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Personal > Ludwig-Erhrd-Gipfel

Mit KI, Rentnern und Zuwanderung gegen den Fachkräftemangel

1,7 Millionen offene Stellen gibt es in Deutschland, bis 2035 wird diese Zahl steigen. Unternehmen und Politik suchen nach Lösungen für fehlendes Personal. Ein paar Lösungen wurden auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel diskutiert.

Die Speaker diskutieren beim Panel "KI, Fachkräfte- und Personalmangel und die Soziale Marktwirtschaft:Wie wir in der Zukunft erfolgreich und wettbewerbsfähig arbeiten werden.". Foto: Weimer Media Group

Die nackten Zahlen lesen sich dramatisch. Neben den 1,7 Millionen offenen Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt gibt es auch 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 25 und 32 Jahren ohne Ausbildung. Und kamen zwar 1,2 Millionen Zuwanderer im vergangenen Jahr, allerdings verließen 750.000 das Land wieder verlassen. Doch gerade Andrea Nahles, früher Bundesarbeitsministerin und heute Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), ist auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel der Weimer Media Group am Tegernsee bemüht, Optimismus auszustrahlen. Sie weiß schließlich auch um die „stillen Reserven“ im Land, also wo sich Arbeitskräfte finden lassen.

„Wir haben eine Riesenreserve an Frauen“, sagt sie. Zwar liegt Deutschland bei der Erwerbstätigenquote von Frauen im vorderen europäischen Mittelfeld, „aber nach geleisteten Arbeitsstunden sind wir Vorletzter.“ Weil viele Frauen gerade mit Kindern eben in Teilzeit arbeiten, weil es an Kinderbetreuung mangelt. „Das Ziel muss gar nicht sein, die alle in Vollzeit zu bringen, aber wenn sie 30 statt 20 Stunden arbeiten, würde das die Statistik schon enorm verbessern“, sagt Nahles.

Digitale Elternabende der Bundesagentur

Daneben gibt es eben die Reserve der fast drei Millionen jungen Menschen ohne Ausbildung. Damit diese Zahl kleiner wird, würde Nahles schon viel früher mit Berufsorientierung anfangen, „in der fünften Klasse“, wie sie sagt. Mit der BA organisiert sie deswegen digitale Elternabende, bei denen sie Eltern schlicht Berufsfelder vorstellt. „Viele haben noch zum Beispiel den Tischler von vor 30 Jahren vor Augen und keine Ahnung, wie stark sich der Beruf heute gewandelt hat.“

Diesen Wandel bekommen vor allem Arbeitgeber heute immer stärker zu spüren. Neue Generationen wollen – auch im Wissen um den Mangel an Fachkräften – immer weniger arbeiten, flexibler arbeiten und vom Arbeitgeber besser betreut werden. „Wir müssen als Arbeitgeber heute viel mehr bieten“, sagt Frank Walthes, Vorstandsvorsitzender der Versicherungskammer Bayern, und zählt mögliche Hebel auf, die ihm bleiben: betriebliches Gesundheitsmanagement und flexible Arbeitszeiten etwa. Gerade die Work-Life-Balance ist neuen Mitarbeitern immer wichtiger, aber auch der „purpose“, also ein positiver Beitrag des Jobs zur Gesellschaft.

 

Tempo bei der Arbeitserlaubnis

„Bei uns mit Menschen für Menschen zu arbeiten, ist sehr attraktiv, weswegen wir noch viele Fachkräfte finden“, sagt etwa Georg Falterbaum, Stiftungsvorstand der SOS-Kinderdörfer. Auch Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie, kann das für seine Branche gerade nach den Erfahrungen der Corona-Pandemie geltend machen. Aber: „Wir sind aber auf sehr gut qualifizierte Mitarbeiter angewiesen und wünschen daher bessere Bildung.“ Die Pharma-Industrie nimmt sich dem Thema etwa über Zusammenarbeit mit Universitäten selbst an. Auch Falterbaum versucht, jungen Menschen in den Kinderdörfern zu Abschlüssen zu verhelfen. „Da braucht es oft eine leicht andere Ausbildung, aber die Menschen sind dann nach dem Abschluss auch viel loyaler gegenüber ihrem Unternehmen. Das ist eine Riesenchance sowohl für die Auszubildenden als auch für die Wirtschaft.“

Eine Gruppe, die ebenfalls einer besseren Integration in den Arbeitsmarkt bedarf, sind Zuwanderer. Auch hier hat Nahles positive Nachrichten: „Wir sind das beliebteste nicht-englischsprachige Land für Fachkräfte.“ Allerdings, das merkt sie auch an, eines, in dem es am schwierigsten ist, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. „In Großbritannien geht das innerhalb von 48 Stunden, bei uns sind es gefühlt 48 Monate“, sagt Joachimsen. Tatsächlich liegt die durchschnittliche Wartezeit mehr bei acht Monaten, doch Nahles glaubt, allein mit mehr Digitalisierung von Anträgen und einer stärkeren Vernetzung von Behörden über eine gemeinsame bundesweite Plattform ließe sich das auf drei Monate verkürzen.

 

Wie KI und Rentner helfen könnten

Mehr Technik könnte noch anders helfen. Einig sind sich alle auf dem Panel, dass Künstliche Intelligenzen (KI) eine große Rolle bei der Bekämpfung des Arbeitskräftemangels spielen könnten – auch in Branchen, die sonst von großen Personaleinsatz geprägt sind wie die Wach- und Sicherheitsindustrie. „Gewisse Aufgaben werden bei uns in Zukunft Roboter und KI übernehmen“, sagt Ernst Steuger, Geschäftsführer bei der Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft. Er wünscht sich, dass KI generell eine größere Rolle in der Wirtschaft übernimmt und steht damit nicht allein.

„Die Bundesagentur wird in den kommenden Jahren 40.000 Mitarbeiter aus Altersgründen verlieren. Die können wir nicht alle nachbesetzen“, sagt Nahles. Sie hat deswegen eine Initiative gestartet, bei der jeder Prozess innerhalb der Agentur geprüft wird, ob er durch eine KI verbessert werden kann. „Ich habe deutlich gemacht, dass deswegen keiner entlassen wird. Es geht darum, etwa 25 Prozent der wegfallenden Mitarbeiter durch Automatisierung zu ersetzen.“ Für den Rest sind neue Mitarbeiter gefragt. Die dürfen auch gerne älter sein.

Erfolg hält alle bei Laune

„Ich fände es super, wenn Menschen länger arbeiten würden“, sagt Joachimsen, schränkt dann aber auch ein, dass es dafür mehr Flexibilität beim Renteneintritt geben müsste. „Manche, wie der Dachdecker, müssen vielleicht mit 63 Jahren in Rente, weil es körperlich nicht mehr geht. Aber Wissensarbeiter wollen oft gerne länger arbeiten. Da gibt es heute schon gute, flexible Lösungen für, aber die müssen noch mehr in die Köpfe rein.“ Walthes sieht darin auch ein Riesen-Potenzial für den Arbeitsmarkt insgesamt. „Wir müssen es als Arbeitgeber schaffen, Mitarbeiter besser miteinander zu vernetzen.“ Unabhängig von Hierarchien, Alter und Geschlecht sollen Beschäftigte bei der Versicherungskammer deswegen miteinander arbeiten und voneinander lernen. „Alle bei Laune zu halten, geht am besten, wenn man dadurch Erfolgsgeschichten schreibt.“

Sie können den Ludwig-Erhard-Gipfel live unter www.leg-live.de verfolgen. Den Ticker zum Gipfel finden Sie hier.

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