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Dokumentationspflichten: So lähmt die Bürokratie den Mittelstand

Kaum ist das eine Formular ausgefüllt, warten schon drei andere: Der Mittelstand erstickt in Melde- und Dokumentationspflichten, klagt Unternehmerin Petra Krenn im Interview. Sie hat aber auch Verbesserungsvorschläge.

Frau Krenn, Sie sind Geschäftsführerin einer Druckerei und kritisieren die Bürokratie und den daraus resultierenden Aufwand, besonders für den Mittelstand. Wie schlimm sind Sie und ähnlich große Unternehmen von staatlichen Zwangsanwandlungen betroffen?
Es kostet einfach sehr viel Zeit: Wir sind einmal dazu verpflichtet Statistiken für die Landesstatistikbehörden zu erheben. Schon die Erstellung der vierteljährlichen Verdiensterhebung dauert rund 2,5 Stunden, die jährliche Kostenstrukturerhebung nimmt noch einmal doppelt so viel Zeit in Anspruch. Nur für diese beiden Aufstellungen benötigt ein Buchhalter fast zwei Manntage pro Jahr. Dazu kommen auch noch die Statistiken für die Berufsgenossenschaft, die Agentur für Arbeit, die Sozialversicherungen, das Finanzamt, die Künstlersozialkasse und weitere zusammen nimmt, sind es fast 25 Manntage! Das Schlimme aber ist, dass der Aufwand dafür in den vergangenen Jahren immer größer wurde. Zu den bestehenden Dokumentationspflichten kommen immer wieder neue dazu.

Das heißt?
Zum Beispiel wurden die Vorschriften für die Beschäftigung von Leiharbeitern verschärft. Die Einführung des Mindestlohns und der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) haben den Mehraufwand nochmal deutlich erhöht.

Inwiefern?
Das neue Mindestlohngesetz sieht vor, dass wir für die Einhaltung der Mindestlohnzahlung für alle unsere Zulieferer haften. Das bedeutet, dass wir mit jedem Einzelnen dazu eine schriftliche Vereinbarung treffen müssen und im Prinzip müssten wir das sogar vor Ort überprüfen. Das ist doch irre!

Das würde bedeuten, dass damit auch Ihre Kunden für Sie haften.
Nein, das wäre zu einfach. In der Praxis läuft das so, dass uns die Großkunden ihre Hausverträge aufdrücken. Das sind meist Konzerne. Ein Kunde wollte sogar ein Testat von einem externen Prüfer. Auch ohne solche Sonderwünsche ist das für ein Unternehmen wie uns ein enormer Aufwand: wir müssen das ja alles lesen, prüfen und umsetzen. Und wenn wir doch mal etwas übersehen oder einen Fehler machen, liegt der „Schwarze Peter“ wieder bei uns. Mich frustriert, dass solche Folgen nicht vom Gesetzgeber bedacht werden. Der Leidtragende ist also so oder so der Mittelstand.

Sie erwähnten auch die DSGVO. Was war hier das Problem?
Alleine im vergangenen Jahr haben wir 20.000 Euro ausgegeben, um die DSGVO umsetzen zu können. Dabei haben wir uns schon davor streng an das Bundesdatenschutzgesetz gehalten. Trotzdem mussten wir alle Verarbeitungsverträge mit den Kunden neu machen. Und weil wir jetzt auch dazu verpflichtet sind, alle Abläufe zu dokumentieren, mussten wir auch eine neue Software anschaffen.

Hat das denn die Probleme gelöst?
Nein, das ist ja das schlimme! Die DSGVO bereitet unserem Vertrieb bis heute extreme Probleme. Unser Geschäft ist das klassische B2B-Geschäft. Immer häufiger bekommt unser Vertrieb bei der Kaltakquise jetzt keine Namen mehr von Ansprechpartnern in den Firmen genannt, weil das gegen den Datenschutz verstoßen würde. Wenn das so weitergeht, können die Unternehmen wegen der DSGVO bald nichts mehr verkaufen. Bei Daten von Privatpersonen verstehe ich das, aber doch nicht bei Geschäftskontakten!

Dass Deutschland zu bürokratisch ist, hört man immer wieder. Andererseits gibt ein Gesetz zum Bürokratieabbau, einen Bürokratiekostenindex, Abschneidegrenzen und einen Koordinator für Bürokratieabbau, der direkt im Bundeskanzleramt sitzt. Zeigt das nicht, dass die Politik etwas tut?
Das ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Derzeit ist das dritte Bürokratieentlastungsgesetz in Vorbereitung. Aber bisher hat sich bei uns noch nicht einmal das erste und zweite bemerkbar gemacht. Die Politik müsste viel mehr tun und vor allem dafür sorgen, dass die Entlastungen auch bei uns ankommen. Politiker behaupten immer, dass der Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist. Aber wenn’s drum geht, uns zu entlasten, tun sie nichts.

Was ist mit dem Normenkontrollrat (NKR), der überprüft, auf welche Gesetze man verzichten kann und wie man sie vernünftiger gestalten kann?
Der NKR ist grundsätzlich eine gute Einrichtung. Die Verantwortlichen im NKR finden ja sehr klare Worte zu den Missständen in Deutschland. Aber auch von dort hören wir bei Anfragen oder Beschwerden immer wieder: Da können wir nichts machen, das betrifft die EU … Man fühlt sich schlichtweg allein gelassen.

Wollen Sie denn Vorschriften, Dokumentationen und Formulare komplett abschaffen?
Volkswirtschaftliche Statistiken zu erheben und nachkontrollierbare Standards sind ja grundsätzlich nicht verkehrt. Eine gewisse Bürokratie gibt es in jedem Land der Welt. Speziell für Deutschland wünsche ich mir aber, dass sich der Aufwand dafür in einem engen Rahmen hält. Dafür müsste man zuerst einmal prüfen, welche Informationen überhaupt noch bei den Unternehmen selbst abgefragt werden müssen und wer das dann macht.

Wie meinen Sie das?
Verschiedene Behörden fragen bei uns die gleichen Daten ab. Da muss es doch andere Möglichkeiten geben.

Haben Sie einen Vorschlag, wie die Erhebung anders funktionieren könnte?
Ich bin keine IT-Expertin, aber es kann doch nicht so schwer sein, die bereits vorhandenen Daten besser nutzen. Die Statistischen Landesämter könnten sich die Verdienstangaben zum Beispiel von den Sozialversicherungen oder den Finanzämtern holen. Eine Vielzahl von Daten stellen die Unternehmen zusammen, wenn sie den Jahresabschluss erstellen und Finanzberichte im Bundesanzeiger veröffentlichen. Bei dieser Gelegenheit könnten sie auch weitere Informationen hinterlegen. Die Behörden könnten sich dann die Daten, die sie brauchen, aus diesem zentralen „Pool“ holen. Natürlich müsste sichergestellt sein, dass diese nicht öffentlich zugänglich sind und die Auswertung anonym erfolgt.

Bis dahin dürfte es noch ein langer Weg sein. Wie wirkt sich der aktuelle Aufwand auf Ihr operatives Geschäft aus?
Wir haben uns in den vergangenen Jahren zwar gut entwickelt, aber nicht wegen, sondern trotz der ganzen Bürokratie. Anstatt uns umso dringliche Aufgaben wie die Digitalisierung, die Fachkräftesicherung oder neue Marktstrategien zu kümmern, müssen wir uns mit immer mehr Vorschriften, Dokumentationen und Absicherungen herumschlagen. Ein Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern hat dafür eigene Abteilungen, die merken das wahrscheinlich kaum. Aber für einen Mittelständler ist das ein echter Kraftakt.

Zur Person

Petra Krenn ist geschäftsführende Gesellschafterin der OD Ottweiler Druck und Verlag GmbH.

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