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Zukunftsmärkte > Deguma Schütz

Wie ein Mittelständler seine Hausmesse digital veranstaltete

Der Maschinenbauer Deguma Schütz wollte sein Firmenjubiläum mit einer eigenen Hausmesse feiern, doch daraus wurde wegen Corona nichts. Die digitale Umsetzung ermöglichte dem Mittelständler ganz neue Möglichkeiten – Überraschungen inklusive.

Maschinenbediener Robert ging gerade seinem Tagwerk an einem Kautschukwalzwerk nach, als er unglücklich zwischen die mächtigen Walzen des Mischwalzwerks geriet und eingequetscht wurde. Weil die 60 Jahre alte Maschine über keine Spaltschnellöffnung verfügte, gingen wertvolle Sekunden bei der Rettung verloren. Und als ob das nicht schon genug wäre, konnte auch noch die ganze Welt dabei zusehen. Doch Erste-Hilfe-Maßnahmen waren zum Glück nicht notwendig. Der verunglückte Maschinenbediener war nur eine Stoffpuppe und der Unfall eine dramatische Inszenierung.

„Im Vorfeld der Maschinenvorführung haben wir uns überlegt, was man alles mit einer Maschine machen kann. Aber es sollte nicht so langweilig sein, gerade für unsere Kunden aus dem Ausland“, sagt Viktoria Schütz, geschäftsführende Gesellschafterin von Deguma Schütz. Eigentlich wollte das Unternehmen aus dem thüringischen Geisa 2020 seinen 30-jähriges Firmenjubiläum feiern, dann kam Corona und alles stand still. Um wenigstens den Kontakt zu seinen Kunden halten zu können, konzipierte das Unternehmen, das sein Geld mit Retrofitting und Maschinenbau verdient, eine digitale Hausmesse.

 

In Deutschland sind in diesem Jahr weit mehr als 200 Messen ausgefallen. Die ausbleibenden Einnahmen bereiten nicht nur den Veranstaltern Kopfzerbrechen, sondern auch den Unternehmen. Gerade im Mittelstand gibt es kaum eine effizientere Methode, Geschäfte zu machen, die Konkurrenz im Auge zu behalten, sich über die neusten Entwicklungen zu informieren und gleichzeitig auch noch Kontakte zu knüpfen – alles an einem Ort. Für mittelständische Unternehmer gibt es während der Corona-Pandemie nur zwei Möglichkeiten: „Entweder können sie an einer bestehenden hybriden Messe teilnehmen oder eine eigene Veranstaltung aufsetzen“, sagt Matthias Hüsgen, Managing Partner bei der Münchner Kommunikationsagentur Blackeight.

Drei Monate Vorbereitung

Hybride Messen, also die Kombination aus einer (überschaubaren) klassischen Messe und digitalen Zusatzangeboten wurden zwar vielfach angekündigt, aber außer der IFA in Berlin und dem „AMB Technologieforum“ in Stuttgart (weitere Informationen dazu finden Sie in der Print-Ausgabe Dezember 2020/Januar 2021 von „Markt und Mittelstand“) fielen die allermeisten aus, weil die Aussteller fern blieben. Rein digitale Messen sind zwar einfacher umzusetzen, aber nicht weniger Aufwand. Viktoria Schütz und ihr Team haben drei Monate benötigt, um das neue Format vorzubereiten. Die Unternehmerin engagierte einen Experten, der sich um die technischen Fragen kümmerte. „Ich kenne mich technisch eigentlich einigermaßen gut aus, aber trotzdem war auch für mich vieles neu“, sagt Schütz rückblickend.

Vorteile und Nachteile von digitalen Hausmessen in Eigenregie

 

Vorteile:

  • höhere Reichweite
  • Kunden aus dem Ausland müssen nicht extra anreisen
  • Marketingeffekt (Inhalte können danach on demand weiterverbreitet werden)
  • Möglichkeit Kundenkontakt zu halten, solange keine Messen stattfinden
  • deutlich geringere Kosten, weil Transportkosten und Standgebühren entfallen

 

Nachteile:

  • planerisch nicht weniger aufwendig als normale Messe
  • Betrieb liegt während dessen brach
  • keine persönlichen Kontakte möglich (nur als Ergänzung geeignet)
  • Werbung notwendig, weil Kunden nicht „automatisch“ auch da sind
  • technisches Knowhow notwendig
  • für Neukundenakquise ungeeignet

Am aufwendigsten gestaltete sich die Auswahl der Tools für die Umsetzung. Zum einen sollten die Zuschauer Fachvorträgen lauschen können, zum anderen sollten sie auch untereinander in Kontakt treten können – und die Lösung musste bezahlbar sein. Mit einem vor-Corona-Umsatz von gut vier Millionen Euro muss der kleine Betrieb seine Finanzen mit Bedacht einsetzen. „Hätten wir ein Budget von 100.000 Euro gehabt, hätte es schicke Lösungen gegeben. So ging es für uns vor allem darum eine Lösung zu finden, die möglichst viele ohne Probleme nutzen konnten“, erzählt Schütz. Zum Einsatz kam die App Alfaview, mit der „lippensynchrone Videokonferenzen“ veranstaltet werden können, wie der Entwickler auf seiner Webseite schreibt. „Um den Datenschutz zu gewährleisten haben wir uns gegen einen Anbieter aus dem Ausland entschieden.“

Veranstaltung kam gut an – bei fast allen

Eine weitere Herausforderung im Vorfeld war es, die Kunden bei der Stange zu halten. „Es liegt in der Natur von Online-Veranstaltungen, dass die Schwelle zur Anmeldung hoch ist, aber leider auch die zur späteren nicht-Teilnahme“, sagt die Unternehmerin. Man müsse die Kunden öfters erinnern, weil sie es ansonsten ganz schnell wieder vergessen würden. Als besonderen Reminder schickte Viktoria Schütz deshalb an die Teilnehmer ein Päckchen mit Kuchen, Kaffeetasse und persönlichem Brief. Mit einem „Wirkungsgrad“ von 50 Prozent – 160 Teilnehmer hatten sich angemeldet, 80 nahmen schließlich teil – war Viktoria Schütz zufrieden. „Durch den Austausch mit anderen Veranstaltern, weiß ich, dass das eine gute Quote ist.“

Mitschnitte des „DEGUMA forum digital – Das digitale Branchentreffen der Gummi- und Kunststoffindustrie 2020“ finden Sie  hier.

Abgesehen von einem Tonproblem am Anfang, ist alles ohne größere Zwischenfälle verlaufen. Auch bei den Kunden kam das Format gut an. Gute Noten bekam vor allem die Maschinenvorführung, bei der eine 60 Jahre alte Maschine „wie sie noch zu tausenden in der Gummibranche weltweit im Einsatz ist“, wie Moderator & Deguma-Vertriebsleiter Sebastian Bein erklärte, einem modernen neuen Modell aus dem Hause Deguma gegenüber gestellt wurde.

Die Kosten für das gesamte Digitalforum schlugen mit 20.000 Euro zu Buche – 10.000 Euro für die Veranstaltung (Technik, Kamerateam) und die gleiche Summe noch einmal für die Kommunikation. Nach der Premiere folgt nun das Feintuning. Während der seminarähnliche Aufbau der Veranstaltung bei den deutschsprachigen Zuschauern gut ankam, empfanden ihn Kunden aus dem Ausland – im Anschluss an die Präsentation auf Deutsch folgte eine weitere auf Englisch – teilweise als zu langatmig. „In anderen Ländern ist alles viel bunter, greller und schneller – deshalb müssen wir einzelne Programmpunkte kürzer machen“, sagt Schütz selbstkritisch.

Obwohl nur als Zusatz- und Übergangslösung gedacht, kann sich die Unternehmerin dennoch gut vorstellen, die digitale Hausmesse zu wiederholen. Im Bereich der Know-how und Webinare sieht die Marketingexpertin durchaus noch Potential. „Beratungsunternehmen gewinnen mit Wissensthemen Neukunden – das kann ich mir auch für uns auch vorstellen.“

Das Unternehmen:

Die Deguma Schütz GmbH wurde 1990 von Winfried und Barbara Schütz gegründet. Die Hälfte des Umsatzes von gut vier Millionen Euro (2019) kommt heute aus dem Maschinenbau, den Rest aus dem Retrofitting-Geschäft.

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