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Zukunftsmärkte > Umfrage des HDE

Handel rechnet mit furchtbarem Jahr 2023

Die deutschen Händler blicken so skeptisch in die Zukunft wie lange nicht. Und suchen gleichzeitig händeringend Personal. Die Branche setzt zunehmend auf das Onlinegeschäft, doch selbst hier gab es zuletzt Rückschläge.

2023 dürfte für den deutschen Einzelhandel ein sehr schwieriges Jahr werden.

Inflation, hohe Kosten für die Energie und die ungewisse Konjunkturentwicklung haben die Kauflaune der Verbraucher erheblich gedrückt. Entsprechend was 2022 für die deutschen Händler wenig erfreulich und auch in dieses Jahr gehen sie von einem weiteren Rückgang der Geschäfte aus: Für 2023 rechnet die Branche im stationären Geschäft mit einem realen Rückgang von vier Prozent. Das ergab eine Umfrage unter 900 Unternehmen. „So schwierig war die Entwicklung nicht einmal 2009“, fasst Olaf Moik, Volkswirt des Verbandes des Deutschen Handels (HDE) die Lage zusammen.


Im vergangenen Jahr haben die Verbraucher unter anderem bei den Weihnachtgeschenken gespart. Real verbuchte der Handel in der umsatzstärksten Zeit des Jahres ein Minus von 6,9 Prozent. Selbst die Wachstumslokomotive Onlinehandel hat 2022 ihre Zugkraft verloren. Über diesen Weg wurden im Weihnachtsgeschäft vier Prozent weniger verkauft als noch im Vorjahr. So hat der deutsche Einzelhandel 2022 zwar nominal um sieben Prozent auf 631 Milliarden Euro zugelegt – doch die Zahl täuscht angesichts der hohen Inflation: Preisbereinigt schrumpfte das Geschäft um 0,8 Prozent. Selbst der Onlinehandel litt unter der Zurückhaltung der Verbraucher, hier rechnen die Händler allerdings für 2023 mit einer deutlichen Erholung. Der Umsatz über das Internet soll 91,8 Milliarden Euro erreichen nach 85 Milliarden Euro in 2022. Auch preisbereinigt wäre das dann ein Zuwachs von vier Prozent.

Schwerer Stand in mittelgroßen Zentren

Doch alles in allem urteilt HDE-Präsident Alexander von Preen: „Der Handel verliert weiter an Boden.“ Wobei die Entwicklung bei näherer Betrachtung sehr unterschiedlich ist. Vor allem in kleineren und mittelgroßen Städten leidet die Branche. Viele Leerstände zeugen davon, dass das stationäre Geschäft dort immer weniger läuft. Die Zurückhaltung der Verbraucher trifft auch größere Betriebe wie beispielsweise die Kaufhauskette Galeria Kaufhof, die 2022 erneut in Schieflage geraten ist. Der Konzern will bis zu 60 seiner 131 Filialen schließen. Endgültig Klarheit, welche Standorte geschlossen werden, wird es für die rund 17.400 Beschäftigten und ihre Kunden wohl erst im März geben.

Der Handel spürt, dass die Verbraucher vor allem mit bescheideneren Einkommen stark unter den gestiegenen Preisen leiden. Viele müssten sogar an ihre Ersparnisse, um das gewohnte Konsumniveau halten zu können. Einen weiteren Stimmungsdämpfer befürchtet die Branche, wenn bei den Verbrauchern die Nachforderungen für die Nebenkosten ins Haus flattern. Der HDE rechnet erst für die zweite Jahreshälfte mit einer gewissen Entspannung der Lage. Dann werde auch der Preisdruck abnehmen, so von Preen.

Er erwartet, dass die Transformation der Branche zu einem immer mehr digitalisierten Geschäft mit großen Schritten voranschreiten wird. Denn Insgesamt ist jeder fünfte Deutsche täglich auf einer Shopping-App unterwegs. Online wird vor allem von der jüngeren Käuferschicht frequentiert. Nach einer Erhebung der Hamburger Marktforschen von Appendio ist jeder Vierte in der Altersgruppe zwischen 25 und 34 täglich im Internet auf der Suche nach günstigen Angeboten.

Unfreundliches Personal schreckt ab

Für alle Altersklassen ist der Zeitfaktor entscheidend, warum man online einkauft. Hier will der HDE gegensteuern und fordert bewegliche Zeiten für die Beschäftigten. Ein Abbau der Regulierung, beispielsweise durch eine Umstellung auf Wochenarbeitszeiten, könne länge Ladenöffnungen beispielsweise auch am Sonntag ermöglichen, meint Verbandschef von Preen. Doch der stationäre Handel kann auch an anderer Stelle punkten: Beim Einkauf im Netz stört jeden zweiten der befragten Verbraucher die hohen Versandkosten gefolgt von den langen Lieferzeiten. Abschreckend nennen hingegen 53 Prozent der Kunden das unfreundliche Personal in den Geschäften. Bei den 55- bis 65-Jährigen sind es sogar 62 Prozent.

Viele Betriebe haben den Wechsel oder die Erweiterung ins Internet noch vor sich. Im vergangenen Jahr waren 56 Prozent noch nicht mit einem Angebot online vertreten. So überrascht nicht, dass drei von vier Händlern ihre Investitionen im Online-Bereich deutlich ausbauen wollen. Lediglich im Lebensmittelbereich werde diese Option noch zurückhaltend bewertet, heißt es beim Verband. Der fordert von der Politik, keine zusätzlichen Hürden aufzubauen. Tatsächlich will die EU den großen Plattformen das Einsammeln von Daten erschweren, die diese mit Hilfe von künstlicher Intelligenz umfassend auswerten und sich so Vorteile verschaffen.  Der HDE beklagt zudem, dass Hersteller den Händlern im Netz behindern, weil sie ihre Ware lieber direkt verkaufen wollen. Dies müsse man kartellrechtlich prüfen, fordert der HDE.

Lebensmittelhandel stockt Belegschaften auf

Auch ohne Onlinehandel haben sich die Lebensmittelgeschäfte im Gegensatz zu anderen Segmenten gut entwickelt. Sie sind vor allem während der Corona-Pandemie gewachsen. Ein Großteil der 70.000 Stellen, die der Handel im vergangenen Jahr aufgebaut hat, sind im Lebensmitteleinzelhandel entstanden. Im vergangenen Jahr waren insgesamt 3,1 Millionen Frauen und Männer im Handel beschäftigt. Und es könnten noch wesentlich mehr sein. Denn trotz aller aktuellen Schwierigkeiten sucht die Branche händeringend nach weiteren Mitarbeitern. Aktuell sind 50.000 Stellen unbesetzt.

HDE-Präsident von Preen fordert deshalb die Politik zu einer „mutigen Zuwanderungspolitik“ auf. Dabei sollten seiner Ansicht nach bürokratische Hürden abgebaut werden, damit mehr Bewerber aus dem Ausland eine Arbeitserlaubnis bekommen. Zudem fordert der Verband eine Investitions- und Innovationsoffensive für die Berufsschulen und mehr Anerkennung für die Chancen und Vorteile einer dualen Berufsausbildung. Allerdings will man auch in Deutschland um Interessenten werben.  „Wir müssen künftig noch besser die Attraktivität des Einzelhandels und seiner Arbeitsplätze mit einer Vielfalt an Entwicklungsmöglichkeiten darstellen“, räumt der HDE-Chef ein.

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