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Technologie > EU-Verordnung: Intelligenter Tachograph

EU will schärfere Kontrollen von Lastwagen

Die EU will große Lastwagen und Busse strenger unter die Lupe nehmen. Helfen soll ein intelligentes Kontrollgerät. Mittelständler werden dadurch finanziell unnötig belastet, sagen Kritiker.

Läuft der Motor, tickt die Uhr – das gilt zumindest für die Fahrerkabinen großer Lastwagen und Busse. Denn seit 1985 misst dort ein Kontrollgerät, wie lange der Fahrer bereits hinter seinem Steuer sitzt. Höchstens 4,5 Stunden pausenloses Fahren ist nach EU-Recht erlaubt. Das soll die Zahl der übermüdeten Fahrer reduzieren und die Verkehrssicherheit erhöhen.

Nach langen Diskussionen steht jetzt eine Anpassung der zugrundeliegenden EU-Verordnung (EWG 3281/85) an. Die Kontrollen sollen dadurch verschärft und die Verkehrssicherheit sowie die Arbeitsbedingungen der Fahrer verbessert werden. Auch der Wettbewerb zwischen Unternehmen werde fairer, sagen EU-Vertreter. Schließlich gilt: Wer mehr fährt, macht mehr Gewinn. Folglich haben derzeit Unternehmen, die sich an die Regeln der EU halten und die Lenkzeiten ihrer Fahrer nicht überschreiten, einen Wettbewerbsnachteil. EU-Vertreter haben sich im Mai 2013 auf die Neufassung ihrer Fahrtenschreiberverordnung geeinigt. In wenigen Wochen fällt die abschließende Entscheidung in EU-Parlament und Rat.

Im Fokus steht die Einführung eines neuen intelligenten Kontrollgerätes. Anders als seine Vorgänger können Verkehrsprüfer die Fahrzeuge damit bereits aus der Ferne kontrollieren. Der Tachograph misst dafür zu Beginn und am Ende der Fahrt sowie alle drei Stunden den Standort und die Geschwindigkeit des Fahrzeugs. Die gespeicherten Werte kann der Prüfer dann über Funk abrufen. Angehalten werden von ihm folglich nur die Fahrer, die ihm verdächtig erscheinen. Das ist der Fall, wenn die auf dem Gerät angezeigte zurückgelegte Strecke darauf hindeutet, dass der Fahrer die erlaubte Fahrtzeit überschritten hat oder wenn der Fahrtenschreiber manipuliert sein könnte. Letzteres zeigt sich etwa daran, wenn die von dem Gerät erfasste Geschwindigkeit unglaubwürdig erscheint.

Die Fernkommunikation zwischen Fahrzeug und Prüfer ist bislang nicht möglich. Fahrzeuge können daher nur stichprobenartig angehalten und kontrolliert werden. „Mit der neuen Technik vereinfachen wir das Leben derjenigen Transportunternehmen, die Lenk- und Ruhezeiten respektieren und damit entscheidend zur Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr beitragen“, sagte der österreichische EU-Politiker Hubert Pirker (ÖVP) im Juni 2013. Das oft stundenlange Warten bei Straßenkontrollen habe für diese Unternehmen ein Ende. Wie vorherige Geräte muss der neue Fahrtenschreiber ab einem Gewicht von 3,5 Tonnen in alle Lastwagen und Busse eingebaut werden. Für Busse gilt das nur, wenn sie einschließlich Fahrer neun Personen oder mehr transportieren. 

Mittelständler haften für Manipulationen

Immer wieder manipulieren Unternehmer die Tachographen ihrer Fahrzeuge, um die Vorschriften der EU zu umgehen. Für 2012 listet die Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes (BKA) 347 Fälle von manipulierten Tachographen. Das entspricht einer Zunahme von 49,6 Prozent verglichen zum Vorjahr (232 Fälle). Und nicht nur die Geräte werden manipuliert: Viele Unternehmer schicken ihre Beschäftigten auch mit falschen Fahrerkarten los. Werden die Fahrer erwischt, haftet der Unternehmer. Je nach Strafmaß droht ein Bußgeld in vierstelliger Höhe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Ist der Fahrer in einen Unfall verwickelt und hat dabei andere Menschen in
Gefahr gebracht, kann sein Vergehen bis hin zum Tötungsdelikt geahndet werden.

Aber auch ohne Manipulation sind die geltenden Regelungen schwer zu verfolgen. Die beständige Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten sei „schlichtweg unmöglich“, sagte Logistiker Hans Friedrich Guckuk zum EU-Recht. Er begründet das mit der schlechten Verkehrssituation, die sich durch „mangelnde Pflege der Wegstrecken“ noch verschlimmern werde. Den geplanten Änderungen sieht die Kölner Firma dennoch „entspannt“ entgegen. „Wir planen unsere Touren weiterhin so, dass wir täglich eine Stunde in der Zeit für Staus oder unerwartete Wartezeiten einrechnen“, erklärte er auf Anfrage von Markt und Mittelstand. 

Handwerksbetriebe: Ab 100 Kilometern in der Pflicht

Für die Fahrzeuge einiger Branchen gibt es Ausnahmeregelungen. Dazu zählen auch Handwerks- und Bauarbeiterbetriebe, deren Fahrer nur unterwegs sind, um etwa Material von einem Arbeitsort zum nächsten zu transportieren. Dort gehen sie dann ihrer eigentlichen Tätigkeit nach und sind somit keine Berufsfahrer. Bis zu einem Gewicht von 7,5 Tonnen sollen die Fahrzeuge dieser Unternehmen von der Tachographenpflicht ausgenommen werden, wenn sie nicht weiter als in einem Umkreis von 100 Kilometern um den Standort ihres Unternehmens herum eingesetzt werden. Bislang gilt die Ausnahmeregelung nur bis zu einem Radius von 50 Kilometern. Die Bundesregierung spricht von einem Fortschritt, der jedoch nicht weit genug gehe. „Für flächenmäßig große Länder, wie zum Beispiel Deutschland, ist diese Regelung nicht ausreichend und daher nicht hinnehmbar“, betonte die Regierung in einer Stellungnahme von Juli 2013. Gerade kleine und mittlere Unternehmen seien heute darauf angewiesen, Kunden in einem größeren Radius zu erreichen, lautet ihre Kritik. Deutschland ist daher dafür, dass die Mitgliedstaaten der EU den Radius auf 150 Kilometer erweitern können, sofern sie das für angemessen halten.

Kritisch äußerte sich auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). „Allein die verpflichtende Ausrüstung der Fahrzeuge mit Tachographen und der vielfach wechselnden Fahrzeuglenker mit Kontrollkarten ist für die Unternehmen mit Kosten von mehreren tausend Euro verbunden“, ärgerte sich ZDH-Generalsekretär Schwannecke. „Dazu kommt der finanzielle Aufwand für die Datenspeicherung und die Erstellung und Verwaltung zahlreicher Nachweise.“ Er erklärt: Bewegt sich ein Nicht-Berufsfahrer, der beispielsweise Baumaterial transportiert, mit seinem Laster in einem Umkreis von derzeit mehr als 50 Kilometern um den Standort seines Unternehmens, muss er bei einer Verkehrskontrolle nachweisen, welche Arbeiten er in den vorausgegangenen 28 Tagen gemacht hat.

Unternehmer zahlen bis zu 1700 Euro

700 und 800 Euro zahlen Unternehmer derzeit für den Neukauf eines digitalen Tachographen der Firma VDO, dem momentanen Marktführer unter den Fahrtenschreibern (Stand: September 2013). Insgesamt müssen sie für die Anschaffung des Gesamtpaketes aus Fahrtenschreiber, Montage und benötigter Software mit Kosten von 1300 bis 1700 Euro rechnen, schätzt Fahrtenschreiberdienst-Inhaber Jes Christophersen. Er betonte jedoch, dass diese Ausgaben nur bei der Nachrüstung von Fahrzeugen anfallen. In Neufahrzeugen gehöre der Tachograph dazu „wie die Reifen aufs Auto“.

Für Unternehmer bietet die neue Tachographenverordnung jedoch auch mehr Spielraum: Stimmen Rat und EU-Parlament für die Verordnung, können sie künftig kurzfristig Fahrer aus Drittstaaten einstellen - zumindest bis zu einer Dauer von 185 Tagen. Bedingung ist, dass die Fahrer auf Zeit eine gültige Fahrerlaubnis und einen Arbeitsvertrag mit dem jeweiligen Unternehmen haben. Verlängerbar sind ihre
temporären Fahrerkarten nicht.

Stimmen EU-Parlament und Rat für die Anpassung der EU-Verordnung (EWG 3281/85) gilt diese ab ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU bindend für alle EU-Mitgliedstaaten. Hersteller haben dann 36 Monate Zeit, um die intelligenten Messgeräte auf den Markt zu bringen. Von Unternehmern müssen sie in alle Neufahrzeuge direkt und in alte Fahrzeuge innerhalb von 15 Jahren eingebaut werden.

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