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Recht und Steuern > Urteil der Woche

Anspruch auf Zeugnisberichtigung erlischt nicht so einfach

Ein Arbeitszeugnis muss wohlwollend sein und darf das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschweren. Andernfalls kann der Arbeitnehmer Berichtigung verlangen – im Zweifel auch noch Jahre später, entschied nun ein Gericht.

Das Landesarbeitsgericht setzt klare Grenzen: Verwirkung des Anspruchs auf Zeugnisberichtigung bei böswilligem Arbeitszeugnis. Bildquelle: Shutterstock

Ein Arbeitszeugnis muss zwar der Wahrheit entsprechen, darf aber gleichzeitig dem weiteren beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers nicht im Wege stehen. Schreibt der Arbeitgeber eine zu negative Beurteilung oder wird das Zeugnis den sonstigen gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zeugnisberichtigung. Aber: Gilt dieser Anspruch unbegrenzt?

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat dazu kürzlich geurteilt: Der Arbeitgeber hat kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des erteilten Zeugnisses, wenn er den Arbeitnehmer böswillig mit „ungenügend“ beurteilt hat. Berichtigen muss er das Zeugnis im Einzelfall selbst dann noch, wenn zwischen Beanstandung des Zeugnisses und der Erhebung einer Klage zwei Jahre liegen.

Darum ging es

Der spätere Kläger hatte seinen Job gekündigt und erhielt nachfolgend ein Arbeitszeugnis, das er als „völlig inakzeptabel“ bezeichnete. Der Arbeitgeber – der vor der Eigenkündigung mehrfach erfolglos versucht hatte, den Beschäftigten seinerseits zu kündigen – stellte ein neues Zeugnis aus. Darin hieß es unter anderem, der Mitarbeiter sei „insgesamt schwach“ und „nicht belastbar“, sein Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten sei „von Spannungen geprägt“ gewesen. Zudem erwähnte der Arbeitgeber ein angebliches Fehlverhalten, ohne Belege dafür anzuführen. „Unterirdisch“ und sittenwidrig schädigend sei dieses Zeugnis, empörte sich der Ex-Mitarbeiter und verlangte abermals ein neues. Der Arbeitgeber stellte auf stur. 

Zwei Jahre später klagte der Ex-Mitarbeiter auf Berichtigung des Zeugnisses vor dem Arbeitsgericht Stuttgart. Dieses wies die Klage ab – der Anspruch des Klägers sei verwirkt. 

So urteilte das Gericht

Das Landesarbeitsgericht sah die Sache anders. Verwirkt ist ein Anspruch immer dann, wenn jemand ein Recht zwar geltend machen könnte, dies aber nicht tut (sogenanntes Zeitmoment) und wenn die andere Seite genau davon auch ausgehen darf (sogenannter Umstandsmoment). Das Zeitmoment hielt das LAG für gegeben – immerhin seien zwischen der Beanstandung des Zeugnisses und der Klageerhebung zwei Jahre vergangen. Es fehle aber am Umstandsmoment, so die Richter. Weil der Kläger das Zeugnis gleich nach der Erteilung als „völlig inakzeptabel“ bezeichnet und seinen Tonfall anschließend noch verschärft („vollkommen unterirdisch“) habe, habe der Arbeitgeber in diesem Fall nicht darauf vertrauen können, dass der Kläger seine Ansprüche auf Zeugnisberichtigung nicht weiterverfolgen werde.

Darauf sollten Arbeitgeber achten

„Das Urteil ist eine Einzelfallentscheidung.“, betont Lisa-Marie Niklas, Partnerin im Arbeitsrecht bei der Kanzlei Arqis. Gleichwohl müssten Arbeitgeber nach dieser Entscheidung damit rechnen, dass ehemalige Arbeitnehmer auch längere Zeit nach der Ausstellung eines Zeugnisses versuchen werden, Zeugnisberichtigungsansprüche geltend zu machen. Daher sei es gut, dass die Entscheidung noch einmal deutlich mache, worauf Arbeitgeber bei der Zeugniserteilung besonders achten müssen. 

Zeugnis muss verständlich und angemessen sein

„Jeder Arbeitnehmer hat einen gesetzlichen Anspruch auf ein klar und verständlich formuliertes qualifiziertes Zeugnis, das in einer angemessenen äußeren Form abgefasst ist“, so Lisa-Marie Niklas. Sowohl der Inhalt als auch die äußere Form müssen sich daran orientieren, dass das Zeugnis in der Regel als Bewerbungsunterlage genutzt wird. „Ein bewusst schlechtes Zeugnis kann dazu führen, dass ein Arbeitnehmer nicht eingestellt wird. Wird die Leistung eines Arbeitnehmers objektiv zu schlecht bewertet oder entspricht das Zeugnis nicht den äußeren Anforderungen, muss es daher korrigiert werden“, betont die Arbeitsrechtsexpertin.

Kümmert ein Arbeitnehmer sich allerdings erst nach langer Zeit um eine Korrektur, kann dies unter Umständen zu spät sein. So kann er seinen Anspruch auf Berichtigung grundsätzlich verwirken. „Dann kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer begründen kann, dass er sich nicht zeitlich früher um eine Korrektur kümmern konnte, was in der Praxis jedenfalls nach einigen Monaten oft schwierig sein dürfte“, erklärt Arbeitsrechtlerin Niklas. „Oder er muss Umstände nachweisen, die dazu geführt haben, dass der Arbeitgeber nicht damit rechnen durfte, dass er das Zeugnis endgültig akzeptiert – wie eben in dem jüngst vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschiedenen Fall.“

Unsachliche Bewertungen sind tabu

Sind „schlechte“ Zeugnisse damit per se nicht erlaubt? Doch. „Ist ein Arbeitgeber mit der Arbeitsleistung nicht zufrieden, darf dies in einem Arbeitszeugnis auch erwähnt werden. Kein Arbeitgeber muss die Leistungen eines ausscheidenden Mitarbeiters mehr loben als es angemessen ist“, betont Lisa-Marie Niklas. Wichtig sei aber, dass es sich um wahre Angaben handelt und nicht um eine unsachliche Bewertung. Keinesfalls erlaubt seien zudem subjektiv herablassende Bemerkungen oder bewusst schädigende Aussagen. „Weglassen ist dabei oft auch eine gute Lösung.“

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 31.05.2023, Az.4 Sa 54/22
 

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