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„Auf dem Mond einmal volltanken und durchstarten zum Mars“

Astronaut Matthias Maurer den Umgang auf der Raumstation ISS, den Erdtrabanten und was er dorthin mitnehmen möchte.

Matthias Maurer. Bildnachweis: picture alliance/dpa | Britta Pedersen

Für die Raumfahrt wird der Mond immer wichtiger – als Standort für eine Station und als Rohstofflieferant. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa plant in den kommenden Jahren wieder bemannte Flüge zum Erdtrabanten. Der deutsche Astronaut Matthias Maurer hat gute Chancen, dabei zu sein. Zuletzt war 54-Jährige von November 2021 bis Mai 2022 auf der Internationalen Raumstation ISS im All. Die Fragen beantwortet er im Rahmen des Ludwig-Erhard-Gipfels.

Wie schafft man es, sich in der doch recht engen Raumstation ISS nicht zu streiten?

Bei der Auswahl der Astronauten wird auf sozial kompetente Menschen geachtet. Man weiß ja, wie das spätere Arbeitsumfeld aussehen wird. In Ausbildungskursen lernen wir zudem, dass jeder Mensch anders ist und auch andere Bedürfnisse hat und dass man am besten redet, wenn es Probleme gibt. Wir haben das zusammen trainiert, uns vor dem Flug noch zusammengesetzt und geklärt: Was stört dich jetzt an mir? Dann sag ich dir auch, was mich an dir stört. Das haben wir auch im All so gemacht. Da kommen Kleinigkeiten raus.

Welche Kleinigkeiten?

Ich dachte zum Beispiel, ich hätte mich super angestrengt, mein Columbus-Modul ordentlich aufzuräumen. Und die anderen sagen mir, es könnte schon ein bisschen ordentlicher sein. Das sind die kleinen Feinheiten, die jeder von zu Hause kennt. Jeder, der schon mal in einer WG gelebt hat, weiß, dass es den ein oder anderen stört, wenn die Zahnbürste an der falschen Stelle liegt. Das ist im All nicht anders. Wenn man darüber spricht, kann man auch diese Reibungspunkte sehr schnell entschärfen. Das war in unserem Fall sehr erfolgreich. Die Nasa sagte nach dem Flug zu uns: Ihr wart die glücklichste Crew, die wir jemals im All gesehen haben.

Wie läuft die Zusammenarbeit in der Raumstation, wenn sich die Länder der Astronauten auf der Erde bekriegen?

Ich war oben im All, als der Ukraine-Krieg ausbrach. Das war sehr, sehr traurig. Ein sehr bitterer Moment für uns. Die ISS, die Astronauten, haben ja stellvertretend vor einigen Jahren wegen ihres Beitrages zur Völkerverständigung den Großen Westfälischen Friedenspreis bekommen, der in Erinnerung an das Ende des Dreißigjährigen Krieges vergeben wird. Die ISS ist als Friedensprojekt gestartet.

Inwiefern?

Am Ende des Kalten Krieges gab es Pläne der Amerikaner für eine eigene Raumstation. Die Russen hatten damals die Mir-Station und wollten einen Nachfolger bauen. Da hat man gesagt: Der Eiserne Vorhang ist gefallen, die Sowjetunion existiert nicht mehr, lasst uns das doch zusammen machen, uns dadurch näher kommen und den Frieden stabilisieren in Europa. Das hat jahrelang hervorragend funktioniert. Den Wert dieses Raumfahrtprogramms für die Stabilisierung der politischen Lage in Europa kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Dass jetzt trotzdem auf der Erde wieder ein Krieg ausgebrochen ist, war deswegen doppelt bitter. Wir Astronauten hatten immer den Anspruch, Vorzeigemodell zu sein. Dass wir zeigen: Wenn ihr auf der Erde genauso gut zusammenarbeitet wie wir oben im All, hätten wir viel mehr Ressourcen und deutliche Fortschritte im Kampf gegen all diese Herausforderungen, vor denen unser Planet steht – vor allen Dingen der Klimawandel.

Und die Situation in der ISS? Astronauten plötzlich auf unterschiedlichen Seiten des Krieges?

Auf der Raumstation sind wir Menschen, die wissen, dass man nur zusammenarbeiten und alles am Laufen halten kann, wenn auch das Vertrauen untereinander da ist. Deswegen haben wir direkt nach dem Beginn des Ukraine-Krieges die Situation angesprochen. Die Kosmonauten und meine amerikanischen Kollegen hatten da die gleiche Meinung wie ich. Krieg ist keine Lösung. Es war sehr beruhigend zu sehen, dass wir alle auf der gleichen Ebene liegen. Deshalb lief die Zusammenarbeit hervorragend weiter. Das Vertrauensverhältnis war da – auch heute noch. Ich denke, wenn der Ukraine-Krieg endet, brauchen wir auch wieder Gesprächskanäle. Einer ist das Raumfahrtprogramm.

Was ist das Schönste, wenn man wieder auf der Erde ist?

Also die Erde ist natürlich ein deutlich besserer Platz als so eine Raumstation. Das fängt schon mal damit an, dass man hier frische Luft hat und dass man die Tür aufmachen kann, rausgehen, die Sonne genießen, die frische Luft der Natur einsaugen kann. Das Essen ist viel besser und jede Minute jede Minute für den Körper angenehmer. Der Mensch ist ja nicht für die Schwerelosigkeit gemacht. Das merken wir. Dort oben haben wir eine Flüssigkeit, Umlagerungen und dann auch mal ein leichtes Druckgefühl im Kopf. Das Leben auf der Erde ist schon deutlich angenehmer. Also von daher freut man sich auf all das Schöne, was einen hier auf der Erde erwartet. Aber so in Schwerelosigkeit zu schweben, das hat schon was. Und das fehlt mir auch.

Warum zieht der Mond die Menschen an? 

Der Mond ist ein Objekt, das jeden Abend am Himmel steht und das jeder Mensch kennt. Jeder hat wahrscheinlich davon geträumt, wie das wohl wäre, wenn man dort hinfliegen und drüber laufen könnte und wie die Erde von dort draußen aussehen würde. Der Mond ist ein Ort der Sehnsucht, immer zu sehen, aber nie erreichbar. Deswegen wirkt er auch so magisch auf uns Menschen. Er hat auch reale Bedeutung. 

Welche?

Wir können vom Mond aus Wissenschaft betreiben, um unsere Erde oder das Zusammenspiel Erde–Mond besser zu verstehen. Wie die Frühphase des Universums abgelaufen ist. Das alles sind wichtige Erkenntnisse, um den ganz großen philosophischen Fragen ein Stückchen näher zu kommen, die die Menschen seit Urzeiten beschäftigen: Wie ist das alles entstanden? Wie kam das Leben auf die Erde? Und gibt es Leben auch außerhalb dieser Erde?

Welche Chancen bietet der Mond sonst?

Auf dem Mond gibt es auch viele Chancen für technologischen Fortschritt – zum Beispiel Wassereis in den Polarregionen. Das wissen wir jetzt, aber noch nicht zu Zeiten der US-Apollo-Missionen. 

Also zwischen 1966 und 1972. Damals war zuletzt ein Mensch auf dem Mond.

Genau. Wassereis ist eine wichtige Ressource. Das kann man aufspalten in Wasserstoff und Sauerstoff. Das ist Raketentreibstoff. Das heißt, der Mond könnte zur Tankstelle werden, für Reisen über den Mond hinaus. Man braucht schon sehr viel Treibstoff, um erst einmal von der Erde wegzukommen, weil sie eine große Anziehungskraft hat. Man könnte auf dem Mond einmal volltanken und durchstarten zum Mars oder wo man sonst hinfliegen möchte. Der Mond ist dann der neue Vorposten der Menschheit.

Und sonst?

Auf dem Mond gibt es auch Ressourcen, die man ausbeuten könnte, verschiedene Metalle. Helium drei für die Kernfusion. Der Mond ist aber auch ein spannender Platz für Weltraumbeobachtung, um Signale aus dem Universum aufzufangen und Erkenntnisse über die Frühphase des Universums zu bekommen. Diese Radiowellen werden von der Erdatmosphäre geschluckt, wir können sie auf der Erde nicht empfangen.

Bald sollen wieder Menschen auf dem Mond landen. Wann ist es soweit?

Die Reise zum Mond steht in den nächsten Jahren hoffentlich an, Europa ist ein ganz starker Partner der Nasa im Artemis-Programm. Wir haben bereits drei Tickets gesichert für europäische Astronauten, die dann mit zum Mond fliegen dürfen. Ich hoffe, ich gehöre dazu. Auf jeden Fall bereite ich mich entsprechend vor. In Köln haben wir ein neues Mond-Trainingszentrum. Luna heißt das. Dort bereiten wir sowohl die Technologie für die Mond-Exploration vor als auch die Astronauten und die Wissenschaftler, die das alles planen.

Was würden Sie zum Mond mitnehmen?

Ich denke, die Himmelsscheibe von Nebra wäre ein großartiges Objekt. Das ist das älteste Objekt, was den Nachthimmel realistisch darstellt. Sie wurde in Deutschland gefunden und ist ein Nachweis dafür, dass die Menschen vor zweieinhalbtausend Jahren schon die gleichen Fragen hatten wie wir. Sie wollten verstehen, wie das Universum funktioniert und haben diese Scheibe gebaut, um sie auch als Kalender zu nutzen, als technisches Hilfsmittel. Wenn man zum Mond fliegt, dann wäre es schön, diesen Gedanken mitzunehmen. Wir setzen die Arbeit unserer Vorfahren fort, nehmen vielleicht eine moderne Variante einer solchen Himmelsscheibe mit, die zum Beispiel auch als Reflektor dienen könnte. Auf dem Mond brauchen wir solche Reflektoren, damit wir mittels Laser-Messung von der Erde aus die Entfernung zwischen Erde und Mond auf den Millimeter genau bestimmen können.

Was ist sonst auf dem Mond nötig?

Ein 3D-Drucker, um ein Haus zu bauen. Wir können keinen Beton oder Wasser einfliegen. Und deswegen müssen wir lernen, wie wir aus dem Mondsand ein Haus bauen. Wir müssen auch andere Dinge aus den Mond-Ressourcen herstellen können. Das Wassereis kann man als Trinkwasser verwenden. Wir können daraus Sauerstoff herstellen. Und man kann es als Energiespender verwenden, Wasserstoff und Sauerstoff in einer Brennstoffzelle zu Strom umwandeln. Und wir müssen wahrscheinlich viele andere Dinge mitnehmen, weil wir die ganze Hochtechnologie und Elektronik auf dem Mond noch nicht selbst herstellen können.

Sie können den Ludwig-Erhard-Gipfel live unter www.leg-live.de verfolgen. Den Ticker zum Gipfel finden Sie hier.

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