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Dekarbonisierung – Kern einer erfolgreichen Nachhaltigkeitsstrategie

Bis 2050 sollen die 27 Mitgliedsstaaten der EU klimaneutral sein. Für die Unternehmen heißt das, ihre Wirtschaftsaktivitäten so CO2-arm wie möglich zu gestalten. Dekarbonisierung ist das Stichwort.

Christine Rademacher, Bereichsleiterin Financial Engineering und Mitglied im Board Lending und Wolfgang Vitzthum, Director ‚ESG & Sustainable Finance Solutions’

Bis 2050 sollen die 27 Mitgliedsstaaten der EU klimaneutral sein. Für die Unternehmen heißt das, ihre Wirtschaftsaktivitäten so CO2-arm  wie möglich zu gestalten. Dekarbonisierung ist das Stichwort. Studien beziffern die Mehrinvestitionen in Deutschland für die grüne Transformation auf mindestens 40 Milliarden Euro pro Jahr bis 2050. Eine immense Herausforderung – gerade für den Mittelstand. Die entscheidende Frage lautet: Wie sollen Unternehmen die grüne Transformation umsetzen und finanzieren?

Net-Zero werden, lautet das große Ziel. Aber wo genau sollen Unternehmer ansetzen? 

Der nachstehende Wegweiser für ein strukturiertes Vorgehen in vier Schritten hilft den Unternehmen, um die auf sie zurollende Welle der Dekarbonisierung in den Griff zu bekommen.
 

Schritt 1: Dekarbonisierung zur Chefsache erklären

Nachhaltigkeit ist ein strategisches Top-Thema und damit Chefsache. Denn jetzt werden die Weichen für die Dekarbonisierung gestellt, die das Geschäftsmodell auf lange Sicht prägen. Um volle Wirkung zu entfalten, muss die CO2-Reduktion in allen Bereichen und auf allen Ebenen eines Unternehmens gemeinsam angegangen werden.

Außerdem kann nur an der Unternehmensspitze entschieden werden, ob und gegebenenfalls welche strategischen Zukäufe für grüne Produktionskapazitäten nötig sind. 

Schritt 2: Eine Bank einschalten, die sich mit Transformationsfinanzierung auskennt 

Je früher Unternehmen und Bank gemeinsam ESG-Kennzahlen und -Ziele festlegen, desto eher besteht Klarheit darüber, wieviel Geld für die anstehende Transformation benötigt wird. 

Dabei sind die Erwartungen von Investoren mit zu berücksichtigen. Erst wenn Dekarbonsierungs- und Finanzierungsstrategie Hand in Hand gehen, wird Net-Zero zum Erfolgsmodell. Wie in anderen CO2-intensiven Sektoren ist der Investitionsbedarf in der Papier- und Verpackungsindustrie enorm. Das liegt an dem hohen Energieverbrauch und der Notwendigkeit, die Produktionsverfahren anzupassen, um CO2-frei produzieren zu können. 

Eine Transformation kann ein Unternehmen schnell an die Grenzen seiner Verschuldungsfähigkeit bringen. Nur eine Bank, die alle Förder- und Finanzierungsinstrumente kennt, kann einem Unternehmen entscheidende Vorteile bei den Finanzierungskosten sichern. Neben Bundes- und KfW-Förderung bieten sich grüne, EU-Taxonomie-konforme und ESG-linked-Finanzierungsinstrumente an. 

Eine gefestigte und vertrauensvolle Beziehung zwischen Bank und Kunde ist an der Stelle insbesondere für Mittelständler entscheidend. Nicht alle sind am Kapitalmarkt aktiv. Deshalb sind bilaterale Kredite besonders gefragt.
 

Schritt 3: Transparenz über den CO2-Status-Quo schaffen

Ausgangspunkt einer jeden Dekarbonisierungsstrategie ist der CO2-Fußabdruck des Unternehmens. 

Das Standardformat, um zunächst den Status Quo abzubilden, ist die CO2-Bilanz nach Green House Gas Protocol. Sie gibt Aufschluss über die direkten (Scope 1) und indirekten (Scope 2 und Scope 3) Emissionen im Unternehmen.

Damit können für alle Produktionsstandorte und Unternehmensbereiche die einzelnen Teilemissionsmengen berechnet sowie Verantwortlichkeiten von Führungskräften dafür festgelegt werden. Das ist Voraussetzung für Schritt 4.

Schritt 4: Konkrete Maßnahmen anstoßen - dann Stakeholder informieren

Dekarbonisierungs- und Finanzierungsstrategien stehen. Der CO2-Ausstoß ist bekannt. Jetzt kann die Umsetzung beginnen. 

Zunächst stehen Energieeffizienzmaßnahmen im Fokus. Ebenso wichtig ist es, die Energieversorgung auf grün umzustellen und Energie aus nachhaltigen Quellen selbst zu produzieren. Der aufwendigste Teil ist die Anpassung der Produktionsanlagen auf grüne Primärenergie. Nicht zu vermeidende Emissionen können durch ein sogenanntes Offsetting ausgeglichen werden. Auch sollten Dekarbonisierungsmaßnahmen in der Lieferkette eingefordert werden. 

Genau diesen Weg hat die Unternehmensgruppe ‚the nature network‘ eingeschlagen. Ihr Geschäftsbereich Martin Bauer veredelt an seinen mehr als 15 weltweiten Standorten Botanicals für die Lebensmittelindustrie. Die Gruppe arbeitet kontinuierlich an der Reduktion seiner CO2-Emissionen, z.B. durch Optimierung der Energieeffizienz von Produktionsprozessen oder der Umstellung auf erneuerbare Energien. Dabei beschränkt sie sich nicht nur auf die eigenen Standorte, sondern arbeitet auch mit Lieferanten aktiv zusammen. Bis 2030 sollen dadurch 55 % der gesamten CO2-Emissionen eingespart werden. Ab 2030 sollen die nicht vermeidbaren Restemissionen durch anerkannte Klimaschutzprojekte, soweit möglich auch in der eigenen Lieferkette, ausgeglichen werden.
 

Um die Transformation insbesondere in den industriellen Sektoren zu unterstützen, sind sogenannte Carbon Contracts for Difference (CCfD) geplant. Die Bundesregierung arbeitet an entsprechenden Gesetzesvorhaben. Gerade in der Anlaufphase sollen sie das Unternehmensrisiko von Investitionen in eine treibhausgasarme Produktionsverfahren mindern. 

Last but not least sind die Stakeholder zu informieren. Nachhaltigkeit ist Überzeugungsarbeit. Regelmäßige Berichtsformate sind deshalb unerlässlich, um die Glaubwürdigkeit der eigenen Dekarbonisierungsstrategie herauszustellen.

Fazit

Dekarbonisierungsstrategien entwickeln sich immer weiter. Zur Wahrheit gehört, dass insbesondere energieintensive Branchen bei der Umsetzung an technische Grenzen stoßen werden. Entscheidend ist aber, schon heute anzufangen und das eigene Unternehmen nach Möglichkeiten zu durchforsten, um CO2 einzusparen. Das Machbare sollte umgesetzt und in der Kapitalstruktur berücksichtigt werden. Das honorieren Investoren, Banken, Geschäftspartner und Kunden. Es gibt keine Zeit zu verlieren. Es ist Zeit, etwas zu bewegen!

Über die Autoren: 

Christine Rademacher, Bereichsleiterin Financial Engineering und Mitglied im Board Lending

Seit 2004 ist sie Expertin für strukturierte Finanzierungen bei der Commerzbank. Zusätzlich verantwortet sie die Bereiche Mezzanine, gewerbliche Immobilien, öffentliche Fördermittel als auch ESG & Sustainable Finance für die DACH-Region, Niederlande und Tschechien. Die gebürtige Hannoveranerin startete ihre Karriere als Kreditanalystin und Firmenkundenbetreuerin.

Wolfgang Vitzthum, Director ‚ESG & Sustainable Finance Solutions’

Wolfgang Vitzthum ist auf die ESG-Beratung mittelständischer Unternehmen spezialisiert. Er verantwortet seit 2022 das Kompetenzteam ‚ESG & Sustainable Finance Solutions‘ für Firmenkunden der Commerzbank. Wolfgang Vitzthum ist Dipl.-Volkswirt und begann seine Karriere 2005 im Bereich Structured Finance.

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