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Recht und Steuern > Urteil der Woche

Extrem unkooperativer Betriebsrat kann per Gerichtsbeschluss aufgelöst werden

Verstößt ein Betriebsrat erheblich gegen seine Pflichten, kann er aufgelöst werden. Darunter fällt auch, wenn er nicht zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit bereit ist, entschied das Arbeitsgericht Elmshorn.

Quelle: shutterstock

Der Fall 

Eine Verkehrsgesellschaft mit knapp 170 Mitarbeitern hatte einen Betriebsrat mit sieben Mitgliedern. An dessen Arbeit gab es allerdings nicht nur seitens der Arbeitgeberin, sondern auch der Belegschaft massive Kritik. Beide zogen deshalb mit einem Antrag auf Auflösung des Betriebsrats vor das Arbeitsgericht.
Die Liste der Pflichtverletzungen, die sie dem Gericht vortrugen, war lang: Für seine Arbeit nahm der Betriebsrat beispielsweise bezahlte Freistellung im Gesamtumfang von mehr als drei Vollzeitstellen in Anspruch – so viel, wie nach dem Gesetz erst für eine Betriebsgröße von 901 bis 1500 Mitarbeiter vorgesehen ist. Mehrere Tage in der Woche kontrollierten verschiedene Betriebsratsmitglieder die Dienstpläne, statt ihrer eigentlichen Arbeit nachzugehen, obwohl es keinen stichhaltigen Grund dafür gab. Urlaubsanträge bearbeitete und prüfte der Betriebsrat, obgleich es darüber gar keinen Streit zwischen der Arbeitgeberin und den beteiligten Arbeitnehmern gab. Bei der Ankündigung seiner Betriebsratsarbeit war er bei den Zeitangaben durchweg so ungenau, dass die Mitglieder für den ganzen Tag ausgeplant werden mussten. Und anders als gesetzlich vorgesehen, schloss der Betriebsrat sowohl den Geschäftsführer der Arbeitgeberin als auch weitere Führungskräfte von der Teilnahme an der Betriebsversammlung aus.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Elmshorn gab dem Antrag auf Auflösung des Betriebsrats statt und begründete dies mit der Zusammenschau diverser Pflichtverletzungen. Auch wenn einzelne Verstöße zwar für sich genommen noch keine Auflösung rechtfertigen, stellte das Gericht klar, könne sich aus der Gesamtschau mehrerer Gesetzesverstöße sehr wohl ergeben, dass die weitere Amtsausübung untragbar sei. Als Verstoß komme dabei auch die grundsätzliche Missachtung der Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit in Betracht. 
Bei seinem Urteil stützte sich das Gericht auf die Regelung in Paragraf 23 des Betriebsverfassungsgesetzes, nach der ein Betriebsrat, der gegen seine gesetzlichen Pflichten verstößt, aufgelöst werden kann, wenn ein Viertel der Beschäftigten, der Arbeitgeber oder auch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft dies beim Arbeitsgericht beantragt. Wie das Arbeitsgericht Elmshorn bestätigt, müssen dabei die Verstöße des Betriebsrats objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein.

Das sagt der Experte

„Grundsätzlich genießt der Betriebsrat von Gesetzes wegen einen besonderen Schutz. Die Hürden, einzelne Mitglieder abzuberufen oder sogar den Betriebsrat komplett aufzulösen, sind hoch“, sagt Bernd Pirpamer, Partner der Kanzlei Eversheds Sutherland. Als gewählte Vertreter der Belegschaft hätten Betriebsräte allerdings die Pflicht, mit dem Arbeitgeber im Interesse der Mitarbeiter vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. „Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist dabei eben keine leere Worthülse, sondern eine gesetzlich verankerte Verpflichtung für beide Seiten“, so Pirpamer. Für geringere oder mittlere Pflichtverstöße sehe das Gesetz keine betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen vor, vielmehr könne erst ein grober Pflichtverstoß sanktioniert werden und dies gleich mit dem sofortigen Ausschluss eines einzelnen Betriebsratsmitglieds oder der Auflösung des gesamten Gremiums. „Zuvor muss der Betriebsrat aber ganz erheblich das Vertrauen der Belegschaft und des Arbeitgebers beschädigt haben“, betont der Arbeitsrechtler. Dass sich auch die Summe vieler einzelner Pflichtverstöße zu einem erheblichen Pflichtverstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit auswachsen könne, wie es das Arbeitsgericht Elmshorn entschied, sei vertretbar. „Für den Arbeitgeber sowie für Belegschaften ist dies eine zu begrüßende Argumentationslinie gegenüber rechtswidrig handelnden Betriebsräten und Betriebsratsmitgliedern.“

Arbeitsgericht Elmshorn, Urteil vom 23. August 2023, Az. 3 BV 31 e/23 
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig; es ist Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein eingelegt worden.