So wehren Sie Preiserhöhungen ab
Nach einer Tariferhöhung oder spätestens zum Jahreswechsel ist es wieder soweit: der Lieferant verkündet eine Preiserhöhung. Dieser schriftlich zu widersprechen ist nur eine erste Maßnahme in einem ganzen Arsenal von Abwehrtechniken.
Es gibt Ereignisse, nach denen kann man die Uhr stellen – oder den Kalender. So kann fast jeder Einkaufsmanager ein Liedchen davon singen, wie sich im Dezember die Briefumschläge auf dem Schreibtisch immer höher stapeln. Doch statt um Festtagskarten handelt es sich um Ankündigungen von Preiserhöhungen. Zum Ende jedes Jahres ziehen Unternehmen Bilanz und wissen dann, wo sie der Kostenschuh drückt. Zudem laufen vereinbarte Langfristkontrakte aus und müssen neu verhandelt werden. So weit die nachvollziehbaren Gründe.
Möglich ist hingegen auch, dass die Preise seit Jahren nicht mehr erhöht wurden oder der Lieferant die gute Konjunktur ausnutzt, um die Kundschaft auszudünnen. Doch egal, was der Grund ist: Die Einkaufsabteilung des Kundenunternehmens muss handeln. Um angekündigte Preiserhöhungen abzuwenden, gibt es zahlreiche Methoden und Strategien. Wie das Resultat ausfällt, hängt am Ende von den Marktkenntnissen, dem menschlichen Gespür, einem gerüttelt Maß an Verhandlungsgeschick sowie möglichen Alternativen ab. Die gute Nachricht lautet: „Die Chancen für einen Erfolg stehen meistens ganz gut. Und es gibt immer einen Spielraum, in dem man sich vereinbaren kann“, sagt Stefan Hansmann, Leiter Strategischer Einkauf bei dem Haus- und Systemtechnikhersteller Stiebel Eltron.
Der Jäger wird zum Gejagten
Die erste und wichtigste Gegenmaßnahme ist der zeitnahe schriftliche Widerspruch. Viele Unternehmen legen sogar grundsätzlich gegen alle Preiserhöhungen Widerspruch ein. Sie wissen aus Erfahrung, dass die meisten Argumente – wenn überhaupt welche genannt werden – fadenscheinig sind. „Ob und wann es sich tatsächlich lohnt, in Verhandlungen einzutreten, ist natürlich immer davon abhängig, wie wichtig das zugelieferte Produkt für die Herstellung ist“, sagt Mark Winkler, Geschäftsführer von BDT Prolog, der Einkaufsgesellschaft des Hardwareproduzenten BDT-Gruppe.
Das A und O für einen Verhandlungserfolg ist, dass der Einkäufer selbst die Marktlage kennt. „Wir prüfen die Forderungen unseres Zulieferers auf Plausibilität und erstellen darüber hinaus eine eigene Kalkulation“, berichtet Stefan Hansmann. „Darüber hinaus sehen wir uns die Preisveränderungsraten in der Branche unserer Zulieferer beim Statistischen Bundesamt an.“ Gute Argumente, um höhere Forderungen abzuwehren, können auch die Geschäftsberichte liefern, in denen sich vor allem größere Unternehmen gern mit Produktivitätszuwächsen oder Effizienzsteigerungen brüsten. Diese Zahlen kann der Einkäufer zu seinen Gunsten einsetzen.
„Der Einkäufer darf sich nicht mit allgemeinen Prozentwerten abspeisen lassen“, sagt Frank Sundermann, der die Einkaufsberatung Durch Denken Vorne Consult führt. Zu den harten Fakten gehören etwa genaue Aufstellungen der Kostenanteile, wobei die einzelnen Posten in absoluten Zahlen angegeben sein sollten. Am besten sind Dokumente, die die behauptete Notwendigkeit einer Preiserhöhung belegen. Erkennt der Vertriebler, dass er mit seiner pauschalen Begründung nicht durchkommt, ist er in der Regel relativ schnell bereit, Abstriche von der ursprünglichen Forderung zu akzeptieren. „In 20 bis 30 Prozent der Fälle sind Preiserhöhungen dann sogar gleich vom Tisch“, weiß Sundermann.
Herausforderung volatile Rohstoffpreise
Lieferanten können in der Not helfen
Spitzenpreise bei wichtigen Rohstoffen verursachen immer wieder Versorgungsengpässe bei Unternehmen. Doch es gibt Möglichkeiten, wie Zulieferer ihren Teil zur Kostenentlastung beitragen können:
- Die Fertigungstiefe absenken: Durch die zusätzliche Erteilung einer Einkaufsfreigabe bei Projektverträgen kann sich der Zulieferer dann selbst bevorraten – und so selbst Einsparpotentiale heben.
- Der Lieferant errichtet in der Nähe des Kunden ein Konsignationslager, das er befüllt. Der Kunde bezahlt nur das, was er auch tatsächlich entnimmt. Auf diese Weise wird weniger Kapital gebunden, und die Versorgungssicherheit steigt.
Projektverträge machen Preisverhandlungen überflüssig
Ein weiterer effektiver Schritt, der den Vertriebsmanager in die Defensive bringen kann, ist die Frage, welche Optimierungsschritte ein Lieferant getroffen hat, um die Erhöhungen so gering wie möglich zu halten. „Man darf nicht auf Preisbasis argumentieren, sondern muss über Kosten sprechen“, sagt Stefan Hansmann. Als Beispiel nennt der erfahrene Einkäufer das Abspecken beim Spezifikationskatalog oder die Verlagerung der Produktion der Zulieferteile an kostengünstigere Standorte. Um Einsparpotentiale zu finden, kann etwa ein gemeinsamer Blick mittels Wertstromanalysen helfen, in denen alle Aktionen und Stationen verzeichnet sind, die ein Produkt von der Bestellung bis zur Auslieferung durchläuft. „Dafür muss der Lieferant nicht einmal alle seine Zahlen offenlegen“, hebt Frank Sundermann den Vorteil des Ansatzes hervor.
Eine derartige „Entwicklungshilfe“ bietet sich besonders dann an, wenn das Zulieferunternehmen kleiner ist als das des Einkäufers. Denn was die Optimierung der Produktionskosten angeht, hat ein Mittelständler mit 50 Millionen Euro Umsatz einem Lieferanten mit nur 10 Millionen Euro Umsatz einiges an Know-how voraus. „Häufig können schon durch kleine Schritte große Produktivitätsfortschritte erzielt werden“, sagt Einkaufsberater Sundermann und empfiehlt ganz direkte Hilfe: Der Einkäufer könne dem Lieferanten durchaus anbieten, dass ein Spezialist aus der eigenen Produktion ihm beim Einrichten der neuen Maschine oder bei der Nutzung leistungsfähiger Werkzeuge helfe. „Ist die Produktionssteigerung höher als die geplante Preiserhöhung, hat der Einkäufer ein starkes Argument in der Hand. Dann kann er im Gegenzug für seine Hilfe sogar eine Preissenkung fordern.“
Um sich erst gar nicht mit höheren Preisforderungen herumschlagen zu müssen, ist es am elegantesten, sie von vornherein auszuschließen – zumindest über einen bestimmten, vorab festgelegten Zeitraum. Eine wirkungsvolle Methode dafür sind Projektverträge, die in der Regel über mehrere Jahre laufen. Darin kann zum Beispiel fixiert sein, dass der Preis nur steigen darf, wenn sich die Kosten für das Rohmaterial um mindestens 5 Prozent verteuern oder der US-Dollar-Wechselkurs über einen bestimmten Umrechnungskurs zum Euro springt. „Wenn beiden Seiten die Rahmenbedingungen klar sind, verkürzt das den Diskussionsbedarf dramatisch“, sagt Marc Winkler, dessen direkter Einkauf zu 70 Prozent mit solchen Verträgen arbeitet.
Im Notfall verlagern
Auch Stiebel Eltron macht seit 2014 gute Erfahrungen mit langfristig vereinbarten Einkaufskonditionen für strategische Funktionsbauteile. „Unsere Projekteinkäufer fragen die Komponenten schon während der Entwicklung an. Die Lieferanten können sich dann darauf bewerben und ihr eigenes Know-how einbringen“, sagt Einkaufsleiter Hansmann. Das Unternehmen bringt pro Jahr 70 bis 90 neue Produkte auf den Markt. Derzeit liegt die Quote der bereits vor der Serienproduktion abgeschlossenen Lieferverträge bei 80 Prozent. Um sich von Preisschwankungen nicht zu sehr in die Parade fahren zu lassen, setzt das Holzmindener Unternehmen zudem auf eine hohe Eigenfertigungstiefe. Wie hoch diese genau ist, ist aber ein gut gehütetes Unternehmensgeheimnis.
Es gibt viele Hebel (siehe auch Infokasten unten), mit denen die Preisverhandlungen geführt werden. Nicht immer kommen diese aber auch zu einem guten Abschluss. Das größte Verhandlungsgeschick bleibt am Ende fruchtlos, wenn sich der Lieferant querstellt. „Derzeit bekommen wir immer wieder Ankündigungen von Preissteigerungen um 70 Prozent oder mehr“, berichtet Hansmann. Solche Preissprünge sind vollkommen überzogen – und das ist den Unternehmen selbst auch klar. „Aufgrund der derzeit hohen Auslastung versuchen sie mit einem solchen Preisdiktat ihren Kundenkreis zu bereinigen“, ärgert er sich.
Unternehmen bleibt dann kaum eine andere Wahl, als Aufträge abzuziehen. Leichter ist dies natürlich möglich, wenn das Unternehmen auch Eigentümer seiner Werkzeuge ist und diese nur an Lohnproduzenten verleiht: „Als mittelständisches Unternehmen sollte man bei austauschbaren Komponenten deshalb sehr breit aufgestellt sein“, rät Hansmann.
Nicht alles gefallen lassen
Diese Methoden wirken gegen Preiserhöhungen
- Nicht zu freundlich sein: Bei Preisverhandlungen geht es ums Geld. Verlangen Sie bei angekündigten Preiserhöhungen immer eine konkrete Begründung. Machen Sie aus dem Jäger den Gejagten, und lassen Sie sich vorlegen, was der Lieferant unternommen hat, um Erhöhungen zu vermeiden.
- Kompromisse eingehen: Es kann strategisch sinnvoll sein, Forderungen der Gegenseite zu akzeptieren – aber stellen Sie Bedingungen. Schlucken Sie eine 2-prozentige Preiserhöhung, verlangen Sie im Gegenzug höhere Skonti oder eine häufigere Lieferfrequenz, um Bestände zu optimieren.
- Keine Eile („merkeln“): Nehmen Sie sich ein Beispiel an unserer Bundeskanzlerin und treffen sie nicht gleich eine Entscheidung. Das Inkrafttreten der Preiserhöhung ist ebenso wenig in Stein gemeißelt wie das Verhandlungsende. Geschickte Einkäufer können Gespräche mehr als ein Jahr in die Länge ziehen. Sie wissen genau: Ohne eine neue Regelung gilt der alte Kontrakt weiter.
- Faire Beziehung: Verweisen Sie auf die lange gemeinsame Zusammenarbeit und den fairen Umgang miteinander. Erinnern Sie daran, dass sich der Markt auch wieder „drehen“ kann. Fordern Sie Fairness ein, seien Sie selbst auch fair.
- Entwicklungshilfe leisten: Kleine Lieferanten verfügen oft nicht über professionelle Unternehmensstrukturen und Managementmethoden. Machen Sie aus der Not eine Tugend, und stellen Sie Ihr Fachwissen, etwa bei der Erhöhung der Produktionseffizienz, zur Verfügung. Sobald die Taktzahl steigt, ist Ihnen der Lieferant einen Gefallen schuldig.
Quelle: Durch Denken Vorne Consult
Dieser Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 03/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.