffe. Zudem haben wir einen klaren Funktionalitätsanspruch: Konsumenten sollen eben nicht diese typische Achterbahnfahrt erleben, auf der man kurz gepusht ist und es dann aber auch ganz schnell wieder runtergeht. Nicht zuletzt wollen wir die Verpackung verringern.

Wie kamen Sie zu dem Pulver?

Wir hatten die Idee, einen Energydrink auf Pulverbasis zu entwickeln. Dann sind wir dem Standardprozess gefolgt und zu einem Lohnhersteller gegangen. Das Problem daran war, dass die für die gesamte Industrie tätig sind. Das Produkt, das wir bekommen haben, unterschied sich nicht von dem der Wettbewerber. Wir hatten also die Wahl, es auf eine Marketingschlacht ankommen zu lassen oder uns einen Partner zu suchen. An der Stelle hatten wir das Glück, Symrise kennenzulernen.

Ein im Deutschen Aktienindex notierter Hersteller von Duft- und Aromastoffen.

Normalerweise arbeiten die nur mit den Großen zusammen, Procter & Gamble, Nestlé, Unilever, Coca-Cola, aber nur sehr selten mit Start-ups. Die fanden unseren Ansatz gut und wollten es schaffen, dass man den Süßstoff bei einer besseren Balance von Süße und Säure nicht herausschmeckt. Ich erinnere mich noch gut daran, als wir die erste Probe von Symrise bekamen. Wir saßen alle im Homeoffice, nahmen den ersten Schluck und sprangen vor den Bildschirmen herum wie kleine Kinder. Wir merkten: Das ist wirklich ein geiles Produkt und das kann sehr gut funktionieren.

Aber dann hakte es. Warum?

Im Dezember 2020 wurde Symrise gehackt und erpresst, die Produktion stand für mehrere Wochen still. Wir wollten im Februar starten, aber bei solch einem Rückstau ist das kleine Holy nicht unbedingt Priorität eins. Die Verzögerung war im Nachhinein eine der besten Sachen, die uns passieren konnte.

Wieso?

Wir hatten alles fertig, aber kein Produkt. Also traten wir online eine Testkampagne los. Wir schrieben Leute vor allem auf Instagram an, haben Probierpakete angeboten und kamen allein vom 24. bis zum 26. Dezember auf mehr als 5000 Tester. Wir mussten die Viralität einfangen und stoppten die Kampagne, weil wir gar nicht so viel Geld für all die Testpakete hatten. Und der Aufwand, sie zu versenden, war riesig. Das Feedback war phänomenal. Beim Launch Ende April 2021 hatten wir schon am ersten Tag 500 Bestellungen. Aber das Wichtige war: Wir hatten diese extrem starke Community.

Der Markt für Energydrinks ist umkämpft: die günstigen im Discounter, dann Red Bull und gefühlt hat jeder zweite Rapper auch seine eigene Marke. Wie soll sich Holy da durchsetzen?

Wir wollen das Produkt an jeder Stelle besser machen: Wir machen es gesünder, wir machen es funktionaler, wir machen es nachhaltiger. Wer eine große Dose kauft, mit 50 Portionen á 0,5 Liter, zahlt 40 Euro. Das klingt auf den ersten Blick viel, aber der halbe Liter kostet umgerechnet 80 Cent. Und wer sich dann die Inhaltsstoffe anschaut, sieht: Wir bieten das bessere Produkt zu einem günstigeren Preis. Unser Geschäftsmodell basiert darauf, dass wir einen großen Kostenblock klein halten: die Logistik.

Weil Sie keine Dosen zum Kunden schaffen müssen.

Wir sparen bei Transportgewicht und Verpackungen sehr viel Geld. Der Inhalt eines Energydrinks kostet im Verhältnis zu anderen Nahrungsmitteln in der Produktion nicht viel. Es sind Marketing und Logistik, die den Preis treiben. Wir glauben, dass sich die Kombination von Werteversprechen und einer starken Marke durchsetzt. Die Menschen achten zwar aufs Geld, bevorzugen aber dennoch Marken, zu denen sie eine emotionale Verbindung haben.

Schreibt Holy schwarze Zahlen?

Wir sind seit Anfang des Jahres durchgehend profitabel. Wir wollten lieber nachhaltig als schnell wachsen. Umso mehr können und wollen wir jetzt investieren und starten viele verschiedene Projekte.

Gehört dazu auch der Einzelhandel? Dort ist Holy bisher nicht vertreten.

Wir verfolgen bewusst eine Online-First-Strategie, weil wir so viel stärker eine Community aufbauen können und auch ein viel tieferes Kundenverständnis bekommen. Das funktionierte für uns bisher sehr gut, aber vom nächsten Jahr an wagen wir uns in den Lebensmitteleinzelhandel. Um eine große Getränkefirma zu bauen, musst du da verfügbar sein, wo der Kunde letztlich ist. Mehr als 90 Prozent der Kunden kaufen ihre Getränke nicht online, sondern stationär.

Was macht Ihnen Hoffnung, dass Sie sich durchsetzen?

Wir wissen, wie schwierig es ist und dass wir nicht unendlich viele Versuche haben. Deshalb ließen wir uns Zeit bei der Vorbereitung, wir wollten sehr viel lernen und sehen, dass unsere Produkte wirklich funktionieren. Wir können die Produktion hochfahren und in zehn Jahren ein Unternehmen sein, das 80 bis 90 Prozent über den Lebensmitteleinzelhandel umsetzt. Das Onlinegeschäft haben wir jetzt im Kern verstanden, das internationalisieren wir jetzt auf weitere Märkte. Wir knacken den Lebensmitteleinzelhandel.

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