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Finanzierung > Lieferantenmanagement

Mit Supply-Chain-Finance zu mehr Liquidität

Der Einkauf von Rohstoffen und Komponenten bindet viel Kapital in Unternehmen. Ein Finanzierungsinstrument für mehr Liquidität ist Supply-Chain-Finance. Richtig umgesetzt, profitieren alle Beteiligten – Lieferant und Abnehmer.

Freie Parkflächen in Innenstädten sind rar. Ein Autofahrer sucht durchschnittlich fast zehn Minuten nach einem Stellplatz und legt dabei 4,5 Kilometer zurück. Das will das Unternehmen I-Parking ändern. Die Firma ist eine Ausgründung des mittelständischen Metallverarbeitungsunter­nehmens Polenz Metall Design Manufaktur. I-Par­king hat eine Art Miniaturparkhaus entwickelt. Auf einer Grundfläche von zwei Stellplätzen baut das Unternehmen einen Turm, in dem 16 Autos Platz finden. Das funktioniert, weil die Fahrzeuge, nach­dem der Halter sie abgestellt hat, mit einem Auf­zug nach oben fahren. Will der Fahrer später wie­der losfahren, bringt der Lift den Wagen nach dem Bezahlen des Tickets wieder nach unten. Den Einkauf der Rohstoffe für das neue Projekt – im wesentlichen Stahl, aber auch Aluminium und Kupfer – will das Unternehmen über Finetrading finanzieren. „Das wird uns einen großen Mehr­wert bringen“, sagt Simon Fabrizio Aiad, der bei I-Parking das Projekt betreut. „Wir haben dadurch mehr freie Liquidität, die wir an anderer Stelle – etwa beim Aufbau einer Vertriebsmannschaft – gut gebrauchen können.“ 

Bei Finetrading bestellt nicht das Unternehmen, sondern ein Finanzdienstleister, der Finetrader, die Waren beim Lieferanten oder Hersteller. Anschließend verkauft er die Ware sofort an seinen Kunden, der in der Regel nach 120 Tagen den Rechnungsbetrag plus einen Zinsaufschlag von einigen Prozent bezahlt. „Prinzipiell ist Finetrading bei jedem Produkt möglich“, sagt Dirk Oliver Hal­ler, Gründer und Vorstand des Anbieters Deutsche Finetrading. „Der Bestellvorgang bleibt derselbe, die Unternehmen behalten die volle Kontrolle über die Wahl der Lieferanten und Produkte“, sagt Dirk Oliver Haller. 

Während bei Finetrading nicht die gesamte Lieferkette betei­ligt ist, werden bei Supply-Chain-Finance (SCF) alle Akteure – Lieferanten wie Kunden – einbezogen. „Alle ziehen gemeinsam an einem Strang und pro­fitieren auf ihre Weise von Supply-Chain-Finance“, sagt Carola Spiecker-Lampe, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Bremen. Der Lieferant und sein Kunde schließen mit einer Bank oder einem Finanzdienstleister einen Vertrag ab. Dadurch gibt es für den Lieferanten kein Aus­fallrisiko mehr, denn er erhält seinen Rechnungsbe­trag innerhalb weniger Tage vom SCF-Anbieter. Der Abnehmer der Waren kann wiederum die längeren Zahlungsziele, die der SCF-Anbieter einräumt, dazu nutzen, um Bankverbindlichkeiten abzubauen und damit die Kapitalkosten zu senken.

Zurückhaltung bei Supply-Chain-Finance

Anders als in den meisten Konzernen ist Supply-Chain-Finance im Mittelstand noch nicht weit verbreitet. „Hier schlummert noch viel uner­kanntes Potential“, sagt Spiecker-Lampe, die sich damit beschäftigt hat, wie Mittelständler SCF umsetzen können. „Viele KMU verkennen, dass SCF die Kapitalkosten des Unternehmens senkt und die Beziehungen zu Lieferanten und Kunden stär­ken kann.“ Verbessert der Geschäftspartner dank des SCF-Modells seine Liquidität, wird er vermut­lich auch in Zukunft als Kunde oder Lieferant wei­ter Handel mit dem Unternehmen betreiben. Steht hinter dem Mittelständler eine Bank oder ein grö­ßerer Finanzdienstleister, der für den Rechnungs­betrag geradesteht, muss sich der Lieferant um mögliche Zahlungsausfälle keine Gedanken mehr machen und ist daher unter Umständen bereit, bei den Warenpreisen Zugeständnisse zu machen oder Skonto zu gewähren.

Vor- und Nachteile von Supply-Chain-Finance

 

Vorteile

  • Verbesserung der Zahlungsziele für das einkau­fende Unternehmen
  • einkaufendes Unternehmen benötigt für zusätz­liche Liquidität keine Bankenfinanzierung
  • Lieferant erhält wenige Tage nach Rechnungs­prüfung den diskontierten Betrag

 

Nachteile

  • Aufwand in der Koordination und Ansprache der Lieferanten
  • Kosten entstehen entweder für das einkaufende Unternehmen oder für Lieferanten, sind jedoch im Idealfall nicht höher als Skonti oder Finanzie­rungskosten

Ein Grund dafür, weshalb mittelständische Unternehmen bei Supply-Chain-Finance bislang noch zurückhaltend sind, ist der Implementierungsaufwand, der entsteht. Ein Unternehmen beliefert nicht selten über hundert Firmen mit Produkten oder erhält von ihnen Waren. Alle Geschäftspartner auf einmal bei SCF einzubin­den – sofern diese das überhaupt wollen – ist eine Herkulesaufgabe. Das ist aber gar nicht nötig. „Mit­telständler sollten zunächst klein anfangen und SCF mit den Kunden und Lieferanten ausprobieren, mit denen sie die besten Beziehungen haben“, sagt Spiecker-Lampe. Bei Erfolg könnten dann Stück für Stück weitere Geschäftspartner einbezogen werden. Wichtig sei vor allem, dass der Mittelständler offen mit seinen Kunden und Lieferanten über die Vor­teile – aber auch den Implementierungsaufwand – rede. Nur wenn der Geschäftspartner für sich den Nutzen erkenne, sei er auch zum Einsatz von Supply-Chain-Finance bereit. Dann entstehe am Ende eine Situation in der alle profitieren.

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