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9 Monate arbeiten & 3 Monate frei

Warum es sich auch für KMU lohnt, mehr Urlaub zu machen: Seit Jahren fordert New Work ein Umdenken beim Thema Vollzeit. Nicht nur mehr Flexibilität und Homeoffice – insgesamt muss es weniger werden. Eine geringere Arbeitszeit führt nachweislich zu höherer Produktivität, Qualität, Motivation und damit auch zu höherem Umsatz.

Manuel Spors und sein Team leben die neue Vollzeit: Sie arbeiten nur noch neun Monate im Jahr und verbringen drei Monate im Urlaub. Foto: Nathalie Spors, (c) Spors KG.

Schon 2007 veröffentlichte die Hans Boekler Stiftung einen europäischen Vergleich, in dem die Länder mit niedrigerer Arbeitsdauer eine höhere Produktivität an den Tag legten. Zahlreiche Studien in den letzten Jahrzehnten präzisierten diese Erkenntnis. Und nun sind auch die Ergebnisse des bisher größten Feldversuchs einer 4-Tage-Woche publiziert: 61 britische Unternehmen mit insgesamt knapp 3.000 Mitarbeiter*innen für sechs Monate seit Juni 2022. In der Studie gaben 71 % der Beschäftigten an, weniger stark unter Burnout zu leiden, 57 % weniger verließen ihr Unternehmen, die Krankentage gingen um 65 % zurück und zusätzlich zu den so gesparten Kosten stiegen die Firmeneinnahmen noch im Durchschnitt um 1,4 %. 

Die 4-Tage-Woche ist daher ein guter Ansatz. Aber gerade für Selbstständige und für KMU ist sie häufig schwer umzusetzen, da hier viel projektbasiert gearbeitet wird. In  Projektzeiträumen hängt das Damoklesschwert ständiger Erreichbarkeit über einem und sehr häufig reicht die Selbstdisziplin einfach nicht aus, am Freitag Computer und Diensthandy konsequent auszulassen. 

Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die zusätzliche freie Zeit zu einem großen Block zu formen, bspw. wie die 9-zu-3-Methode es vorschlägt: neun Monate arbeiten und drei Monate freimachen. Von der im Jahr eingesparten Arbeitszeit her liegt diese Methode mit der 4-Tage-Woche ungefähr gleich auf. Aber gerade für Projektarbeitende ist sie viel besser plan- und im Arbeitsalltag umsetzbar. Fährt man für drei Monate weg, sinken Druck und Drang, E-Mails zu checken, sehr viel entschiedener, als wenn man bloß ins verlängerte Wochenende geht. Logischerweise muss das entsprechend langfristig vorher an Partnern und Kunden kommuniziert werden. 

Im Gegenzug sind für Selbstständige und KMU durch diese Kürzung der Arbeitszeit deutlich mehr als 1,4 % Umsatzsteigerung möglich. Der Durchschnitt liegt bei einem anderthalb Mal bis doppelt so hohen Jahresumsatz. Ein Kunde brachte es sogar von 30.000 Euro auf 120.000 Euro. Bei mir selbst war es ein Sprung von 60.000 Euro auf knapp 200.000 Euro Jahresumsatz. 
 

Wie aber funktioniert das?

Die 9-zu-3-Methode

Leider reicht es in aller Regel nicht aus, einfach von Oktober bis Dezember das „Geschlossen“-Schild an die Tür zu hängen. Damit die 9-zu-3-Methode – gerade mit entsprechender Umsatzsteigerung – funktioniert, bedarf es einer schrittweisen Anpassung von Vertrieb, Angebot, Preisen und Arbeitsweise:

Schritt 1: Personal Branding als Basis

Die Voraussetzung für 9-zu-3 ist ein glaubhaftes Personal Branding. Personal Branding im Geschäft bedeutet, beim Kommunizieren mit Kunden und Partnern die eigene Persönlichkeit nicht zu verbergen oder künstlich abzuändern. Ganz im Gegenteil: Man stellt sie möglichst authentisch in den Vordergrund, sodass der Kunde nicht mehr in erster Linie das Produkt oder die Dienstleistung kauft. Vielmehr „kauft“ er die Person, die beides anbietet. 

Das sollte 2023 selbstverständlich sein, ist es aber nicht. Viele Unternehmer zwingen sich immer noch zu einem ihrem Glauben nach notwendigen Auftreten und schaden sich damit unbewusst. Das Problem an Geschäftsverhalten, das der eigenen Persönlichkeit widerspricht, ist nämlich: Der Kunde merkt es. Er merkt die Diskrepanz, er merkt die Lüge und entscheidet instinktiv für sich: Wo Selbstbetrug herrscht, ist der Betrug nicht weit. Von Menschen, die lügen, wollen wir nichts kaufen. 

Schritt 2: Hochpreisig verkaufen

Ein funktionierendes Personal Branding führt zu einer besseren Kundenbindung und erlaubt damit höhere Preise. Wenn der Kunde vor allem den Anbieter haben möchte und nicht in erster Linie ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung, lässt er sich von Preisvergleichen schwerer abschrecken. 

Mit höheren Preisen braucht man wiederum weniger Kunden, um den nötigen Umsatz einzufahren. Dadurch gewinnt man die meiste Zeit. Die Akquise ist weniger gehetzt und kann gezielter auf Wunschkunden erfolgen. Außerdem hat man mehr Zeit, sich um die akquirierten Kunden zu kümmern und die eigene Arbeitsqualität zu steigern. Die Folge ist eine höhere Kundenzufriedenheit, die für mehr Empfehlungen sorgt, die für mehr Kunden sorgen, die bereits mit dem höheren Preissegment rechnen, etc.

Schritt 3: Ungeliebtes abgeben, Geliebtes priorisieren

Die durch höhere Preise gewonnenen Kapazitäten kann man noch einmal ausbauen, indem man alles, was man nicht selbst tun muss und vor allem nicht tun möchte, abgibt. Gerade für ein Geschäft, das auf Personal Branding setzt, ist es äußerst wichtig, dass der Kunde die Freude und Leidenschaft spürt, die man in seine Arbeit steckt. Das fällt schwer, wenn man einen Teil davon nicht mag. Muss etwas Ungeliebtes gemacht werden, warum es also nicht abgeben an einen Mitarbeiter oder Kooperationspartner, der es lieber, vielleicht sogar gern und damit sehr wahrscheinlich auch besser macht? 

Im Gegenzug hat man mehr Zeit für das Kerngeschäft: also das, was am meisten Spaß macht und gleichzeitig den direktesten Umsatz bringt.
 
Schritt 4: Besser arbeiten durch Freizeit

Der letzte Schritt funktioniert dann ganz ohne eigenes Zutun: Aus einem mehrmonatigen Urlaub kommt man so gestärkt und positiv zurück, mit so vielen neuen Ideen, Vorhaben und mit einem Umsetzungswillen, dass sich die Performance in den Arbeitsmonaten noch einmal wie durch Magie verbessert. Dann kann man selbst entscheiden, ob man lieber wieder die Preise erhöhen will, um noch mehr Urlaub zu machen, oder ob man die richtige Balance für sich schon gefunden hat.

Bleibt noch zu klären: Müssen es wirklich drei Monate Urlaub am Stück sein? Nein. Die drei Monate stehen für den Freiraum, den jeder benötigt. Ein Kunde von uns nimmt bewusst nur zwei Monate, andere verteilen die drei Monate im Jahr. 
Alle aber gehen nach dem ersten Jahr nicht mehr zurück zur alten Vollzeit. Das liegt nicht nur an der höheren Produktivität und der Umsatzsteigerung. Wir, die wir die 9-zu-3-Methode leben, haben auch gar nicht mehr den Eindruck, „nur“ Teilzeit zu arbeiten, sondern den Weg in eine neue sehr viel gesündere und erfüllendere Vollzeit gefunden zu haben.

Zum Autor:

Manuel Spors ist international gefragter „Be Different“-Experte und Keynote Speaker für Vermarktungsthemen. Seit 2021 arbeiten er und sein Team nur noch neun Monate im Jahr. Sein Buch „9 Monate arbeiten & 3 Monate frei“ erscheint am 25. Oktober 2023 im Goldegg Verlag Wien.
Website: www.manuel-spors.com

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