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Management > Mehr Risiko muss nicht immer mehr Wachstum bedeuten

Gleichung mit Unbekannten

Holt der Rest der Welt auf, weil europäische Unternehmen zu wenig Risiken eingehen? Der deutsche Mittelstand beweist das Gegenteil.

Geraten europäische Firmen gegenüber der Konkurrenz aus Schwellenländern ins Hintertreffen, weil Europas Gesellschaft immer reicher, älter und femininer wird? Diese These wurde gestern beim Management-Symposium im Schweizer St. Gallen aufgestellt. Hintergrund ist eine vermutete Veränderung des Risikoverhaltens: Wer reicher und älter werde, sei weniger bereit, Risiken einzugehen. Auch Frauen, die im Arbeitsleben eine immer größere Rolle einnehmen, wird eine geringere Risikoneigung nachgesagt.

Doch Wachstum und Fortschritt sind eng mit der Übernahme unternehmerischer Risiken verbunden. „Wer kein Risiko auf sich nimmt, kommt nirgends hin und wer sich nicht verändert, wird nicht wachsen“, erklärte der indische Großindustrielle Sanjiv Goenka in St. Gallen. Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber daraus resultiert nicht zwangsläufig die Schlussfolgerung, je mehr Risiko, desto mehr Wachstum. Insbesondere gilt diese Beziehung nicht für Risiken, die eingegangen werden, weil die handelnden Personen hinterher nicht dafür gerade stehen müssen. Wohin das führen kann, hat die Finanzkrise gerade erst eindrücklich gezeigt.

Auch ein Vergleich zwischen Konzernen und Mittelständlern unterstreicht, dass Europa keine Angst haben muss: Obwohl Mittelständler tendenziell vorsichtiger agieren als Konzerne – weil die Unternehmer persönlich haften, während die Manager im Extremfall noch eine Abfindung kassieren -, wachsen mittelständische Unternehmen schneller. Das liegt daran, dass sie kleiner und flexibler sind und eine ganz andere Ausgangsbasis haben. Konzerne waren schließlich auch nicht immer Konzerne, sondern sind durch überdurchschnittliches Wachstum erst dazu geworden. So ähnlich ergeht es den Industriestaaten im Vergleich mit den Schwellenländern. Das dortige Wachstum beruht vor allem auf Auf- und Nachholeffekten. Die Risikoneigung spielt dabei nur eine Nebenrolle.