Automobilzulieferer prüfen Local Sourcing
Für Automobilzulieferer stellt sich die Frage, ob sie ihren Einkauf stärker an der weltweiten Expansion der OEMs ausrichten. Neben dem lokalen Sourcing gibt es noch weitere Optionen.
Der weltweite Expansionszug der OEMs hat auch Konsequenzen für den Einkauf der mittelständischen Zulieferer. Automobilzulieferer, die über 50 Millionen Euro Umsatz erzielen, werden regelmäßig angefragt, ob sie sich in der Nähe eines neuen OEM-Produktionswerkes ansiedeln werden. Für den OEM bedeutet der deutsche Zulieferer vor Ort, dass er sein Risiko minimiert und kostengünstig vor Ort einkaufen kann. „Die OEMs verlangen weltweit den gleichen Qualitätsstandard sowie Sicherheit in der Lieferkette, aber in den Low-Cost-Countries zu günstigeren Preisen, Risiken verbleiben oftmals in der Verantwortung der First Tier Supplier“, beschreibt der strategische Einkäufer eines mittelständischen Automobilzulieferers in Nordrhein-Westfalen die Anforderungen.
Allein in den nächsten vier Jahren planen die OEMs den Bau von 62 neuen Produktionsstätten. Davon sollen 32 in China entstehen, gefolgt von Brasilien mit sieben und Thailand mit sechs neuen Produktionsstätten, wie die aktuelle Studie „Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing“ von Deloitte ergab. VW baut aktuell an drei neuen Standorten in China, Thailand und Indonesien. Während des China-Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel gab der Wolfsburger Automobilbauer den Bau zweier weiterer, neuer Fahrzeugwerke an der Ostküste Chinas bekannt. Bislang betreibt VW 17 Fabriken in China.
Automobilzulieferer: Zölle und Logistik geben den Ausschlag
Bei der Gedia Automotive Group wird diese Entwicklung intensiv verfolgt. Auch der mittelständische Automobilzulieferer erhält im Jahr mehrere Anfragen von den Automobilproduzenten, ob er um den OEM herum Produktion und Einkauf ansiedelt. Der Zulieferer hat mehrere Optionen entwickelt. Neben dem Aufbau eines eigenen Werks werden Joint Ventures oder andere Kooperationen mit Dienstleistern vor Ort geprüft. „Wir sind in diesen Themen mittendrin“, erklärt der Einkaufsleiter Klaus Bierwirth. Die Entscheidung für oder gegen einen Standort und für die richtige Strategie ist komplex. Viele Einflussfaktoren gehen darin ein wie eine Risikoanalyse der Situation vor Ort, die Vorgaben der OEMs, die Komplexität der Teilestruktur, die Versorgungssicherheit oder rechtliche Gegebenheiten.
„Auch wenn der Produktionspreis in den Low Cost Countries unschlagbar ist, so spielen die Logistik, Zölle, rechtliche Rahmenbedingungen sowie Risiken in der Lieferkette eine große und oft auch ausschlaggebende Rolle“, führt Bierwirth aus. In Indien beispielsweise gelten selbst innerhalb der Landesgrenzen schon unterschiedliche Zollabwicklungen. Wenn die Entscheidung für den Aufbau eines eigenen Einkaufs vor Ort gefallen ist, startet der Zulieferer oft zunächst mit bereits bekannten Lieferanten vor Ort und ergänzt ggfs. mit Zulieferungen aus Europa. In einem zweiten Schritt werden weitere, lokale Lieferanten entwickelt. Best Practice Workshops mit den lokalen Standorten, einheitliche Produktionssysteme sowie die Einführung von Unternehmensstandards sollen die strategischen Vorgaben international verankern.
Ressourcen zur Internationalisierung im Einkauf fehlen
Viele OEMs empfehlen auch, Zulieferer aus lokalen Märkten aufzubauen. „Nicht ganz uneigennützig“, wie Dirk Vogel, Netzwerkmanager des Netzwerks der Automobilzulieferer in Sachsen anmerkt. Nachdem der Zulieferer den Lieferanten entwickelt und qualifiziert hat, kann ihn auch der OEM selbst als Lieferanten anfragen. Für die sächsischen Automobilzulieferer treibt das Netzwerk das Thema „Internationalisierung“ intensiv voran. „Das Hauptthema ist nicht, dass die sächsischen Zulieferer nicht wollen, sondern, dass kleine Mittelständler häufig keine Ressourcen zur Internationalisierung des Einkaufs haben. Der Einkaufsleiter selbst muss sich in Richtung Internationalisierung entwickeln“, erklärt Vogel.
In Sachsen sind 450, überwiegend kleinere und mittelständische, Zulieferer ansässig. Das Netzwerk unterstützt den weltweiten Einkauf mittels Einkaufsbörsen, auf denen gezielt unterschiedliche Regionen vorgestellt werden, um regionalen Zulieferern einen internationalen Einkauf zu ermöglichen. „Kleinere Zulieferer haben häufig weder die Managementressourcen noch die finanziellen Möglichkeiten, um eine eigene Internationalisierungsstrategie zu verfolgen, hat Vogel beobachtet.
China: Herausforderungen für den Einkauf in der Automobilbranche
Die OEMs produzieren in China, um den Vertriebskanal abzusichern. Für VW ist China der wichtigste Absatzmarkt. Für die Automobilzulieferer ist China jedoch eine schwierige Baustelle. Die Fluktuation unter den Arbeitnehmern bleibt eines der größten Probleme: „Gut ausgebildete Chinesen wechseln ihren Arbeitgeber durchschnittlich alle 15 Monate und erwarten zudem einen Lohnanstieg von mindestens 10 Prozent pro Jahr“, beschreibt Sebastian Bock, Vice President Strategischer Einkauf des Automobilzulieferers Al-Ko Kober, die Situation vor Ort. Wie für viele andere Unternehmen sei es auch für AL-Ko Kober schwierig, qualifiziertes Personal für die chinesischen Standorte zu gewinnen.
Auch Gedia ist seit nunmehr vier Jahren vor Ort in China vertreten. „China war für uns ein komplett neuer Markt“, beschreibt Einkaufsleiter Bierwirth die Anfänge. Die größte Herausforderung sei es gewesen, die richtigen Ansprechpartner und Netzwerke zu finden. „Eine zentrale Frage war für uns: Wie agieren die Netzwerke?“ Der Zulieferer entschied sich schließlich dafür, vor Ort einen chinesischen Geschäftsführer einzustellen. „Aus Europa war es uns nicht möglich zu sehen, wo die Akteure sind“, erklärt Bierwirth.
Fünf Faktoren für die Lieferantenentwicklung in China
(1) Potenzial und Entwicklungsbedarf des potentiellen Lieferanten untersuchen. Ist der Lieferant flexibel genug, um sich an geänderte Bedarfe anzupassen?
(2) Aktives Gestalten des Verhältnisses: Spezifikationen und Qualitätssicherungsvereinbarungen in regelmäßigen Gesprächen abstimmen
(3) Workshops vor Ort mit Management und Produktverantwortliche des Zulieferers. Darin werden die Rahmenbedingen der Zusammenarbeit wie Zielsetzungen, Projektorganisation, Zeitplan für alle Beteiligten definiert und vereinbart.
(4) Analysephase zwecks Untersuchung der Unternehmensprozesse und Aufdeckung von Schwachstellen
(5) Partnerschaft zwischen Hersteller und Lieferant bei seiner Entwicklung: Nicht alle Lösungen aus westlicher Sicht sind umsetzbar oder sinnvoll; der Lieferant sollte sich mittels Finanz- und/oder Humankapital an der Unterstützung beteiligen
Quellen: Markt und Mittelstand, Al-Ko Kober