Mit Design lässt sich Erfolg auch im B2B-Bereich gestalten
Apple-Produkte ohne ihr minimalistisches Design wären keine Apple-Produkte. Eine klare Formsprache steht aber nicht nur Endkonsumentenprodukten gut, auch B2B-Produkte setzen immer häufiger auf gutes Design. Damit das zum Erfolg führt reicht oberflächliche Kosmetik aber nicht aus. Gutes Design muss sich auch in der Funktionalität widerspiegeln.
„Irgendwann erkannten auch die Ingenieure das Potential und sprudelten vor Ideen.“
Jörg Hutzel
Auch ein Investitionsgut muss wirken – davon ist Jürgen Schmid überzeugt. Längst muss auch ein B2B-Hersteller kundenorientiert sein und sich darauf einstellen. „In der Industrie sind Geschäftsführer und Einkäufer ebenso ‚Kunde‘ wie Werker, Entwickler oder Servicetechniker in der Produktion“, zählt der Designer auf. Sie alle müssten angesprochen werden. Im Gegensatz zu Konzernen seien mittelständische Unternehmen deutlich offener für solche Faktoren. „Ein Geschäftsführer, der ein teures Auto fährt oder einen edlen Schreibtisch hat, kauft auch eher eine designte Maschine“, ist Hutzel überzeugt. Auch bei Arburg beobachtet man, dass die neueste und schickste Maschine bei Kunden oft in der ersten Reihe steht. „Das ist wie ein Schaufenster der Produktion. Wer zeigt, dass er modernste Technologie nutzt, kann bei Geschäftspartnern punkten.“
„Man sollte Design aber nicht überbewerten. Erfolgreich wird ein Produkt nur, wenn Produktionsprozesse, Projektplanung und Vertriebskonzepte genau aufeinander abgestimmt werden“, sagt Schmid. Design könne Kaufimpulse geben. Doch gerade im B2B-Segment stehe immer die Funktionalität einer Maschine oder Anlage im Vordergrund des Kaufinteresses. Obwohl das Verhältnis zwischen Ingenieur und Designer nicht immer einfach ist (siehe auch Kasten „Ingenieur vs. Designer“), können beide Seiten von der Expertise des anderen und dessen Sicht auf die Dinge profitieren. „Eine neue Designlösung für die Rahmenarchitektur unserer Roboterzelle hat uns neue Impulse für die Konstruktion gegeben, auf die wir selbst nicht gekommen wären“, gibt Jörg Hutzel ein Beispiel.
„Durch unseren stärkeren Fokus auf Produktdesign und Ergonomie konnten wir den Preisdruck in unserer Branche abwehren.“
Achim Lübbering
Kaum lag der Firmengründer Arthur Hehl unter der Erde, rissen die Söhne große Teile der alten Arburg-Fabrik ab und errichteten eine neue. Auch beim Geschäftsmodell ließen Karl und Eugen Hehl keinen Stein auf dem anderen: Hatte der Vater noch Konsumartikel produziert, entwickelten die Brüder Mitte der fünfziger Jahre Maschinen. Erst für den Eigenbedarf, später starteten sie die Serienfertigung von Spritzgießmaschinen und den Verkauf an andere Unternehmen. Für den ersten Prototyp einer Serienmaschine bearbeiteten die beiden Tüftler einen Holzblock so lange mit der Feile, bis sie das Modell ästhetisch genug fanden.
Bei der Konkurrenz sorgten die kleinen Maschinen mit den abgerundeten Kanten für Spott und
Verwunderung; damals waren Großanlagen das Nonplusultra, und die bekannten Hersteller von
Spritzgießmaschinen hießen Mannesmann oder Krauss Maffei. „Die Branche nannte uns das ‚Rätsel
von Loßburg‘“, erinnert sich die heutige geschäftsführende Gesellschafterin, Juliane Hehl. Denn der
Weg, den der kleine Familienbetrieb einschlug, mutete eigensinnig an. „Unser Ziel sind nicht nur technisch gute Maschinen, sondern auch schöne“, sagt Hehl. Was damals noch als ungewöhnlich galt,
wurde in den vergangenen Jahren ein Trend: Design.
Ist die Rede von Formgebung oder Gestaltung, so die gängigen Übersetzungen für Design, denken
die meisten heute wohl sofort an Apple, Coca-Cola oder Porsche. Im Konsumbereich (B2C) sind langfristiger Erfolg und Design schon seit langem quasi untrennbar miteinander verbunden. Doch auch im Business-to-Business(BSB)-Segment hat die Kombination von Form und Funktion an Bedeutung
gewonnen – wenn auch auf einem anderen Level. Fräsmaschinen, Kabelkanäle oder Industriestecker
dürfen und können heute ebenfalls in ästhetisch ansprechender Gestalt daherkommen. „Rund ein
Drittel der deutschen Industriebetriebe arbeitet mit einem Designer zusammen“, schätzt Ralph Wiegmann, Geschäftsführer des Vereins IF Industrie Forum Design, der jedes Jahr den Industriepreis „IF Design Award“ verleiht.
Über das Design hinausblicken
Eine Erhebung des Rats für Formgebung (RfF) aus dem Jahr 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass rund 40 Prozent aller deutschen B2B-Unternehmen über ein Designleitbild verfügen: „Die Fokussierung auf eine eindeutige Marken- und Designsprache ist als Erfolgstreiber im produzierenden Gewerbe anzusehen“, schreibt der RfF und betont, dass sich Design besonders auf das Marketing, den Vertrieb und die Produktentwicklung positiv auswirkt.
Auch immer mehr mittelständische Unternehmen erkennen, dass sich hässliche Produkte schlecht(er) verkaufen. „Design ermöglicht eine Differenzierung von den Wettbewerbern und hebt die Leistungsmerkmale hervor“, sagt Achim Lübbering, Geschäftsführer der mittelständischen Firma Johannes Lübbering, die Spezialwerkzeuge für die Automobilindustrie herstellt. Auch die Industrie- und Handelskammern (IHK) bieten in diesem Bereich zunehmend Angebote. So spricht etwa die IHK Offenbach mit ihrer Initiative „Design to business“ gezielt Mittelständler an, die Designaspekte in den Fokus rücken wollen.
Statistische Zahlen, wie sich Design auf den Geschäftserfolg auswirkt, gibt es nicht, aber Indizien: „Gut gestaltete B2B-Produkte verkaufen sich deutlich besser“, sagt Jürgen R. Schmid, Gründer des Gestaltungsbüros Design Tech: „Die Absatzsteigerungen können nach unseren Erfahrungen für den gesamten Produktionszeitraum zwischen 10 und 700 Prozent betragen.“ Auch einige Unternehmen berichten von einem erheblichen Plus bei den Verkaufszahlen. Hinzu kommt ein Wiedererkennungseffekt, wenn das Design einer Maschine den Käufer anspricht. „Wer einmal bei uns gekauft hat, kommt immer wieder“, sagt Jörg Hutzel, Geschäftsführer von Handling Tech Automations-Systeme.
Pro & Contra von B2B-Design
Pro
- schöne Produkte verkaufen sich besser, als hässliche ✔
- Differenzierung von der Konkurrenz ✔
- Betonung der Leistungsmerkmale (Qualität, Präzision etc.) ✔
- positive Auswirkung auf Ergonomie, Wartung, Einsatzdauer ✔
- disruptiver Entwicklungsansatz, der weit über die äußere Form hinausgeht ✔
Contra
- Skepsis, warum ein Industrieprodukt schön sein muss ✘
- Kompromissfindung zwischen Ingenieur und Designer oft schwierig ✘
- mitunter höhere Entwicklungskosten und längere Entwicklungszeiten ✘
- automatische Erwartung eines höheren Preises ✘
- mehr Fälle von Plagiaten und Fälschungen ✘
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Anderen Unternehmen gelingt es auf diese Weise, die Kundenorientierung oder Qualitätsaspekte in den Vordergrund zu rücken. „Durch unseren stärkeren Fokus auf Produktdesign und Ergonomie konnten wir den Preisdruck in unserer Branche abwehren“, sagt Achim Lübbering. Zu den eher weichen Erfolgsfaktoren gelungenen Industriedesigns zählt, dass sich die Maschine an ihren menschlichen Benutzer anpasst: So hat der Industriegeschirrspülmaschinen-Hersteller Meiko ein Bedienkonzept speziell für ungelernte Arbeitskräfte entwickelt.
Design schafft Mehrwert – und den soll man dem Produkt auch ansehen. Doch das war nicht immer so. Als Unternehmen wie Arburg oder Lübbering begannen, Designprodukte anzubieten, waren nicht alle begeistert. Der Grund: Maschinen wurden lange nach nur einer Maxime bewertet – sie mussten gut funktionieren und ebenso zuverlässig wie effizient arbeiten. Design galt als schöngeistiger Firlefanz. „Das brauchen wir nicht“, lautete lange die verbreitete Meinung in Deutschland. In manchen Branchen ist diese Ansicht bis heute anzutreffen. Erst ab Mitte der neunziger Jahre setzte ein Umdenken ein. „Jeder Industriebetrieb ist ein Handelsunternehmen, das Kaufanreize schaffen muss“, sagt Industriedesigner Schmid. Aufgrund der zunehmenden Internationalisierung und eines steigenden Wettbewerbsdrucks in vielen Branchen gewann das Thema „Differenzierung gegenüber der Konkurrenz“ an Bedeutung.
Mit Design aus der Krise
Hinzu kommt, dass sich die Trennung von Konsumenten- und Industriedesign immer mehr auflöste: Auch Konsumprodukte müssen heute funktional sein. Und Industrieprodukte dürfen schön aussehen. Das gegenwärtige Verständnis von Design verbindet mittlerweile beide Welten: „Design bedeutet eine ganzheitliche Entwicklung der funktionalen, technischen und ästhetischen Elemente eines Produktes“, fasst Experte Ralph Wiegmann zusammen.
Doch wie funktioniert dieser theoretische Ansatz in der Praxis? 2003 hatte Jörg Hutzel begonnen, eine modulare Roboterzelle zu entwickeln, mit der Unternehmen Be- oder Verarbeitungsprozesse automatisieren können. In den Folgejahren etablierte sich die Robax-Zelle gut auf dem Markt. Doch Hutzel sorgte sich, ob das so bleiben würde: „Unser Service war gut, bei den Preisen sind wir nicht ausgebrochen, und die Lieferzeiten gab der Markt vor.“ 2009 schlug dann die Finanzkrise durch – die Hälfte der Aufträge wurde storniert; der Umsatz sackte auf fast die Hälfte ab. Hutzel sah den richtigen Zeitpunkt gekommen, um einen schon länger gehegten Plan in die Tat umzusetzen. Er engagierte einen Industriedesigner und beauftragte ihn, die Maschinen von Handling Tech Automations-Systeme unverwechselbar zu gestalten. Um den Prozess ganzheitlich angehen zu können, kamen ihm die freien Kapazitäten und Ressourcen gerade recht.
Jörg Hutzel ist zwar ein Ästhet, aber eine schöne Maschine allein reichte dem Maschinenbauingenieur dann doch nicht. Deshalb hatte er für den Gestaltungsprofi einige zusätzliche Aufgaben: Der Rahmen sollte größer und verwindungssteifer werden sowie gleichzeitig als Kabelkanal dienen. Das ermöglichte es erstens, die Roboter bei Bedarf auch aufzuhängen, und zweitens, schnellere Geschwindigkeiten für eine höhere Taktung bei der Fertigung zu erreichen. Obwohl die Ingenieure zu Beginn der Zusammenarbeit nicht immer einer Meinung waren, rauften sie sich zusammen. „Irgendwann erkannten auch meine Ingenieure das Potential und sprudelten vor Ideen. Wir fanden Lösungen, um weitere Module anzubauen und konnten verschiedene Teilespeicher integrieren“, erzählt Hutzel. Dass die neue Robax-Zelle auch nicht mehr wie eine „Telefonzelle auf Füßen“ aussah, sondern sich in eine elegante Designzelle mit klaren Linien verwandelt hatte, war am Ende nur einer von vielen neuen Aspekten. Mittlerweile ist die Robax-Familie auf fünf verschiedene Basis-Modulgrößen angewachsen und der Umsatz des Unternehmens zwischen 2011 und 2017 jährlich um bis zu 30 Prozent auf 14 Millionen Euro gestiegen. Nebenbei hat das Technologieunternehmen auch sieben Designpreise abgeräumt.
Blaue Teile = Berühren erlaubt
Bei Arburg spiegeln sich die technischen Fortschritte seit Mitte der fünfziger Jahre konsequent im Design wider. Die erste selbstentwickelte Spritzgießmaschine konnte auch kleine Kunststoffteile produzieren. Eine Marktlücke. Wenig später kam die erste Maschine mit schwenkbarer Schließ- und Spritzeinheit auf den Markt – durch eine horizontale und vertikale Positionierung gelang nun auch das Mehrkomponenten-Spritzgießen.
Der nächste Schritt folgte 1996. Statt der Standardfarbe Hammerschlaggrün verpasste die gelernte Grafikdesignerin Juliane Hehl den Anlagen eine damals frische Optik in Mintgrün, Gelb und Grau. Was sich banal anhört, hat einen guten Grund: Hammerschlaggrün verwendeten die Maschinenbauer früher, um kleine Unebenheiten und Schweißnähte in der Oberfläche zu kaschieren, erklärt Jürgen Schmid, der Arburg in Designfragen berät. Mit höheren Produktionsqualitäten sei dies nicht mehr notwendig gewesen, deshalb kommen heute sogar Mikrostrukturlacke zum Einsatz, die jede noch so kleine Unebenheit gnadenlos enttarnen. „Ein Experte kann am Lack erkennen, ob es sich um eine High-End- oder Low-Cost-Maschine handelt“, weiß Schmid. Die Maschinen von Arburg nahmen kontinuierlich immer größere Dimensionen an, 2016 wurde das derzeit größte Modell vorgestellt. Bei der Funktionalität setzten die Entwickler auf eine ausklappbare Treppe zur Schließeinheit, Servicetüren für die Versorgungseinrichtung und Lichtleisten, die den Betriebszustand anzeigen. Auch das Design erreichte eine neue Stufe: Die futuristische Großanlage ähnelt einem Raumschiff aus „Star Wars“. Seit 1954 hat das Unternehmen aus dem Schwarzwald mehrere Hundert Patente und Gebrauchsmuster eintragen und schützen lassen.
Nicht immer bestehen so viele Freiräume für die Gestaltung. Bei Industriespülmaschinen sind etwa Edelstahloberflächen und rechte Winkel als Standard gesetzt. Um doch eine Differenzierung herbeizuführen, beschäftigte sich Meiko damit, wer seine Maschinen nutzt. Oft sind dies ungelernte Arbeitskräfte. Zusammen mit dem Industriedesigner Frank Georg Zebner entwickelte das Unternehmen das „Blaue Bedienkonzept“. Dabei sind wichtige Funktionselemente wie etwa der Filter oder der Wascharm blau und werden vom Bedienpersonal sofort als diejenigen Teile erkannt, die nach oder vor der Nutzung überprüft oder gereinigt werden müssen.
Schaufenster der Produktion
Ein anderer wichtiger Anschaffungsgrund, den Design zumindest indirekt beeinflussen kann, ist die Langlebigkeit einer Anlage. Diese ist auch davon abhängig, wie pfleglich Mitarbeiter damit umgehen. Viele designaffine B2B-Firmen berichten davon, dass ihre Produkte auch noch nach 15 Jahren des täglichen Einsatzes „wie neu aussehen“. Das ist kein Zufall. Viele Unternehmen holen vor der Neuanschaffung sogar die Meinung derjenigen ein, die täglich damit arbeiten. „Die Firmen riskieren nicht, dass die Mitarbeiter unzufrieden sind“, sagt Achim Lübbering.
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Ein guter Eindruck hört längst nicht bei der Entwicklung auf. Damit aus Design eine Marke wird,
sollten die Designelemente auf alle anderen Bereiche übertragen werden: Broschüren, Website, Arbeitsbekleidung und Messestand. „Unser Messestand ist ein Abbild unserer Produkte und soll genauso perfekt sein“, erklärt Achim Lübbering. Das zeigt sich nicht nur in den glatten Oberflächen des Messestandes und der Inszenierung der einzelnen Werkzeuge mit Licht. „Selbst unsere Süßigkeiten stimmen wir farblich auf unseren Messestand ab“, so der 49-Jährige.
Arburg hat sich 2009 an seinem Stammsitz sogar einen üppigen Showroom mit 3.000 Quadratmetern
Fläche geleistet, in dem zum Beispiel Hausmessen stattfinden. Das Unternehmen, das Mitte der fünfziger Jahre als kleiner Familienbetrieb in das B2B-Geschäft einstieg, beschäftigt heute 2.800 Mitarbeiter und hat 2017 fast 700 Millionen Euro umgesetzt. Mittlerweile macht sich die Konkurrenz nicht mehr lustig. In vielen Fällen ist sie ohnehin vom Markt verschwunden.
Ingenieur vs. Designer
Formfetischisten und Technikfanatiker sind in der Entwicklung natürliche Feinde. Für eine gute
Zusammenarbeit sollten Sie folgende Punkte beachten:
- Erfolgsabhängige Provision: Dadurch fokussiert sich der Designer von vornherein auf die funktionalen und technischen Aspekte, über die sich das Produkt später verkauft.
- Frühe Integration: Je früher der Industriedesigner seine Ideen einbringen kann, desto eher kann sich auch die Entwicklungsabteilung damit auseinandersetzen. Der Designer sollte immer mehrere Vorschläge vorlegen und Prototypen anfertigen.
- Klare Ziele kommunizieren: Sagen Sie dem Designer, wie sich die Performance Ihres Produktes verbessern soll, und überprüfen Sie diese Vorgaben regelmäßig. Wägen Sie ab, ob kleine ästhetische Korrekturen auch betriebswirtschaftlich sinnvoll sind.
- Externer Designer: Er hat keine Scheuklappen auf und findet andere Lösungen.
- Kein Plan B: Auch den Ingenieuren muss klar sein, dass es sich nicht um ein Experiment handelt, sondern um eine von der Geschäftsführung gewollte, neue und nachhaltige Strategie. Fordern Sie die aktive Zusammenarbeit konsequent ein.