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Einkauf, Marketing und Marken > Folgen der US-Strafzölle auf Stahl und Alu

„Der Einkauf sollte sich in verschiedene Richtungen absichern“

Seitdem Donald Trump US-Präsident ist, jagt eine Hiobsbotschaft die andere. Vor allem die Strafzölle sorgen in der Wirtschaft für Unsicherheiten. Die Gegenmaßnahmen der EU betreffen auch den Einkauf. Wie Mittelständler mit dem Problem umgehen können, erklärt der Einkaufsexperte Lars-Peter Häfele.

Seit dem 1. Juni erheben die USA Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte aus EU-Ländern und anderen Staaten wie China in Höhe von 25 bzw. 10 Prozent. Darunter leiden diejenigen Mittelständler, die diese Rohstoffe in die Vereinigten Staaten exportieren. Die als Revanche auf US-Produkte und -Rohstoffe verhängten Zölle seitens der EU treffen wiederum die Importeure und damit die Einkaufsabteilungen. Deutschland bezieht von der anderen Seite des Atlantiks große Mengen Kohle, Maschinen und Elektronik. Das Tauziehen bringt die Weltwirtschaft durcheinander. Wie wirkt sich das auf deutsche Unternehmen aus, und wie kann der Einkauf gegensteuern?

Herr Häfele, die USA belegen Stahl und Aluminium aus der EU seit einigen Wochen mit Strafzöllen. Mit welchen Auswirkungen auf Deutschland und Europa rechnen Sie?
Wenn für chinesische Stahlhersteller die Exporte in die USA teurer werden, könnten sie sich auf Europa fokussieren und ihre Kapazitäten in unsere Märkte drücken. Dann bestünde Dumpingalarm.

Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario?
Im Moment sehen wir das noch nicht in der Praxis – man sollte jetzt auch nicht panisch werden.

Als Gegenreaktion auf die Entscheidung von US-Präsident Trump hat auch die EU Strafzölle auf US-Waren verhängt. Wie sehr sind deutsche Mittelständler betroffen, die in den USA industrielle Vorprodukte einkaufen?
Wenn man sich die Liste dieser Produkte genauer ansieht, dann sind das vor allem Konsum- und Agrarprodukte wie Motorräder, Erdnussbutter oder Cranberrys. Man kann also sagen, die Gegenzölle treffen vor allem die Verbraucher und weniger die Industrie – da hat Brüssel aus Sicht der Unternehmen sehr umsichtig Gegenzölle festgelegt. Aber auch in diesem Punkt wissen wir nicht, wie es weitergeht.

Auf der Liste stehen allerdings auch Stahlstäbe, legierte Stangen und Rohre sowie Aluminium.

Das ist richtig, aber für diese Produkte stellen die USA keinen wichtigen Herkunftsmarkt in deutschen Unternehmen dar. Die bisher verhängten Importzölle, die ja die US-Industrie schützen sollen, überdecken das eigentliche Problem, nämlich dass die USA bei diesen Produkten schlichtweg nicht wettbewerbsfähig sind. Aus diesem Grund hat auch kaum ein deutsches Unternehmen in der Vergangenheit in größerem Umfang Stahl- und Aluminiumprodukte aus den USA bezogen.

Das heißt, Einkäufer müssen sich wegen Trump gar keine Sorgen machen?!

‚Gar keine Sorgen‘ würde ich nicht sagen. Bei Rohstoffen spielen die USA bei Kohle eine wichtige Rolle und darüber hinaus bei chemischen Erzeugnissen wie Pharmazeutika. Aber auch Maschinen und Elektronik werden in größerem Stil von Deutschland importiert. Bei vielen dieser Güter sehe ich allerdings nur in Nischen eine große Abhängigkeit von den USA. Zudem müsste die EU erst Zölle auf diese Produkte als Gegenmaßnahme erheben. Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass die Unsicherheiten für die Unternehmen zugenommen haben.

Mehr Artikel zu den Themen Zoll und Vertrieb und Beschaffung finden Sie auf den entsprechenden Themenseiten.

Wie können Unternehmen darauf reagieren?
Ein wichtiger Punkt ist, dass sie mehr Transparenz über ihre Bedarfe und Lieferquellen herstellen. Unternehmen sollten wissen, was ihre wesentlichen Produktionsrohstoffe sind und aus welchen Ländern diese kommen. Nur dann können sie bestehende Risiken auch früh erkennen.

Sind mittelständische Unternehmen anfälliger für Risiken und Herausforderungen als große Unternehmen und Konzerne?
Das kommt auf die Branche und die Lieferantenstruktur an: Unternehmen mit einem sehr internationalen Lieferantenportfolio und Produktionsstandorten oder globalen Absatzmärkten sind natürlich stärker betroffen. Tiefgreifende Änderungen in der Produktionsstrategie sind mit hohen Kosten und damit auch Risiken verbunden, wohingegen eine flexibilisierte Beschaffungsstrategie mit alternativen Lieferquellen leichter zu erreichen ist. Die Herausforderung ist, aufgrund fehlender Planbarkeit eine Absicherung in verschiedene Richtungen vorzunehmen.

Welche Rolle spielt die Diversifikation von Lieferanten?
Unternehmen sollten ihre Schlüssellieferanten durch weitere aus anderen Ländern und Kontinenten ergänzen. Auch regionale Lieferanten sind ein geeignetes Back-up. Mit mehr Transparenz und Flexibilität sowie einem Lieferantenpool innerhalb Europas können Unternehmen wettbewerbsfähiger werden.

„Handeln Sie proaktiv“

Und im strategischen Einkauf?
Dort geht es um Themen wie Lieferantenentwicklung und Preiskonditionen. Aber auch hier gilt: Je mehr das Unternehmen mögliche Risiken für die eigene Fertigung im Blick hat, desto besser kann es wiederum eine Vorhersage treffen – und sich damit auf Veränderungen einstellen.

Mit Absicherungsgeschäften können Unternehmer Preisschwankungen ausgleichen. Funktioniert dieses Instrument auch in einem Handelskrieg?
Eher nicht, denn Hedging ist lediglich eine kurz- bis mittelfristige Maßnahme. Länger als zwei Jahre machen Unternehmen das selten. Da wir nicht wissen, ob Donald Trump vier oder acht Jahre an der Macht bleibt, löst Hedging die Probleme also nicht.

Wie sieht es mit langfristigen Lieferverträgen aus?

Langfristige Lieferverträge werden zwar weniger beeinträchtigt, aber es ist unwahrscheinlich, dass Unternehmen einen Lieferanten finden, der sich jahrelang an vereinbarte Konditionen bindet. Und selbst wenn: Verändern sich die Marktbedingungen, würde dieser Lieferant trotzdem auf das Unternehmen zukommen und Anpassungen fordern.

Sie nannten Flexibilität und Transparenz als Lösungen. Wie weit sind mittelständische Unternehmen auf dem Weg der Umsetzung schon vorangekommen?

Unsere Wahrnehmung ist, dass viele Unternehmen erst dann reagieren, wenn die Rohstoffpreise am Markt steigen und Lieferanten die Preise tatsächlich erhöhen. Wir empfehlen unseren Kunden ein proaktives Handeln, wodurch sie schneller auf Änderungen in den Beschaffungsmärkten reagieren können. Dabei kann auch die Digitalisierung helfen. Wenn Unternehmen es schaffen, durch eine vernetzte Produktions- und Absatzplanung Materialbedarfe besser zu planen, kann der Einkauf in Zusammenarbeit mit den Lieferanten auch die Versorgungssicherheit erhöhen und Preisrisiken minimieren.

Zur Person

Lars-Peter Häfele ist seit Juli 2018 einer von neun Inverto-Geschäftsführern. Der 35-Jährige war zuletzt als Principal und Leiter des Competence Centers Industriegüter bei Inverto tätig. Zudem verantwortet er die jährliche Rohstoffstudie.

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