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Debatte > Kommentar zur FDP

Opportunisten und Rechthaber

Die Liberalen waren mal die Partei der Unternehmer. Davon ist derzeit wenig übrig. Das Verhalten – zu sehen gerade beim EU-Lieferkettengesetz – schädigt den Standort Deutschland.

Deutschland wird der EU-Lieferkettenrichtlinie nicht zustimmen. Dafür haben die FDP-Bundesminister Christian Lindner und Marco Buschmann gesorgt. Bildnachweispicture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Man kann sich Eindrucks nicht erwehren, dass Unternehmen bei der Ampel-Regierung kein hohes Standing mehr haben – und das ist noch höflich ausgedrückt. Die SPD tut sich als Partei der Arbeitnehmer seit jeher schwer. Den Grünen wohnt eine gewisse Skepsis inne: Das Nicht-Vertrauen zeigt sich vor allem bei allem rund um Nachhaltigkeit durch kleinteilige Vorgaben. Und die letzte Hoffnung der Unternehmer, die FDP, hat offenbar das Maß verloren beim Politisieren von Regelungen, die gerade für den Mittelstand sehr wichtig sind: so zum Beispiel auch beim Lieferkettengesetz der EU. 

Grundsätzlich sollte nach langen Verhandlungsjahren zwischen europäischem Parlament, EU-Kommission und allen Mitgliedsländern ein halbwegs vernünftiger Kompromiss herausgekommen sein, den alle unterschreiben können. Auf jeden Fall haben sich Unternehmen bereits darauf eingestellt, dass bestimmte Berichtspflichten europaweit gelten sollen und die schon existierende deutsche Sonderregelung nicht dauerhaft belastet. Und dann kommt die deutsche Kleinpartei kurz vor der Abstimmung um die Ecke und blockiert aus parteitaktischen Gründen eine EU-weite Regelung, die für mehr Planungssicherheit und Chancengleichheit gestanden hätte. 

Solch ein Einsatz wäre an anderer Stelle gut zu gebrauchen gewesen: mehr staatliche Digitalisierung, schnellerer Breitbandnetzausbau, vereinheitlichte Verwaltung, kürzere Verfahren – die Liste ist lang. Die Unternehmerpartei FDP jedenfalls ist kaum wiederzuerkennen. Oder vielleicht zeigt sich doch, dass sie keine Unternehmerpartei mehr ist, sondern eine Gruppe von Opportunisten, Rechthabern und Prinzipienreitern. Zumindest verfestigt sich dieses Bild in der Öffentlichkeit. Erstaunlich, dass dieselben Leute einen überraschend zukunftsfähigen Koalitionsvertrag mitformuliert haben. Ende 2021 witterte Deutschland Aufbruch. Lang ist es her. 

Unternehmertum hat mit Verlässlichkeit zu tun, die die FDP derzeit vermissen lässt. Sie schadet damit dem Standort Deutschland, denn die anderen Europäer sind angesichts der Vielzahl dieser Last-Minute-Blockaden längst dazu übergegangen, Pakte zu schmieden, die Deutschlands (unverlässliche) Stimme nicht mehr brauchen. Den Wählerinnern und Wählern entgeht das nicht, wie die Umfragewerte der Partei zeigen. Dass sie jetzt ihr Profil schärfen will, verheißt nichts Gutes. Noch mehr Blockieren und Unruhestiften und in der Folge Unsicherheit braucht die deutsche Wirtschaft nicht.

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