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Debatte > Wahlen in Bayern und Hessen

Die SPD kann sich jetzt nicht mehr durchwursteln

19 Millionen Deutsche haben gewählt und der Ampel-Regierung einen mächtigen Denkzettel verpasst, allen voran Kanzler Scholz und seiner SPD. Der Rechtsruck macht der Exportnation Sorge – was es jetzt braucht, kommentiert Thorsten Giersch.

Das Gesicht zum Wahlergebnis in Hessen: SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser ist nicht zufrieden.

Es war keine Standpauke vom Trainer, was die SPD und Kanzler Olaf Scholz da am Sonntagabend quasi als Halbzeitansprache ihrer Legislatur bei den Wahlen in Bayern und Hessen zu hören bekommen haben – es war eine schallende Ohrfeige vom Wahlvolk. 19 Millionen Menschen leben in den beiden Bundesländern, die auch in wirtschaftlicher Hinsicht wahrlich nicht zu den unwichtigsten gehören. In Bayern wurde die SPD nur fünfstärkste Kraft mit kaum zu glaubenden 8,4 Prozent der Stimmen, und in Hessen schaffte es Bundesinnenministerin Nancy Faeser nicht mal annähernd, Amtsinhaber Boris Rhein Paroli zu bieten – und der CDU-Mann ist ja nun auch (noch) kein politisches Superschwergewicht: 15,1 Prozent holte die prominente Kandidatin und wurde damit im ehemaligen SPD-Stammland, wo Hans Eichel, Albert Osswald, Holger Börner, Christian Stock und Georg-August Zinn jahrzehntelang die Ministerpräsidenten stellten, knapp vor den Grünen drittstärkste Kraft. Letztgenannte haben in Bayern 3,2 und in Hessen 5 Prozent verloren. Die FDP flog in Bayern mit 3 Prozent krachend aus dem Landtag und schaffte es in Hessen mit exakt 5,0 Prozent nur hauchdünn, drin zu bleiben. In Summe verloren die Liberalen rund 40 Prozent ihrer Wählerinnen und Wähler.

Überraschend kam das alles nicht: Laut Umfragen sind vier von fünf Deutschen mit der Arbeit der Bundesregierung unzufrieden. Die Stimmung im Land ist besorgniserregend. Zugegeben hat die Ampel-Regierung auch einen mächtigen Reformstau geerbt aus 16 Jahren Angela Merkel. Der Ukrainekrieg mit all den Folgen macht es nicht einfacher, wirklich wie eine „Fortschritts-Koalition“ zu agieren, die SPD, Grüne und FDP ja sein wollen. Aber das Bild der ersten zwei Jahre ist so desaströs wie das Wahlergebnis am Sonntag es zeigt. Manchmal spiegeln Wahlergebnisse die politischen Leistungen ziemlich fair.

Die CDU hat in Hessen gewonnen, aber das lag wohl eher am Lokalmathador Boris Rhein als am Parteivorsitzenden Friedrich Merz, der Fehler in Serie produziert und massiv Wähler an die AfD verliert. Markus Söder hat in Bayern mit 37 Prozent das schlechteste CSU-Ergebnis seit 1950 eingefahren. Gelinde gesagt macht ihn das nicht zum geborenen Kanzlerkandidaten der Union bei den Bundestagswahlen in rund zwei Jahren. Wer profitiert, sind die Rechten. In Bayern kamen die Freien Wähler und die AfD auf 15,8 und 14,6 Prozent – also fast jeder Dritte hat rechts von der CSU gewählt. Wenn das noch kein Weckruf ist, was braucht es dann noch? Will Scholz wirklich als der Kanzler in die Geschichte eingehen, in dem die Rechten zur Volkspartei wurden?

Was die SPD im Kern falsch macht, zeigt sich besonders am Beispiel von Nancy Faeser: Wie man Wahlkampf in Hessen machen kann, ohne dass der Hauptjob als Bundesinnenministerin leidet, ist normalsterblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht zu erklären. Ja, solcherlei hat es in der CDU auch schon gegeben – zum Beispiel Norbert Röttgen, der nach seiner Niederlage 2012 in NRW von Angela Merkel übrigens als Bundesumweltminister entlassen wurde. Aber im Jahr 2023 hat die Bundesinnenministerin wirklich sehr viel zu erledigen, und so mancher zweifelt daran, ob Faeser das optimal hinbekam in den vergangenen Monaten.

Die SPD macht es dem Rest der Bevölkerung zur Unzeit vor, wie man in Krisenzeiten eben nicht agieren sollte. Dass Motto lautet: viel vom Kuchen abbekommen, ohne Risiken einzugehen. Der „Scholzomat-Kanzler“ ist nun auch nicht gerade die fleischgewordene Mutprobe. Genau durch diese Vollkasko-ohne-Selbstbeteiligungs-Mentalität wird Deutschland weiter ins Hintertreffen geraten. Es braucht jetzt mehr Entschlossenheit statt Kalkül, was dem Wahlvolk zuzumuten sein könnte. Mehr „Das richtig Tun“ statt „Das (womöglich) Unbeliebte lassen“.

Durchwursteln kann sich Scholz nicht mehr. Es braucht zum Beispiel eine Ansage, wie es in der Migrationsfrage weitergehen soll. Und was die Regierung für den Industriestandort Deutschland zu tun gedenkt. Vom ernsthaften Angang der Dauerbaustellen Bildung, Pflege- und Rentensystem wagt so mancher auch noch zu träumen. Ja, die SPD wurde für Gerhard Schröders Agenda 2010 mächtig abgestraft. Das, was Deutschland am Ende gut tat, wurde zwischenzeitlich vom Wähler nicht positiv beurteilt. Solcherlei könnte wieder passieren. Aber hat die SPD wirklich etwas zu verlieren? Wohl kaum angesichts der Ergebnisse vom Sonntagabend.

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