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Recht und Steuern > Urteil der Woche

Betriebsratsvorsitzender als Datenschutzbeauftragter?

Kann ein Betriebsratsvorsitzender zugleich auch der Datenschutzbeauftragte im Unternehmen sein? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zu dieser Frage seine Ansicht geändert und sagt mit einem aktuellen Urteil: Nein, das geht nicht.

Verweigerte Kooperation: Weigert sich ein Betriebsrat mit dem Personalleiter des Arbeitgebers zusammenzuarbeiten, kann er aufgelöst werden.
Das Gericht hat geurteilt. Betriebsratsvorsitzende können nicht gleichzeitig die obersten Datenschützer im Unternehmen sein.

Das Bundesdatenschutzgesetz verpflichtet Unternehmen, in denen mindestens 20 Beschäftigte ständig mit der elektronischen Verarbeitung personenbezogenen Daten zu tun haben, einen Datenschutzbeauftragten zu benennen. Das Problem: „Gerade in kleinen und mittelgroßen Unternehmen ist die Auswahl an fachlich geeigneten Personen, die für das Amt des Datenschutzbeauftragten in Betracht kommen, meistens nicht sehr groß“, bestätigt Tomislav Santon, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Kliemt.Arbeitsrecht. „Deshalb kommt es in der Praxis öfter vor, dass eine Person ausgewählt wird, die zugleich auch dem Betriebsrat angehört.“

Der Fall

So auch in dem Fall, der später vor Gericht landen sollte. Hier bestellte der Arbeitgeber im Juni 2015 den Vorsitzenden des Betriebsrats zum Datenschutzbeauftragten. Die Landesdatenschutzbehörde war damit allerdings nicht einverstanden, sondern beanstandete, dass beide Ämter nicht miteinander zu vereinbaren seien. Der Arbeitgeber widerrief im Dezember 2017 die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten mit sofortiger Wirkung und ein zweites Mal nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Mai 2018. Damit aber war der Betriebsratsvorsitzende nicht einverstanden und klagte. Das Arbeitsgericht Dresden und Landesarbeitsgericht Sachsen gaben dem Mann Recht.

Das Urteil

Das Bundesarbeitsgericht sah es schließlich anders. Der Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund sei gerechtfertigt gewesen. Ein solcher wichtiger Grund – so das BAG – liege vor, wenn der zum Datenschutzbeauftragten bestellte Arbeitnehmer die für die Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit nicht (mehr) besitze. Das könne auch der Fall sein, wenn Interessenkonflikte drohten, etwa weil der Datenschutzbeauftragte innerhalb einer Einrichtung eine Position bekleide, welche die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Zu diesem Aspekt hatte das Bundesarbeitsgericht zuvor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) befragt (Urteil vom 9. Februar 2023, C-453/21). Ausgehend von dessen Entscheidung gab das BAG seine frühere Einschätzung, dass nämlich die Ämter als Betriebsrat und als Datenschutzbeauftragter sich nicht ausschlössen, auf und stellte fest: Die Aufgaben eines Betriebsratsvorsitzenden und eines Datenschutzbeauftragten können durch dieselbe Person nicht ohne Interessenkonflikt ausgeübt werden.

Die Begründung

Zur Begründung führt das BAG ausweislich der Pressemitteilung an, dass personenbezogene Daten dem Betriebsrat nur zu Zwecken zur Verfügung gestellt werden dürften, die das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich vorsehe. Der Betriebsrat entscheide durch Gremiumsbeschluss darüber, unter welchen konkreten Umständen er welche personenbezogenen Daten vom Arbeitgeber fordere und auf welcher Weise er diese anschließend verarbeite. In diesem Rahmen lege er die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten fest. Aus diesem Grund könne der Betriebsratsvorsitzende die Einhaltung des Datenschutzes nicht hinreichend unabhängig überwachen. „Für das BAG ist damit eine Interessekollision offensichtlich, denn der Betriebsratsvorsitzende als Datenschutzbeauftragter müsste sich selbst kontrollieren und könnte den Arbeitgeber nicht neutral in datenschutzrechtlichen Angelegenheiten beraten“, erklärt Arbeitsrechtler Santon. „Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass der EuGH das BAG zu einer längst überfälligen Rechtsprechungsänderung veranlassen konnte.“

Die Folgen

Für Arbeitgeber wird der Spielraum bei der Wahl des Datenschutzbeauftragten durch das Urteil enger. „Das BAG hat zwar ausdrücklich offengelassen, ob dem Amt des Datenschutzbeauftragten auch die bloße Betriebsratsmitgliedschaft, also unabhängig von der Stellung des Vorsitzenden, entgegensteht“, so Tomislav Santon. „Vieles spricht aber dafür, eine Interessenkollision auch in diesem Fall anzunehmen.“ Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Arbeitgeber deshalb grundsätzlich davon absehen, ein Betriebsratsmitglied zum Datenschutzbeauftragten zu bestellen.
 
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. Juni 2023 - 9 AZR 383/19 – Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2019 - 9 Sa 268/18

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