Auch die Zeit im Zug, Auto oder Flugzeug ist Arbeitszeit
Auch die Reisezeit kann bei Dienstreisen zur Arbeitszeit zählen. Das hat das Bundesarbeitsgericht kürzlich noch einmal klargestellt. Welche Ausnahmen es gibt und in wie weit ein Mitarbeiter in der Zeit auch arbeiten muss, erklärt Arbeitsrechtler Michael Wahl im Interview.
Herr Wahl, das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste vor Kurzem darüber entscheiden, was bei einer Dienstreise zur Arbeitszeit gehört. Was lässt sich aus dem Urteil ableiten?
Das Bundesarbeitsgericht war der Meinung, dass in dem verhandelten Fall die Reise zur auswärtigen Arbeitsstätte und zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgt war. Deshalb war nach Ansicht des BAG die dafür erforderliche Reisezeit als Arbeitszeit anzusehen und entsprechend zu vergüten. Dabei ist es wichtig, dass das gewählte Verkehrsmittel als erforderlich anzusehen ist. Im Streitfall war es wohl so, dass auf Wunsch des Arbeitnehmers ein (längerer) Businessflug, statt eines (kürzeren) Economy-Fluges gebucht wurde. Ob das erforderlich war, wird das Landesarbeitsgericht, an das das BAG zurückverwiesen hat, entscheiden müssen.
Wie sieht es denn mit einer Hotelübernachtung aus? Gehört die auch zur Arbeitszeit?
Sofern die Reise eine Hotelübernachtung erforderlich macht, beispielsweise weil der Arbeitnehmer auf einen Anschlussflug warten muss, dürfte auch diese Zeit erforderlich sein. Ob der Mitarbeiter in der Wartezeit in seinem Hotelzimmer sitzt, eine Mahlzeit in einem Restaurant einnimmt oder durch die Ladengalerie des Flughafens spaziert, spielt keine Rolle.
Und wenn der Zug oder das Flugzeug Verspätung hat?
Dazu musste das BAG in seiner aktuellen Entscheidung nichts sagen. Wenn es aber um die im Interesse des Arbeitgebers aufgewandte Zeit geht, dann kann es nur auf die reale Reisezeit ankommen und nicht lediglich auf die geplante Reisezeit. Verlängert sich die Reisezeit wegen eines Flugausfalls, eines Zugausfalls oder eines Staus, ist folglich auch die längere Reisezeit Arbeitszeit. Anders mag es aussehen, wenn die längere Reisezeit sich dadurch ergibt, dass eine bestimmte Verbindung ausschließlich auf Wunsch des Arbeitnehmers gebucht wurde oder die längere Reisezeit sich durch Verschulden des Arbeitnehmers ergibt. Dann ist diese längere Reisezeit nicht erforderlich.
Können Mitarbeiter dazu angewiesen werden werden, zum Beispiel während einer Zugfahrt zu arbeiten? Was sind dann die rechtlichen Regeln?
Ja, bis zu einer Dauer von acht Stunden, gegebenenfalls auch bis zu einer Dauer von zehn Stunden, kann der Arbeitgeber verlangen, dass der Mitarbeiter arbeitet. Und mit dem aktuellen Urteil hat das BAG entschieden, dass Reisezeit in der Regel wie normale Arbeitszeit zu vergüten ist. Grundsätzlich können die Parteien für die reine Reisezeit eine andere Vergütung vereinbaren als für Arbeitszeit.
Solche expliziten Regelungen sind vermutlich auch sonst eine gute Idee.
Ja, das sind sie. Eine explizite Regelung über Reisezeiten und insbesondere ihre Vergütung kann helfen, späteren Streit zu vermeiden. Das BAG lässt es ja ausdrücklich zu, dass Reisezeiten einer gesonderten Vergütungsvereinbarung unterworfen werden können, also beispielsweise zu einem geringeren Stundenlohn abgerechnet werden. Wenn nichts geregelt ist, dann sind die erforderlichen Reisezeiten wie sonstige Arbeitszeit zu vergüten. Dabei sind sicher noch einige Rechtsfragen offen, beispielsweise die Frage, wie Reisezeiten von Führungskräften zu beurteilen sind, vor allem wenn diese Überstunden nicht explizit vergütet erhalten. Bei Außendienstlern wie auch bei Servicetechnikern hat das BAG wiederum schon in früheren Urteilen klargestellt, dass sie mit ihren Fahrten zum Kunden und zurück vergütungspflichtige Arbeit leisten, unabhängig davon, ob der Fahrtantritt und das Fahrtende vom Betrieb des Arbeitgebers oder von der Wohnung des Arbeitnehmers aus erfolgen.