Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Recht und Steuern > Urteil der Woche

Konflikte am Arbeitsplatz – „Mobbing“ ist kein Rechtsbegriff

Schikanen am Arbeitsplatz dürfen nicht sein. Sich auf „Mobbing“ zu berufen, reicht aber für einen Schmerzensgeldanspruch nicht aus, entschied das LAG Schleswig-Holstein. Es müssen konkrete Rechtsverletzungen nachgewiesen werden.

„Mobbing“ ist kein eigenständiger Rechtsbegriff. Bildquelle: Shutterstock

Der Fall

Die Klägerin, eine langjährige Zahnarzthelferin, forderte von ihrem Arbeitgeber Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 40.000 Euro wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Zuvor war ihr nach längerer Krankheit gekündigt worden; gegen die Kündigung hatte sie erfolglos geklagt. 

Vor dem Arbeitsgericht behauptete die Frau, sie sei von ihren Kolleginnen aus Neid und Angst vor Arbeitsplatzverlust systematisch schikaniert und gemobbt worden. Wegen ihrer Herkunft und ihres Glaubens sei sie gehänselt und lächerlich gemacht worden. Vor allem nachdem sie sich aus gesundheitlichen Gründen gegen eine Corona-Impfung entschieden habe, sei sie häufig öffentlich diffamiert und demonstrativ ausgegrenzt worden. Dieses Mobbing habe bei ihr zu erheblichen gesundheitlichen Problemen geführt, darunter erhöhter Ruhepuls, massive Magenbeschwerden und Depressionen. Entsprechend legte sie ärztliche Atteste vor, in denen eine „Mobbingkonstellation“ indiziert war.

Der Inhaber der Praxis bestritt die Vorwürfe. Von den behaupteten Mobbinghandlungen habe er nichts gewusst. Konflikte habe er stets zu lösen versucht. 

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, weil es keine ausreichenden Belege für eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers sah. Das Verhalten der Kolleginnen sei ihm nicht zuzurechnen. Aus dem ärztlichen Attest ergebe sich kein Mobbing-Tatbestand. Auch Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) waren für die Richter keine ersichtlich. 

Die Zahnarzthelferin legte Berufung ein. 

Das Urteil

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein wies die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts als unbegründet zurück. Es bestätigte, dass die Klägerin weder Anspruch auf eine Entschädigung wegen einer Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts noch nach dem AGG hat.

„Mobbing“ so das Gericht, sei kein eigenständiger Rechtsbegriff, der direkte Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber oder Arbeitskollegen begründet. Stattdessen müssten im Einzelfall konkrete Pflicht- oder Rechtsverletzungen geprüft und nachgewiesen werden, wenn ein Arbeitnehmer Ansprüche wegen Mobbings geltend macht. Die Richter stellten aber zugleich fest, dass auch eine Gesamtschau der Verhaltensweisen von Vorgesetzten oder Kollegen zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit führen kann; dies besonders dann, wenn durch Einschüchterungen, Anfeindungen oder Beleidigungen die Würde des Beschäftigten verletzt wird. 

Im konkreten Fall habe die Beschäftigte allerdings keine systematischen Mobbinghandlungen nachweisen können, die einen Anspruch auf Schadensersatz rechtfertigen würden. Der Arbeitgeber habe seine Fürsorge- und Schutzpflichten nicht verletzt, da er von den behaupteten Mobbinghandlungen nichts wusste. Und selbst wenn durch das Attest eines Arztes ein „mobbingtypischer“ Befund festgestellt worden wäre, fehlte es an einem Nachweis, dass diese Gesundheitsschäden direkt durch das behauptete Mobbing verursacht wurden.

Eine Revision ließ das LAG Schleswig-Holstein nicht zu. Die Klägerin reichte allerdings Nichtzulassungsbeschwerde ein. Das Verfahren könnte damit noch einmal weitergehen.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Az. 6 Sa 48/23
https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/bssh/document/NJRE001563902
 

Ähnliche Artikel