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Zukunftsmärkte > Ludwig-Erhard-Gipfel

„Wir brauchen einen Growth-Deal“

Das geoökonomische Umfeld hat sich gewandelt. Um darin bestehen zu können, muss sich auch in Deutschland und Europa vieles verändern, heißt es beim Ludwig-Erhard-Gipfel. Das Gebot der Stunde: mehr Resilienz.

Dr. Henrick Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland. Foto: WEIMER MEDIA GROUP

Der russische Angriff auf die Ukraine hat es auf brutale Art und Weise aufgezeigt: Deutschlands Wirtschaft ist international in Abhängigkeiten geraten, die in einer friedlicheren Welt von Vorteil waren, im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen und immer autoritärer auftretender Regime aber zu einer Gefahr wird. Es hat einen gewaltigen Kraftakt gebraucht, um von russischem Gas loszukommen. Die Folgen sind nach wie vor spürbar, die Energiepreise noch immer hoch. Auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel der Weimer Media Group am Tegernsee gab es deshalb mahnende Worte von der Vizepräsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) Nicola Beer.

„Wir dürfen nicht wieder denselben Fehler in China machen“, forderte Beer beim Global-Growth-Summit-Panel, auf dem auch Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland, Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Christian Pellis, CEO von Amundi Deutschland, sowie Norge-Mining-Gründer Michael Wurmser diskutierten. „Wenn es in Taiwan knallt, dann ist das die wirkliche, große wirtschaftliche Krise“, sagte Beer. Dagegen sei „das, was wir gerade erleben, nichts“. Wurmser, der eines der derzeit ein Minenprojekt in Norwegen betreut, stimmte Beer zu. „Das Damoklesschwert Taiwan hängt überall“, sagte er. „Wir müssen Resilienz innerhalb unseres Wertesystems aufbauen.“

Lithium aus Australien

Eine Möglichkeit könnte darin liegen, Rohstoffvorkommen wie Norge Mining in Europa selbst zu fördern. Optionen gebe es genug, sagte Wurmser. Skandinavien sei von der Geologie her Kanada sehr ähnlich. In Norwegen und Schweden lagerten viele Ressourcen. Auch die ehemalige Bundeswirtschaftsministerin Klöckner will, „dass wir mehr schauen, was wir in Deutschland bergen können, beispielsweise Gasvorkommen“. Es sei ohnehin fraglich, wenn Deutschland gegen Fracking oder gegen Atomenergie im eigenen Land sei, dies dann aber aus dem Ausland importiere. „98 Prozent der seltenen Erden, die die EU benötigt, kommen aus China“, sagte Klöckner. Seltene Erden würden überall gebraucht, wenn diese so zentriert aus einem Land kommen, sei das ein Problem. Klöckner weiß: „Wir können nicht ohne China.“ Aber es brauche eben auch andere Partner.

In Australien lagerten beispielsweise große Lithiumvorkommen. „Dass wir dort nicht aktiv sind, halte ich für einen Fehler“, sagte sie. Neben mehr Resilienz in Sachen Rohstoffversorgung wirbt Klöckner für einen „Growth Deal“ in Europa. Es gehe darum die Industrie, die Unternehmen, die Produktion in Europa zu halten und wieder zurückzubringen. „Wenn hier nicht produziert wird, dann wird woanders produziert, das bringt dem Weltklima gar nichts“, begründete Klöckner.

 

Ende der Steuerskala

Henrik Ahlers von EY hält derweil in Deutschland eine „Steuerreform für geboten“. Eine solche habe es viel zu lange nicht gegeben. „Um uns herum haben alles etwas gemacht, wir sind ans Ende der Steuerskala gerutscht“, bemängelte er. „Wir müssen die Wirtschaft und auch die Bürger entlasten.“ Besonders junge Leute im Land würden heute global denken. „Die gehen in die USA, wenn die Perspektiven dort besser sind“, so Ahlers.

Auch Klöckner hält die Steuerquote in Deutschland mit 29 Prozent im internationalen Vergleich für zu hoch. Die CDU-Politikerin ging in diesem Zug aber auch noch auf ein weiteres Thema ein: fehlende Arbeitsanreize bei vielen offenen Stellen. Bewerbungsgespräche, denen sie beiwohne, seien teils sehr unterhaltsam, erklärte sie mit viel Sarkasmus. „Wir haben es mit einer Generation zu tun, die gehören zu einer Erbengeneration, wir ziehen die Leute nicht mehr mit Vollzeitarbeit für eine Wohnung oder ein Eigenheim“, lautete Klöckners Erkenntnis. Hinzu kämen die Forderungen nach der Work-Life-Balance. Sie sei nicht grundsätzlich dagegen, weniger zu arbeiten, aber dann müssten die Sozialleistungen angepasst werden. „Wir können nicht nur Wellness versprechen, und am Ende dann nichts einhalten.“

Es sind wohl eine ganze Reihe von Anpassungen nötig, um Europa in einer sich neuformierenden Welt- und Wirtschaftsordnung weiter Wachstum zu bescheren. Dazu gehört womöglich auch etwas ganz Banales, nämlich die Förderung einer besseren Zusammenarbeit. „Wir machen viel zu wenig gemeinsam als Europa“, sagte Christian Pellis, CEO von Amundi Deutschland.

 

Sie können den Ludwig-Erhard-Gipfel live unter www.leg-live.de verfolgen. Den Ticker zum Gipfel finden Sie hier.

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